Auf den Marmorklippen

Auf den Marmorklippen

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783608960655
Untertitel:
Roman
Genre:
Erzählende Literatur & Romane
Autor:
Ernst Jünger
Herausgeber:
Klett-Cotta Literatur
Auflage:
4. Druckauf., 2023
Anzahl Seiten:
113
Erscheinungsdatum:
23.01.2014
ISBN:
978-3-608-96065-5

Für Dolf Sternberger waren die Marmorklippen »das kühnste Erzeugnis der Schönen Literatur, das während der Zeit des Dritten Reichs in Deutschland ans Licht getreten ist«.

»[...] es ist das Renommierbuch der 12 Jahre«, konstatierte Thomas Mann und gleichzeitig sind die »Marmorklippen« das Problembuch der nationalsozialistischen Zeit.


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Vorwort
Jüngers »Auf den Marmorklippen« zum ersten Mal im Paperback

Autorentext
Ernst Jünger, am 29. März 1895 in Heidelberg geboren. 19011912 Schüler in Hannover, Schwarzenberg, Braunschweig u. a. 1913 Flucht in die Fremdenlegion, nach sechs Wochen auf Intervention des Vaters entlassen 19141918 Kriegsfreiwilliger 1918 Verleihung des Ordens »Pour le Mérite«. 19191923 Dienst in der Reichswehr. Veröffentlichung seines Erstlings »In Stahlgewittern«. Studium in Leipzig, 1927 Übersiedlung nach Berlin. Mitarbeit an politischen und literarischen Zeitschriften. 19361938 Reisen nach Brasilien und Marokko. »Afrikanische Spiele« und »Das Abenteuerliche Herz«. Übersiedlung nach Überlingen. 19391941 im Stab des Militärbefehlshabers Frankreich. 1944 Rückkehr Jüngers aus Paris nach Kirchhorst. 19461947 »Der Friede«. 1950 Übersiedlung nach Wilflingen. 1965 Abschluß der zehnbändigen »Werke«. 19661981 Reisen. Schiller-Gedächtnispreis. 1982 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt/Main.1988 Mit Bundeskanzler Kohl bei den Feierlichkeiten des 25. Jahrestags des Deutsch-Französischen Vertrags. 1993 Mitterrand und Kohl in Wilflingen. 1998 Ernst Jünger stirbt in Riedlingen.

Klappentext
'[.] es ist das Renommierbuch der 12 Jahre', konstatierte Thomas Mann - und gleichzeitig sind die 'Marmorklippen' das Problembuch der nationalsozialistischen Zeit.

Leseprobe
Auf den Marmorklippen

1

Ihr alle kennt die wilde Schwermut, die uns bei der Erinnerung an Zeiten des Glückes ergreift. Wie unwiderruflich sind sie doch dahin, und unbarmherziger sind wir von ihnen getrennt als durch alle Entfernungen. Auch treten im Nachglanz die Bilder lockender hervor; wir denken an sie wie an den Körper einer toten Geliebten zurück, der tief in der Erde ruht und der uns nun gleich einer Wüstenspiegelung in einer höheren und geistigeren Pracht erschauern läßt. Und immer wieder tasten wir in unseren durstigen Träumen dem Vergangenen in jeder Einzelheit, in jeder Falte nach. Dann will es uns scheinen, als hätten wir das Maß des Lebens und der Liebe nicht bis zum Rande gefüllt gehabt, doch keine Reue bringt das Versäumte zurück. O möchte dieses Gefühl uns doch für jeden Augenblick des Glückes eine Lehre sein!
Und süßer noch wird die Erinnerung an unsere Mond- und Sonnenjahre, wenn jäher Schrecken sie beendete. Dann erst begreifen wir, wie sehr es schon ein Glücksfall für uns Menschen ist, wenn wir in unseren kleinen Gemeinschaften dahinleben, unter friedlichem Dach, bei guten Gesprächen und mit liebevollem Gruß am Morgen und zur Nacht. Ach, stets zu spät erkennen wir, daß damit schon das Füllhorn reich für uns geöffnet war.
So denke ich auch an die Zeiten, in denen wir an der Großen Marina lebten, zurück erst die Erinnerung treibt ihren Zauber hervor. Damals freilich schien manche Sorge, mancher Kummer uns die Tage zu verdunkeln, und vor allem waren wir vor dem Oberförster auf der Hut. Wir lebten daher mit einer gewissen Strenge und in schlichten Gewändern, obwohl kein Gelübde uns band. Zweimal im Jahre ließen wir indessen das rote Futter durchleuchten einmal im Frühling und einmal im Herbst.
Im Herbste zechten wir als Weise und taten den köstlichen Weinen, die an den Südhängen der Großen Marina gedeihen, Ehre an. Wenn wir in den Gärten zwischen dem roten Laube und den dunklen Trauben die scherzenden Rufe der Winzer vernahmen, wenn in den kleinen Städten und Dörfern die Torkel zu knarren begannen und der Geruch der frischen Trester um die Höfe seine gärenden Schleier zog, stiegen wir zu den Wirten, den Küfern und Weinbauern hinab und tranken mit ihnen aus dem bauchigen Krug. Dort trafen wir immer heitere Genossen an, denn das Land ist reich und schön, so daß unbekümmerte Muße in ihm gedeiht, und Witz und Laune gelten als bare Münze in ihm.
So saßen wir Abend für Abend beim fröhlichen Mahl. In diesen Wochen ziehen vermummte Wingertswächter vom Morgengrauen bis zur Nacht mit Knarren und Flinten in den Gärten umher und halten die lüsternen Vögel in Schach. Spät kehren sie mit Kränzen von Wachteln, von gesprenkelten Drosseln und Feigenfressern zurück, und bald erscheint dann ihre Beute auf Weinlaub gebettet in großen Schüsseln auf dem Tisch. Auch aßen wir gern geröstete Kastanien und junge Nüsse zum neuen Weine und vor allem die herrlichen Pilze, nach denen man dort mit Hunden in den Wäldern spürt die weiße Trüffel, die zierliche Werpel und den roten Kaiserschwamm.
Solange der Wein noch süß und honigfarben war, saßen wir einträchtig am Tisch, bei friedlichen Gesprächen und oft den Arm auf die Schulter des Nachbarn gelegt. Sobald er jedoch zu arbeiten und die erdigen Teile abzustoßen begann, wachten die Lebensgeister mächtig auf. Es gab dann glänzende Zweikämpfe, bei denen die Waffe des Gelächters entschied und bei denen sich Fechter begegneten, die sich durch die leichte, freie Führung des Gedankens auszeichneten, wie man sie nur in einem langen, müßigen Leben gewinnt.
Aber höher noch als diese Stunden, die in funkelnder Laune dahineilten, schätzten wir den stillen Heimweg durch Gärten und Felder in der Tiefe der Trunkenheit, während schon der Morgentau sich auf die bunten Blätter schlug. Wenn wir das Hahnentor der kleinen Stadt durchschritten hatten, sahen wir zu unserer Rechten den Seestrand leuchten, und zu unserer Linken stiegen im Mondlicht gleißend die Marmorklippen an. Dazwischen eingebettet streckten sich die Rebenhügel aus, in deren Hängen sich der Pfad verlor.
An diese Wege knüpfen sich Erinnerungen an ein helles, staunendes Erwachen, das uns zugleich mit Scheu erfüllte und erheiterte. Es war, als tauchten wir aus der Lebenstiefe an ihre Oberfläche auf. Gleichwie ein Pochen uns aus unserm Schlaf erweckt, fiel da ein Bildnis in das Dunkel unseres Rausches ein - vielleicht das Bockshorn, wie es dort der Bauersmann an hohen Stangen in den Boden seiner Gärten stößt, vielleicht der Uhu, der mit gelben Augen auf dem Firste einer Scheuer saß, oder ein Meteor, das knisternd über das Gewölbe schoß. Stets aber blieben wir wie versteinert stehen, und ein jäher Schauer faßte uns im Blut. Dann schien es uns, als ob ein neuer Sinn, das Land zu schauen, uns verliehen sei; wir blickten wie mit Augen, denen es gegeben ist, das Gold und die Kristalle tief unter der gläsernen Erde in leuchtenden Adern zu sehen. Und dann geschah es, daß sie sich näherten, grau und schattenhaft, die uransässigen Geister des Landes, längst hier beheimatet, bevor die Glocken der Klosterkirche erklangen und bevor ein Pflug die Scholle brach. Sie näherten sich uns zögernd, mit groben, hölzernen Gesichtern, deren Miene in unergründlicher Übereinstimmung heiter und furchtbar war; und wir erblickten sie, zugleich erschrockenen und tief gerührten Herzens, im Weinbergland. Zuweilen schien es uns, als ob sie sprechen wollten, doch bald entschwanden sie wie Rauch.
Schweigend legten wir dann den kurzen Weg zur Rautenklause zurück. Wenn das Licht in der Bibliothek aufflammte, sahen wir uns an, und ich erblickte das hohe, strahlende Leuchten in Bruder Othos Gesicht. In diesem Spiegel erkannte ich, daß die Begegnung kein Trug gewesen war. Ohne ein Wort zu wechseln, drückten wir uns die Hand, und ich stieg ins Herbarium hinauf. Auch ferner war von solchem nie die Rede zwischen uns.
Oben saß ich noch lange am offenen Fenster in großer Heiterkeit und fühlte von Herzen, wie sich der Lebensstoff in goldenen Fäden von der Spindel wand. Dann stieg die Sonne üb…


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