Meine bessere Schwester

Meine bessere Schwester

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783036958828
Untertitel:
Deutsch
Genre:
Erzählende Literatur & Romane
Autor:
Rebecca Wait
Herausgeber:
Kein & Aber
Auflage:
1. Auflage
Anzahl Seiten:
510
Erscheinungsdatum:
13.10.2022
ISBN:
978-3-0369-5882-8

Zwillingsschwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten

Ein fesselnder und psychologisch packender Roman über komplexe Familienverhältnisse und die Tücken von Geschwisterbeziehungen. Als Erwachsene müssen die Schwestern Alice und Hanna mit vielem fertigwerden nicht nur mit Enttäuschungen in der Arbeit und in der Liebe, sondern auch mit immer komplizierteren Spannungen und Unausgesprochenem in der Familie. Ihr Leben sieht dem, das sie sich immer vorgestellt hatten, erschreckend unähnlich. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als zu versuchen, ihre zerrüttete Beziehung zueinander zu reparieren und einen Weg zu finden, mit ihrer dominanten Mutter umzugehen. Sie müssen herausfinden, ob das Leben wirklich mehr ist als eine Tragödie mit ein paar lustigen Momenten wie Hanna es ausdrücken würde.

Zwillingsschwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten

Vorwort
Zwillingsschwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten

Autorentext
Rebecca Wait, 1988 geboren, verbrachte als Kind viel Zeit in den schottischen Highlands und auf den Hebriden. 2010 schloss sie ihr Englischstudium an der Oxford University ab, heute ist sie Lehrerin in London. Sie hat zahlreiche Preise für ihre Kurzgeschichten und Theaterstücke gewonnen. Ihre Romane "Kopfüber zurück" und "Das Vermächtnis unsrer Väter" erschienen bei Kein & Aber.

Leseprobe
2018 Alles in allem gehen sie gern auf Beerdigungen.
Michael hat einen Sinn fürs Zeremonielle, Hanna erfreut sich am Drama, und Alice mag es, wenn Menschen dafür zusammenkommen. Ihrer Mutter geben Beerdigungen ein Gefühl des Triumphes. Heute ist Alice früh dran und wartet am Eingang des Krematoriums auf die Gäste. Das ist ihre Rolle im Leben früh dran sein, genauso wie es Hannas ist, zu spät zu kommen (oder gar nicht erst aufzutauchen, oder genau dann, wenn sie nicht sollte). »Es wäre netter, wenn du draußen warten würdest«, sagt ihre Mutter. »Aber es regnet.« »Wir sind hier bei einer Beerdigung, Alice«, erwidert ihre Mutter, als müsste sie sich deswegen nass regnen lassen. Aber da ihre Mutter keine Anstalten gemacht hat, mit ihr im Regen zu warten, und außerdem sowieso verschwunden ist, bleibt Alice im überheizten Eingangsbereich stehen, in dem es nach Desinfektionsmittel und feuchter Wolle und etwas anderem, unbestimmt Durchdringlichem riecht. Alice hofft inständig, dass es nicht der Geruch des Todes ist. Sie hat ihrer Mutter bei den Vorbereitungen geholfen, so lautet zumindest die offizielle Version. In Wirklichkeit hat sie das meiste allein erledigt, Bestattungsunternehmen kontaktiert, gemeinsam mit dem Redner den Ablauf der Trauerfeier geplant (komisch, dass man unter diesen Umständen von einer Feier spricht, denkt Alice) und die Räumlichkeiten des nahe gelegenen Working Men's Clubs für den anschließenden Trauerkaffee reserviert. Die Auswahl des Büfetts hat ihr am meisten Kopfzerbrechen bereitet, da sie nicht einschätzen konnte, wie viele Gäste kommen würden. Vor ein paar Wochen hatte sie einen ganzen Samstag lang im alten Haus die Unterlagen ihrer Tante durchgesehen und ein paar Adressen gefunden (manche davon ohne Namen), an die sie Trauerkarten verschickte. Außer[1]dem entdeckte sie einige Telefonnummern und hinterließ Nachrichten, unterhielt sich mit einem sehr netten Mann, der behauptete, ihrer Tante nie begegnet zu sein, und einer weniger netten Frau, die sie erst anraunzte und dann abrupt auflegte. Ein paar Nachbarn ihrer Tante haben zugesagt, ältere Herrschaften, die schon lange vor dem Tod ihrer Großeltern in der Straße wohnten. Der Sarg ihrer Tante steht bereits vorne in der Kapelle. Alices Mutter war dagegen, ihn feierlich hereintragen zu lassen.
»Das ist ein unnötiger Aufriss«, meinte sie. »Was ist, wenn sie den Sarg fallen lassen?«
»Sie lassen ihn bestimmt nicht fallen«, erwiderte Alice. »Sei dir da mal nicht so sicher. Richtig leicht war deine Tante nicht.« Alice, immer bemüht, ihre Tante zu lieben, geht nicht weiter auf den Kommentar ein. Die ersten Autos rollen auf den Parkplatz. Durch das regennasse Türfenster beobachtet Alice die Leute beim Aussteigen und spürt, wie ihr stellvertretend das Herz in die Hose rutscht ihr altes Ankunftsproblem. Wenn sie als Kind zum Spielen (oder noch schlimmer, zu einer Feier) zu einer Freundin oder zu ihren Großeltern gebracht wurde, wuchs die Nervosität jedes Mal kribbelnd und unerbittlich an, und wenn der Motor abgestellt wurde, sackte ihr der Magen in die Kniekehlen (Hanna dagegen schritt munter voran und drehte sich kein einziges Mal um). Die Verabredung an sich verlief dann meistens problemlos, machte manchmal sogar Spaß. Die Kluft zwischen Abwesenheit und Anwesenheit bei einer sozialen Verpflichtung ist Alice schon immer massiv erschienen, muss jedoch irgendwie innerhalb weniger Sekunden überwunden werden. Alice entdeckt unter den Ankömmlingen keine Spur von Hanna. Sie zieht die schwere Holztür auf und begrüßt zwei ältere Damen, Nachbarinnen ihrer Tante. Mrs Linden und Mrs Jackson, die Namen fallen ihr gerade noch rechtzeitig ein. Sie tauschen sich kurz über das schlechte Wetter aus, dann wendet sich Alice dem Mann zu, der nach den beiden hereingekommen ist. Er ist sehr dünn, hat sich das schüttere Haar über den Kopf gekämmt und trägt eine hellbraune, mit Regentropfen gesprenkelte Wildlederweste. »Ich war ein naher Freund von ihr«, sagt er und schüttelt Alice die Hand. Er betont das Wort »nah« auf leicht verstörende Weise. »Wie schön«, erwidert sie. »Woher kannten Sie sich?« Er schaut sich kurz um, als könnte sie jemand belauschen.
»Von hier und dort.« Diese Antwort scheint nicht auf Nachfragen ausgelegt.
»Kannten Sie sich lange?«, versucht es Alice stattdessen. »Na ja. Wie man es nimmt.« Die Unterhaltung fällt Alice zunehmend schwer, doch zu ihrer Erleichterung tritt eine ihr unbekannte, ausladende Frau in einem dunkelblauen Glitzerblazer durch die Tür und ergreift ihre Hand.
»Grüß dich, meine Liebe!«
»Hallo. Danke, dass Sie gekommen sind.«
»Aber natürlich. Schön, dich nach so langer Zeit endlich mal wiederzusehen.« Das bereitet Alice Sorgen, da ihr die Frau nicht bekannt vorkommt. Sie starrt sie allerdings derart erwartungsvoll an, dass Alice sie nicht enttäuschen möchte, also erwidert sie schwach: »Ja, und wie. So nett, dass wir uns mal wiedersehen.«
»Wenn auch aus einem traurigen Anlass«, sagt die Frau. Alice stimmt zu. Mrs Linden und Mrs Jackson sind inzwischen ein Stück weitergegangen, doch der nahe Freund steht immer noch neben ihr. Hoffentlich möchte er nicht vorgestellt werden. Plötzlich wird ihr klar, dass sie auch seinen Namen nicht kennt. Sie wagt sich auf der Suche nach hilfreichen Informationen noch einmal an die Frau heran. »Wie war die Anreise?«
»Sehr leicht, Liebes«, antwortet die Frau. »Du weißt doch, dass wir direkt um die Ecke wohnen.« Eine Nachbarin, denkt Alice triumphierend. Dann lächelt die Frau. »Schon komisch, wie ähnlich du ihm siehst. Ach, er wird uns wirklich fehlen.« Langsam dämmert es Alice, dass hier ein Missverständnis vorliegt, doch sie weiß nicht, wie sie es am besten ansprechen soll. »Fast schon unheimlich.« Die Frau mustert sie genauer. »Als stünde er vor mir. Du hast seine Augen. Und seine berühmte Nase! Sogar den gleichen Unterkiefer.«
Der Vergleich kommt Alice nicht gerade schmeichelhaft vor, und sie setzt an: »Wissen Sie, ich glaube « Doch die Frau unterbricht sie. »Ich gehe dann mal lieber Marjorie suchen. Sie hat mir geschrieben, dass sie mir einen Platz freihält, und du kennst sie ja.« Alice bleibt mit dem westentragenden Freund ihrer Tante zurück. Die Demütigung ist umso schmerzhafter, da sie vor Zeugen geschah, und sie sucht nach einem beiläufig amüsierten Kommentar, mit dem sie die Situation abtun kann, doch der Mann kommt ihr zuvor. »Nette Dame. Wenn Sie nichts dagegen haben, suche ich mir dann auch mal einen Platz.« Alice sieht ihm hinterher. Sie ist in eine Spirale…


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