Einband:
Kartonierter Einband
Untertitel:
Erzählungen, Sammlung Luchterhand 62077
Genre:
Erzählende Literatur & Romane
Autor:
Christiane Neudecker
Herausgeber:
Luchterhand Literaturvlg.
Erscheinungsdatum:
31.10.2005
Ein Klangdesigner für Autos, der in Dubai bei der Entwicklung eines Prototyps nicht nur seinen Job verliert; das frisch getrennte Paar, das sich im spätsommerlichen Paris immer weiter voneinander entfernt; eine nächtliche Passantin, die sich beim Anblick einer Straßenskulptur ihrem toten Vater gegenübersieht: In 13 kraftvollen, berührenden und verstörenden Erzählungen trifft der Lärm der Alltagswelt auf Abgründe der Stille ein Zusammenprall, aus dem eine neue, eindrückliche und ungewöhnlich welthaltige Stimme der deutschsprachigen Literatur entsteht.Das fulminante Debüt einer preisgekrönten jungen deutschen Autorin
Christiane Neudeckers Geschichten strahlen eine Welthaftigkeit aus, die der jüngeren deutschen Literatur in letzter Zeit so gerne abgesprochen wird.
Autorentext
Christiane Neudecker, geb. 1974, studierte Theaterregie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin. Seit 2001 arbeitet sie international mit dem Künstlerkollektiv phase7 zusammen, u.a. für die KI-Oper »Chasing Waterfalls«, die 2022 in der Semperoper Dresden und auf dem New Vision Arts Festival Hongkong Premiere feierte. Für ihre Romane und Kurzgeschichten erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, stand auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und erhielt ein begeistertes Presseecho.
Leseprobe
In der Stille ein Klang
Wie das klingt. Wenn einer dir gegenbersteht, der dir sagt, du sollst gehen. Ganz still wird es dann. Du lauschst auf den Nachhall, der nicht kommt. Der ausbleibt im nachschwingenden Schweigen. Ein Schweigen, das drhnt, mchte man meinen. Das die Tne freisetzt, die in dir sind. Sind vielleicht Worte, die Tne. Die gesagt werden mssten. Die du anbieten solltest, wie du wei, zur Erwiderung. Du aber drehst sie nur in dir, die Worte, und legst sie beiseite, wend du starr stehend horchst. Dich wunderst. er das Getse der Stille.
Dass er dort steht. Immer noch steht er schweigend anderswo, obwohl er lst in seiner Wohnung sitzt. In seiner Kche, an dem Tisch, vor der Tasse, die leer ist. Sitzend steht er da und denkt an Reisen. er die man sagt: die Seele kommt nach. Denn Seelen, hei es, laufen zu Fu Kann aber sein, dass die Seele feststeckt, denkt er. Dass sie eingefroren ist im Moment danach. Dass eine Stille von solcher Heftigkeit Seelen verschreckt. Weswegen sie starr bleiben, still stehen, nicht loslaufen, wie sie sollten.
Lerlich findet er sich. Sich so denken zu hren. Und doch ist er froh, dass er denkt, immerhin. Dass wieder Se lautstark seine Gedanken durchkreuzen. Denn Stille, begreift er, gliche Stille ist erst dann mglich, wenn man aufhrt zu denken. Eine Stille, die auffrisst, ist das, so denkt er. Ein L. Lautlos wollten sie sein. Die Tr, sagten sie, msse schweigen. Die Tr. er den Klang des Motors war man sich vorher einig geworden. Noch in Deutschland hatten sie festgelegt, dass er grollen sollte. Ein aufbrausendes Donnern zu sommerlicher Nacht. Markig, hatte der Oberste von allen es genannt und dabei seine Arme in die Luft geston. Und: Mlich, immer wieder. Der Sound sollte im Sub-Bereich liegen. Sound war ein Wort, das sie gerne benutzten. Er verwendete es nie. Basslastige Kle wollten sie haben, so tief, dass sie aus der Erdkruste zu brechen schienen. Die Hosenbeine sollten den Konsumenten spr flattern. Ein sinnliches, ein erotisches Erlebnis. Da muss einem einer abgehen, hatte der Oberste gerufen.
Er verstand, was sie wollten. Und wusste schon, welche Kfe ihm blhten. Mit den Ingenieuren, die stolz waren auf das leise Surren, das sie in feinfhliger Arbeit erreicht hatten. Ein lautloser Motor, sacht wie das Vorberschwirren eines Kolibris. Er wrde ihre Arbeit zerstren. Hier ging es um einen Gelewagen. Einen Bezwinger. Der konnte nicht leise daherrollen. Rhren wrde er mssen, mit der ungezgelten Kraft eines brnftigen Hirsches. Brnftig!, hatte der Oberste gedrhnt und ihm auf die Schulterbler geschlagen, brnftig! Wir verstehen uns, mein Sohn.
Auch die Innenausstattung hatten sie besprochen. Das leichte Klacken beim Aktivieren der Lenkradsperre. Das pulsierende Pochen des Blinkers. Das beruhigend nachstreifende Ticken der Scheibenwischer, von innen vernommen. Das vollmundige Vibrato zurckschnalzender Metallfedern. Ein nahezu unmerkliches Rauschen, das anschwillt zur Senkung des Fus auf dem Gaspedal. Ein leises Interieur, das Raum lt fr das Herzstck: den Motor, der von innen geheimnisvoller zu klingen hatte als von aun. Niemals durfte er aufheulen. Lust musste hrbar werden, in gezgelter, verschleierter Form. Das Fauchen im Kg kurz vor dem Ausbruch. Der Oberste formulierte es anders: Keine blanken Titten. Er verstand. Und legte dem Obersten dessen Worte in den Mund. Er suche den durchsichtigen Stoff, der nichts zeige, aber alles erahnen lie. Der Oberste nickte begeistert: Ich will die Fahrer sabbern sehen.
er die Handbremse gerieten sie in einen Wortwechsel. Sie hatten sich anderes vorgestellt als er, wollten ein feines Ratschen, im Einklang mit den gedften Lauten des Wageninneren. Er empfahl ein Aufbocken, harsch, fast schon ein Krachen. Die Handbremse markiere einen Schlusspunkt, setzte er ihnen auseinander. Sie zeige Entschlussfreudigkeit und verknde das Erreichen des Ziels, da sie zumeist nur zum Parken genutzt werde, wie neuere Statistiken bewiesen. Sie lien sich berzeugen. Sie wussten um seinen Wert. Kannten die Summe, mit der sie ihn abgeworben hatten vom Konkurrenten.
er die Tr hatten sie nicht gesprochen. Wie ihm das unterlaufen hatte knnen, ist ihm jetzt ein Rel.
Die Tasse hat er mit heim Wasser gefllt, das ausgekhlt ist unter seinen Gedankengen. Noch immer sieht er sich dem Obersten gegenberstehen. Mit der linken Hand wischt er ber die Tischplatte, tastet abwesend nach Brotkrmeln, die dort nicht sind. Zu lange war er nicht mehr in dieser deutschen Wohnung. Er hatte sie nur behalten, weil Hannah es wollte.
Im Rcken fhlt er die Ke. Sie breitet sich aus hinter Fensterglas. Der kalte Dezemberwind im Innenhof. Die Be trostlos abgenagt. Die Schaukel haben sie heruntergenommen, das abgestorbene Blumenbeet mit dicken Tannenzweigen belegt. Wer, fragt er sich flchtig, macht so was.
Er trat aus dem Flugzeug in die Hitze hinaus. Stand oben auf der Treppe, die sie herangerollt hatten, und musste lachen. Mit den Hen griff er nach dem warmen metallenen Geler. Hinter ihm schob sich die Stewardess nr, die ihm wend des Flugs die Getre gereicht hatte, das Tablett ber seinen Schogezogen, ihm das Kissen zurechtgezupft hatte unter dem Kopf. Er drehte sich nicht zu ihr um und liemit dem rechten Ringfinger den Ehering auf dem Geler aufschlagen. Fast glaubte er hren zu knnen, wie sie zusammenzuckte bei dem Gerch. Wie sie ihr Kinn in die Hhe reckte und sich zurckzog in die Nische vor dem Cockpit.
Der erste Schritt in die arabische Welt. Sehr sperst hatten sie es ihm gesagt. Der Prototyp sollte in Dubai gebaut werden. Das Werk dort war, so glaubten sie, besser abgeschirmt. Die Spezialisten alle vor Ort. Die Umgebung fr Testfahrten ideal: die Wste, die Berge. Die mit spitzem Splitt besn, ausgetrockneten Flussbetten, Wadis genannt. Die Felsschluchten, die das Wasser speichern, the pools. Seit Monaten arbeiteten sie dort bereits, in hchste Geheimhaltung verkapselt. Von Wstensmog hatte er gelesen, als er begonnen hatte, sich ber das Land zu informieren. Hei, trockene Winde wirbeln ber die faltige Sandebene, tragen Ben aus feinsten Krnern mit sich, mikroskopische Spuren von Sand, submikroskopische, die sich verdichten zu einem alles verschwemmenden Nebel. Als Dunst legt er sich ber die Stadt, bei sich in die Atemwege der Einwohner, in die Nase, den Mund, die Augenwinkel, sperrt ihr Leben in die waghalsigen Glasbauten, die hier aus dem Boden schien wie nirgendwo sonst. Diese Gebe, die er noch nicht sehen konnte, hier, auf der Flugzeugtreppe stehend. Die er glaubte erahnen zu knnen, hinter dem weiten Flughafenfeld, das sich unter ihm ausbreitete, hin zu den flachge…
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