Einband:
Kartonierter Einband
Genre:
Erzählende Literatur & Romane
Auflage:
1. Auflage, neue Ausgabe
Erscheinungsdatum:
04.05.2020
»Dina Nayeris Sprache kann man schmecken.« taz
Mit knapp dreißig hat Nilou alles erreicht. Wer hätte je geglaubt, dass sie eine Eliteuniversität besuchen, einen weltgewandten Juristen heiraten und ihre eigene Wissenschaftskarriere beginnen würde? Als Kind ist sie mit ihrer Mutter aus dem Iran geflohen in die tiefste amerikanische Provinz, wo man sie nicht gerade offenherzig empfangen hat. Doch sie hat ehrgeizig nach den Idealen der westlichen Welt gestrebt und sich komplett neu erfunden. Alles könnte also gut sein, wäre da nicht Nilous Vater, ein opiumsüchtiger Verehrer altpersischer Lyrik, der ihr vom Iran aus die Kluft vor Augen führt, die die Familie voneinander trennt. Als Nilou in Amsterdam auf eine Gruppe iranischer Exilanten trifft, mit ihnen kocht und ihren Erzählungen lauscht, erwacht eine alte Sehnsucht in ihr: nach einer Heimat, in der sie sie selbst sein darf.
Autorentext
Dina Nayeri wurde während der Islamischen Revolution im Iran geboren und emigrierte als Zehnjährige in die USA. In Princeton absolvierte sie ihren BA, in Harvard ihren MBA und Master of Education. Ihr Debüt »Ein Teelöffel Land und Meer« war ein großer Presse- und Publikumserfolg und wurde in 14 Sprachen übersetzt. Dina Nayeri wohnt in London.
Leseprobe
Dr. Hamidis schwierige Scheidung
Juni 2009
Isfahan, Iran
Als fordere das Universum noch ein letztes Opfer von ihm, musste Bahman, um seine eigene hässliche Angelegenheit zu regeln, dreizehn Scheidungen nacheinander beiwohnen, einem vollen Tagesprogramm. Als die sechste verhandelt wurde, starrte er fassungslos seinen jungen Anwalt an der vor all dem Elend auch schon zu kapitulieren schien, mit hängenden Schultern und einer halb gerauchten Zigarette zwischen den schlaffen Lippen und flüsterte: »Das ist absurd.«
»Verzeihen Sie, Agha Doktor, inwiefern?« Der Anwalt hob beide Augenbrauen, als hätte Bahman mit dieser Farce rechnen müssen, als sollte jeder Mensch, der ein eigenes Anliegen verfolgte, daran gewöhnt sein, zunächst dreizehn Mal in Folge mitzuerleben, wie blasse Ehemänner in sich zusammensackten und hübsche Ehefrauen in Tränen ausbrachen. Gab es nicht immer einen Moment, in dem die Jugend scheiterte? Doch wer wollte den schon mit ansehen?
Sie saßen auf Plastikstühlen unmittelbar vor dem Büro des Mullahs und konnten die Geschehnisse durch den Türspalt verfolgen, der allem Anschein nach extra zu diesem Zweck offen stand. Sein junger Anwalt wischte sich ständig die Hände an seiner billigen grauen Hose ab und trank heißen Tee. Manchmal erhob er sich auch und füllte sein Tulpenglas mit zwei Fingerbreit Flüssigkeit aus dem rostigen Samowar, der auf einem langen in der Ecke stand, wo zwei Sekretärinnen in schwarzen Tschadors irgendeiner freudlosen Tätigkeit nachgingen. Wieso hatte er diesen zappeligen Mann überhaupt engagiert? Schließlich war Bahman trotz seiner säkularen Ausbildung und seiner Bände subversiver Lyrik, trotz der amerikanischen Studienabschlüsse seiner Kinder und trotz seiner geflohenen ersten Frau noch immer der Mann in einer iranischen Scheidung: eine sichere Position. Es würde alles gut gehen. Obwohl er zugegeben vorhatte, ein paar Lügen zu erzählen. Und überhaupt, wann hatte eine dritte Scheidung je etwas Gutes?
Als er gestern zu Hause Tee aus seinem eigenen Samowar getrunken hatte, hatte Bahman in gespannter Erwartung an die heutige Angelegenheit gedacht. Sie war längst überfällig. Er hatte überlegt, wie das nächste Kapitel seines Lebens wohl verlaufen mochte. Vielleicht würde er eine neue Couch kaufen und versuchen abzunehmen. Vielleicht würde er sich eine neue Krone für seinen Backenzahn gönnen und eine Flugreise machen, irgendwohin, wo es warm war und man ohne Probleme ein Visum erhielt: Zypern oder Dubai oder Istanbul. Vielleicht würde er sogar ein Wiedersehen mit seinen Kindern arrangieren.
An jenem letzten Morgen vor dem Gerichtstermin zeterte Sanaz nicht, und sie warf auch keine Gegenstände. Stattdessen hörte er sie im Gästezimmer weinen. Er klopfte an die halb offene Tür und blieb im Türrahmen stehen, trat in seinem königsblauen Pyjama von einem Bein aufs andere. Und als sie ihn mit verheulten Augen ansah, dickes Make-up im Gesicht, abblätternder Nagellack in drei Rottönen auf den Fußnägeln, die viel zu gerade gefeilt waren, brachte er den Mut auf, sie zu fragen: »Warum bist du traurig, asisam?« Dann riss er sich zusammen und flüsterte: »Denk doch nur, wie jung du bist. In deinem Alter hat Nilou schon «
»Aaach, Schmutz auf mein Haupt Nilou, immer nur Nilou! «
Sie versprühte Rotz und Tränen. »Du bist ein schwacher Mann ohne Ansehen oder Stellung oder irgendwas, und dein Bastard von Tochter ist mir völlig egal.« Er wollte darauf hinweisen, dass Nilou nun wirklich alles andere als ein Bastard war. Von seinen drei Frauen war die erste die gebildetste und charmanteste gewesen. Pari war die große Liebe seiner Jugend und hatte ihre Talente an ihre Kinder weitergegeben. Er besaß ein Foto von sich und Pari bei einem Picknick in Ardestun, ihr Kopf an seiner Schulter, seine Hand an ihrer Wange, als wäre das ganz normal. War jungen Männern eigentlich klar, was sie als selbstverständlich hinnahmen? Auf dem Foto schien er gar nicht zu merken, dass er ihre Wange berührte. War Pari genug geliebt worden, bevor sie nach Amerika floh?
Er schämte sich dafür, dass er Nilous Namen so taktlos hinausposaunt hatte. Es war ein unschöner Moment gewesen, und er war geflohen. Ihren peinlichen Altersunterschied hatte er seit drei Jahren nicht angesprochen drei Jahre, die geprägt waren von verlorenen Freundschaften und zornigen Verwandten, von Demütigung, Vereinsamung und von Geld, das verrann wie Wasser aus einer Papiertüte. Als er es nun getan hatte, allein im blauen Pyjama in einem Türrahmen, hatte es sich angefühlt, als würde sich sein Herz häuten. Anschließend lungerte er den halben Tag lang in einem Teehaus bei den Dreiunddreißig Bogen herum und wartete darauf, dass das wunde, geschundene Fleisch sich wieder beruhigte.
Zwischen zwei routinemäßigen Kariesbehandlungen spazierte er am Gericht vorbei, um sich auf den folgenden Tag vorzubereiten. Vor dem Gebäude saßen reihenweise Männer mit Schreibmaschinen, die ihre Dienste für ein paar Hundert tomans pro Seite anboten Petitionen und wortreiche Einsprüche und Bittschriften in beeindruckender Juristensprache. Ganze Kolonnen von Straßendichtern, Möchtegerngelehrten, Schriftstellern, Historikern und Liederschreibern, die ihre Beredsamkeit an jeden verkauften, der die Sprache verloren hatte. Etwas abseits drückten sich die käuflichen Zeugen, zusätzliche Augenpaare für Momente, die einer bedauerlichen Privatheit anheimgefallen waren, stundenlang vor den für Frauen und Männer separaten Eingängen zum Gericht herum, vertrieben sich die Zeit damit, Zigaretten zu rauchen und den Bittstellern verstohlene Blicke zuzuwerfen. Bahman beobachtete eine Frau, die aus dem Gericht geeilt kam, zehn Minuten mit einem von ihnen redete, ihre schwarze Vermummung vor den Mund gedrückt, und ihn dann zum Männereingang führte. Wie lange schon verschließen die Gerichte davor die Augen? Er spazierte zurück zu seiner Praxis.
Als er heute durch denselben Eingang ins Gericht gekommen war, hatten ihn drei pasdars auf Waffen untersucht. Sie nahmen ihm das Handy ab und beäugten argwöhnisch das grüne Taschentuch seines verstorbenen Vaters, weil es den Armbändern der Demonstranten der Grünen Bewegung ähnelte. Glücklicherweise retteten ihn sein schlichter Anzug und die Betperlen, die er unablässig durch die Finger gleiten ließ (Zeichen einer schicksalsergebenen, gereiften Lebensweise eingemacht, am richtigen Platz, wie sie im Dorf sagten), und die Wachen winkten ihn durch und wandten sich dann wieder ihren Tüten mit Pistazien und Sonnenblumenkernen zu, die sie knackten und kauten und ausspuckten, während sie sich unterhielten. Es waren junge Burschen, keiner von ihnen über dreißig. Wahrscheinlich h…
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