Das Flüstern der Feigenbäume

Das Flüstern der Feigenbäume

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783036958637
Untertitel:
Roman
Genre:
Erzählende Literatur & Romane
Autor:
Elif Shafak
Herausgeber:
Kein & Aber
Auflage:
3. Auflage, neue Ausgabe
Anzahl Seiten:
512
Erscheinungsdatum:
05.10.2021
ISBN:
978-3-0369-5863-7

»Ein einfühlsamer Roman über das zerrissene Zypern und seine Bewohner mit ihren Wunden und Narben. Das Flüstern der Feigenbäume lehrt uns, dass Zerrissenheit nur durch Liebe geheilt werden kann.« Bernhard Schlink

Die jungen Liebenden Defne und Kostas dürfen sich nur heimlich treffen sie ist Türkin, er Grieche, es herrscht Bürgerkrieg auf Zypern. Als sie durch die Unruhen getrennt werden, ahnen sie nicht, dass sie Jahre später wieder vereint werden. In einem neuen Leben, auf einer neuen Insel. Die Booker-Prize-nominierte Autorin Elif Shafak verwebt die Vergangenheit mit der Gegenwart und erzählt in diesem tiefschürfenden und zarten Roman über Zugehörigkeit und Identität, Schmerz und Hoffnung.

Autorentext
Elif Shafak, in Straßburg geboren, gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart. Ihre Werke wurden in mehr als fünfzig Sprachen übersetzt. Die preisgekrönte Autorin zahlreicher Romane, darunter "Die vierzig Geheimnisse der Liebe" (2013), "Ehre" (2014) und "Der Geruch des Paradieses" (2016), schreibt auf Türkisch und Englisch. Mit "Unerhörte Stimmen" (2019) stand sie auf der Shortlist des Booker Prize. Ihre Artikel und Auftritte machten sie zum viel beachteten Sprachrohr für Gleichberechtigung und freiheitliche Werte zunächst in der Türkei, später in ganz Europa. Elif Shafak lebt in London. www.elifshafak.com

Klappentext
Die jungen Liebenden Defne und Kostas dürfen sich nur heimlich treffen - sie ist Türkin, er Grieche, es herrscht Bürgerkrieg auf Zypern. Als sie durch die Unruhen getrennt werden, ahnen sie nicht, dass sie Jahre später wieder vereint werden. In einem neuen Leben, auf einer neuen Insel.

Die Booker-Prize-nominierte Autorin Elif Shafak verwebt die Vergangenheit mit der Gegenwart und erzählt in diesem tiefschürfenden und zarten Roman über Zugehörigkeit und Identität, Schmerz und Hoffnung.

Leseprobe
Prolog Die Insel Es war einmal, verborgen in der Erinnerung, eine Insel weit draußen im Mittelmeer. Sie war so schön und blau, dass die vielen Reisenden, Pilger, Kreuzfahrer und Händler, die sich in sie verliebten, entweder nie wieder von ihr fortgehen wollten oder sie am liebsten mit Hanftauen in ihre fernen Heimatländer gezogen hätten. Das mögen Legenden sein. Doch Legenden gibt es, damit wir erfahren, was die Geschichte vergessen hat. Vor vielen Jahren floh ich in einem Koffer aus weichem schwarzem Leder an Bord eines Flugzeugs von dieser Insel und kehrte nie zurück. Seitdem bin ich in einem neuen Land, in England, heimisch geworden, bin dort gewachsen und gediehen, aber kein Tag vergeht, an dem ich mich nicht nach ihr sehne. Nach Hause. In meine Heimat. Sie ist bestimmt noch dort, wo ich sie zurückließ, hebt und senkt sich mit den Wellen, die sich schäumend an ihrer zerklüfteten Küste brechen. An der Kreuzung dreier Kontinente Europa, Afrika, Asien und der Levante, jener weiten, undurchdringlichen Region, die heute von allen Karten verschwunden ist. Eine Landkarte ist eine zweidimensionale Darstellung mit willkürlich gewählten Symbolen und eingezeichneten Linien, die darüber entscheiden, wer Feind und wer Freund ist, wer unsere Liebe, wer unseren Hass verdient und wer uns gleichgültig zu sein hat. Kartografie ist eine andere Bezeichnung für die Geschichten der Sieger. Für die Geschichten der Besiegten gibt es keine Kartografie.
So sehe ich die Insel in der Erinnerung: goldene Strände, türkisblaues Wasser, der Himmel klar. Jedes Jahr kamen Meeresschildkröten an Land und legten ihre Eier in den pudrigen Sand. Spätnachmittags trug der Wind den Duft von Gardenien, Zyklamen, Lavendel und Geißblatt herbei. Blauregen rankte sich an weiß getünchten Wänden empor, als wollte er zu den Wolken hinauf; hoffnungsvoll, wie nur Träumende sind. Wenn die Nacht die Haut wie immer mit Küssen bedeckte, roch ihr Atem nach Jasmin. Der Mond war der Erde hier näher. Hell und sanft stand er über den Dächern und warf seinen klaren Schein in die engen Gassen und Kopfsteinpflasterstraßen. Doch auch Schatten bahnten sich Wege durchs Licht. Geflüsterter Argwohn und verschwörerisches Gemurmel wogten im Dunkel. Denn die Insel war in zwei Teile gespalten, einen nördlichen und einen südlichen. Zwei Sprachen, zwei Schriften, zwei Gedächtnisse. Und die Gebete der Inselbewohner galten nur selten demselben Gott. Die Hauptstadt war von einer Absperrung geteilt, die sich wie ein Schnitt ins Herz mitten durch sie hindurchzog. Entlang der Demarkationslinie der Grenze reihten sich verfallene, von Einschusslöchern durchsiebte Häuser und leere, nach Granateinschlägen vernarbte Innenhöfe aneinander; heruntergekommene, verbarrikadierte Läden, verschnörkelte Eisentore, die schief in herausgebrochenen Angeln hingen, unter dickem Staub rostende Luxuskarossen aus einer anderen Ära. Stacheldrahtrollen, aufgehäufte Sandsäcke, Fässer mit gehärtetem Zement, Panzergräben und Wachtürme dienten als Straßenbarrieren. Gassen endeten abrupt wie ein nicht zu Ende geführter Gedanke, ein ungeklärtes Gefühl. Soldaten mit Maschinengewehren standen Wache, wenn sie nicht gerade patrouillierten einsame, gelangweilte junge Männer aus allen Teilen der Welt, die bis zu ihrer Stationierung in dieser fremden Umgebung kaum etwas über die Insel und ihre komplizierte Geschichte gehört hatten. An den Häuserwänden und Mauern hingen amtliche Schilder in kräftigen Farben, auf denen in Großbuchstaben zu lesen war: BETRETEN VERBOTEN! SPERRGEBIET! KEIN ZUGANG FÜR UNBEFUGTE! FILMEN UND FOTOGRAFIEREN STRENG UNTERSAGT! Ein Stück weiter die Straßensperre hinunter hatte ein Passant mit Kreide unerlaubterweise einen Zusatz auf ein Fass geschmiert: WILLKOMMEN IM NIEMANDSLAND Die von UN-Soldaten bewachte Pufferzone, die Zypern vom einen zum anderen Ende durchtrennte, war etwa hundertachtzig Kilometer lang und an manchen Stellen bis zu sechseinhalb Kilometer breit, an anderen nur ein paar Meter. Wie der Geist eines uralten Flusses wand sie sich durch die unterschiedlichsten Szenerien verlassene Dörfer, schmale Küstenstriche, Sumpfgebiete, Brachland, Pinienwälder, fruchtbare Ebenen, Kupferminen und archäologische Ausgrabungsstätten. Doch hier, in der Hauptstadt und rings darum, war sie sichtbarer, greifbarer und deshalb noch bedrückender. Nikosia, die einzige geteilte Hauptstadt der Welt. So klang das fast positiv. Es hatte etwas Besonderes, ja Unvergleichliches, etwas Schwereloses, wie das eine Korn, das sich beim Drehen der Sanduhr nach oben bewegt. In Wahrheit aber war Nikosia kein Einzelfall. Es war nur ein weiterer Name auf der Liste gespaltener Orte und voneinander getrennter Menschen, ob sie nun der Vergangenheit angehörten oder noch gar nicht entstanden waren. Zu diesem Zeitpunkt aber stellte die Stadt etwas Außergewöhnliches dar. Die letzte geteilte Hauptstadt Europas. Meine Heimatstadt. Auch eine so klar gezogene und gut bewachte Grenze wie diese lässt sich von vielem überwinden. Zum Beispiel von dem trotz seiner sanften Namen erstaunlich kräftigen etesischen Wind meltémi oder meltem . Von Schmetterlingen, Grashüpfern, Eidechsen. Schnecken, so quälend langsam sie auch sind. Ab und zu entschwindet ein Geburtstagsballon in die Höhe, der dem Griff eines Kindes entkam und sich auf die andere Seite verirrt Feindesland. Und von den Vögeln natürlich. Graureiher, Kappenammern, Wespenbussarde, Schafstelzen, Laubsänger, Maskenwürger und meine Lieblinge, die Pirole. Sie kommen von weit im Norden geflogen meist in der Nacht, wenn sich die Dunkelheit an ihren Flügelspitzen sammelt und ihnen rote Kreise um die Augen zeichnet und unterbrechen die lange Reise nach Afrika auf halbem Weg. Für sie ist die Insel ein Rastplatz, eine Lücke in der Erzählung, ein Dazwischen. Auf einer dicht mit Gestrüp…


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