Eine Freundschaft in Atlanta

Eine Freundschaft in Atlanta

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783868274523
Untertitel:
Deutsch
Genre:
Erzählende Literatur & Romane
Autor:
Elizabeth Musser
Herausgeber:
Francke Buchhandlung GmbH
Auflage:
1., Auflage
Anzahl Seiten:
384
Erscheinungsdatum:
12.06.2014
ISBN:
978-3-86827-452-3

Atlanta 1933 Anne Perrin Singleton und Mary Dobbs Dillard haben so gut wie nichts gemeinsam. Perri ist die Tochter eines vermögenden Bankers, begeistert sich für Fotografie und Partys und genießt es, zur feinen Gesellschaft von Atlanta zu gehören. Dobbs ist die Tochter eines Predigers, in armen Verhältnissen aufgewachsen, lehnt sich gegen jegliche Form von Ungerechtigkeit auf undstammt aus Chicago. Doch die Weltwirtschaftskrise und ihre Folgen führen die beiden jungen Frauen zusammen. Plötzlich ist nichts mehr, wie es einmal war. In einer Zeit voller Turbulenzen müssen Perri und Dobbs um ihre Zukunft kämpfen und werden einander zum einzigen Halt. Aber kann eine so ungleiche Freundschaft Bestand haben?

Autorentext
Elizabeth Musser wuchs in Atlanta auf. Seit dem Abschluss ihres Studiums englischer und französischer Literatur an der Vanderbilt Universität in Tennessee ist sie als Missionarin tätig. Heute lebt sie mit ihrem Mann Paul in der Nähe von Lyon in Frankreich. Die beiden haben zwei Söhne.

Leseprobe
Kapitel 1 Perri Ich lernte Dobbs an dem Tag kennen, an dem meine Welt zusammenbrach. Es war das Jahr 1933. Für die meisten von uns im guten alten Amerika war die Welt schon vor Jahren zusammengebrochen. Aber ich hatte die letzten vier Jahre nahezu unversehrt überstanden. Ich war davon überzeugt, dass mir die Weltwirtschaftskrise in meinem kleinen Paradies nichts anhaben konnte. Aber dann kam meine Welt mit quietschenden Bremsen zum Stehen, zeitgleich mit Herbert Hoover am letzten Tag seiner Präsidentschaft. Die Banken brachen zusammen und rissen um mich alles mit sich. Eigentlich fing der Tag gut an. Eine positive Spannung lag an diesem Samstag in der Luft. Ich hatte lange geschlafen, war aber trotzdem noch müde von der Feier der Studentenverbindung an der Georgia Tech. Mama weckte mich wie gewünscht um zehn, und nachdem ich Frühstückseier und Maisgrütze hinuntergeschlungen hatte, setzte ich mich zum Rest der Familie ins Wohnzimmer, wo auf der Anrichte unser Radio stand. Die Kommentatoren beschrieben voller Begeisterung die Szenerie in Washington, D. C. Menschenmassen drängen sich auf dem gut vier Hektar großen Areal, stehen auf den Bürgersteigen und Rasenflächen und warten auf den zukünftigen Präsidenten Mama, Daddy, meine jüngeren Geschwister Barbara und Irvin und ich rutschten so nah wie möglich ans Radio. Jimmy und Del-lareen, unsere schwarzen Diener, waren mit ihren fünf Kindern auch da. Mama hatte sie eingeladen, damit sie hören konnten, wie Mr Roosevelt seinen Amtseid ablegte. Normalerweise arbeiteten sie nur die Woche über bei uns. Es war, als hielte Amerika die Luft an und wartete darauf, dass dieser neue Präsident uns von uns selbst erlösen würde. Ich war vor Anspannung ganz nervös und Mama hatte ihr Sonntagslächeln aufgesetzt, aber Daddy machte keinen Hehl aus seiner düsteren Stimmung. Daddy war Banker und an jenem Morgen des 4. März 1933 hatte selbst die letzte Bank in den Vereinigten Staaten ihre Türen geschlossen. Das ganze Land fürchtete sich na ja, war gelähmt vor Angst, traf es vielleicht besser. Während wir auf die Antrittsrede warteten, ging Mama zu Daddy und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Holden, glaub mir, Mr Roosevelt kriegt das Land wieder auf Kurs. Zu spät, Dot, war alles, was er sagte. Typisch, dachte ich und ärgerte mich, weil er drauf und dran war, diesen historischen Moment zu ruinieren. Auch wenn er Grund hatte, pessimistisch zu sein. Als Vorstandsmitglied der Georgia Trust Bank hatte er angesichts der Wirtschaftslage wenig Hoffnung auf ein Wunder. Er wickelt die Leute mit seinen schönen Worten um den Finger, dieser Roosevelt, sagte Daddy. Aber was er konkret machen will, hat er noch nicht ein einziges Mal gesagt. Seine Reden bestehen aus blumiger Rhetorik mit einem Schuss Humor. Aber was wirklich dahintersteckt, weiß kein Mensch. Mama tätschelte Daddys Hand und zuckte verständnisvoll mit den Schultern. Im Hintergrund hörten wir Musik und dann und wann leitete der Ansager kurze Werbepausen ein, in denen für Coca-Cola, Sears, Roebuck and Company oder Haverty's Furniture geworben wurde. Schließlich kam die Rede des neuen Präsidenten. Dellareen ermahnte zwei ihrer Jungs, die auf dem Boden saßen und sich zankten. Ich saß auf dem Wohnzimmertisch, die Füße auf Irvins Schoß, und niemand scheuchte mich runter. Ich glaube, wir beteten alle um ein Wunder. Ganz Amerika brauchte eins vom Banker bis zur Haushaltshilfe. Republikaner, Demokraten, Alte und Junge. Ich war ziemlich froh, dass Herbert Hoover nicht mehr Präsident war. Ich hatte genug von den Elendsvierteln, die wir nur Hoovervilles nannten, und von hundert anderen Sachen, über die wir nur die Köpfe schütteln konnten. Der Gedanke an eine Veränderung ließ mein Herz höherschlagen. Mr Roosevelts Stimme kam knisternd durch den Radiolautsprecher und wir beugten uns gespannt vor. Dieses große Volk wird weiter durchhalten, wie es bisher durchgehalten hat, es wird wieder aufblühen und gedeihen. So lassen Sie mich denn als Allererstes meine feste Überzeugung bekunden, dass das Einzige, was wir zu fürchten haben, die Furcht selbst ist die namenlose, blinde, sinnlose Angst, die die Anstrengungen lähmt, derer es bedarf, um den Rückzug in einen Vormarsch umzuwandeln. Wir lauschten gebannt, verzückt außer vielleicht Daddy , ließen uns von seinem väterlichen Ton beruhigen und hörten die zuversichtlichen Ankündigungen, die in meinen Ohren wie der Startpunkt für ein Wunder klangen. Und Präsident Roosevelt demonstrierte diese Stärke und den Optimismus höchstpersönlich, indem er sich aus dem Rollstuhl erhob und trotz seiner Gehbehinderung über die Bühne zum Rednerpult schritt, verkündete der begeisterte Radiosprecher nach Roosevelts Rede. Ich hoffte, dass die Rede des neuen Präsidenten auch Daddys Laune heben würde. Er war im Lauf der letzten Monate immer mürrischer geworden. Normalerweise vertraute mir mein Vater vieles an, was seine Arbeit betraf, die mich immer wieder faszinierte. Aber in letzter Zeit war er viel allein im Arbeitszimmer gewesen und gestern Abend hatte ich gehört, wie er sich mit Mama über die Situation in den Banken gestritten hatte. Mama blickte mit einer Portion Optimismus auf das Leben, was meinen vor sich hin brütenden Vater oft besänftigte. Manchmal machte seine finstere Laune seinen Haaren alle Ehre sie waren kohlrabenschwarz und es war nicht ein graues dazwischen. Komisch, dass mein Vater, der so oft melancholisch war, jung und frisch aussah, während Mama Ringe unter ihren hübschen grünen Augen hatte und alle zwei Monate ihr dunkelblondes Haar färben lassen musste, ein Luxus, den wir nie als Luxus angesehen hatten, bis Daddy letzten Monat wütend nach Hause gekommen war und der armen Mama den Besuch im Schönheitssalon untersagt hatte. Aber Mama war erfinderisch und schaffte es auch so, einen neuen Schnitt und neue Farbe zu bekommen Dellareen kannte sich zum Glück gut damit aus und hatte schon vielen weißen Damen die Haare gemacht. Ich hatte Dellareen dabei zugesehen, wie sie ihr Gebräu anrührt hatte, und inständig gehofft, dass es funktionieren würde, damit meine Freunde aus Atlanta nicht auf den Gedanken kamen, bei den Singletons wäre die Armut ausgebrochen. An jenem Samstag Anfang März hatte Präsident Roosevelt die Nation mit seinen Worten besänftigt und ich verspürte so etwas wie Hoffnung. Ich hatte Freunde, Partyeinladungen und Massen an Verabredungen, und der Präsident würde es schon irgendwie schaffen, die Wirtschaft wieder auf Trab zu bringen. Und die Banken. Oh, bitte, auch die Banken, vor allem die von Daddy. Perri, ich möchte, dass du mich nachher zum Bahnhof begleitest, sagte Mama nach dem Mittagessen. Irvin war schon wieder nach draußen entwischt, um mit seinen Freunden Baseball zu spielen. Barbara besuchte ihre Freundin Lulu und Daddy war im Arbeitszimmer verschwunden. Ich wollte eigentlich meine Freundin Mae Pearl besuchen, um sie zu fragen, was sie von Roosevelts Rede hielt. Mis…


billigbuch.ch sucht jetzt für Sie die besten Angebote ...

Loading...

Die aktuellen Verkaufspreise von 6 Onlineshops werden in Realtime abgefragt.

Sie können das gewünschte Produkt anschliessend direkt beim Anbieter Ihrer Wahl bestellen.


Feedback