Almosen fürs Vergessen / Fielding Gray

Almosen fürs Vergessen / Fielding Gray

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783961600137
Untertitel:
Roman
Genre:
Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Autor:
Simon Raven, Sabine Franke
Herausgeber:
Elfenbein Verlag
Auflage:
3. Aufl.
Anzahl Seiten:
264
Erscheinungsdatum:
03.03.2020
ISBN:
978-3-96160-013-7

Fielding Gray ist der strahlende Star der Schule. Brillant in Latein und Griechisch, glänzt er auch beim Cricket und vermag es, alle mit seiner Attraktivität, seiner Eloquenz und einem charmanten Hang zum Draufgängertum für sich einzunehmen. Kurz bevor er 1945 sein letztes Schuljahr antritt, verliebt er sich in den zurückhaltenden blonden Christopher, an dem ihn vor allem dessen Unschuld fasziniert. Obwohl sein bester Freund vor einem möglichen Skandal warnt und ihn ein Konkurrent um die Position des Schulkapitäns offensichtlich genau im Blick behält, bahnt sich eine Tragödie an und auch außerhalb der Schule gerät Fielding Grays verheißungsvolle Zukunft ins Wanken. Fielding Gray ist ein berührender Roman über Freundschaft und enttäuschte Erwartungen, Begehrlichkeit und schicksalhaftes Scheitern, manipulative Machenschaften und Schuld.

Autorentext
Simon Raven (1927-2001) besuchte als Spross einer Strumpffabrikantenfamilie die elitäre Charterhouse School, von der er 1945 wegen homosexueller Handlungen relegiert wurde. Unter seinen Mitschülern waren u. a. James Prior (später Minister im Kabinett von Margaret Thatcher) sowie der spätere Herausgeber der "Times", William Rees-Mogg (dessen Sohn Jacob heute dem Kabinett von Boris Johnson angehört). Beide hat er in der Romanreihe "Almosen fürs Vergessen" literarisch verewigt. Nach seinem Militärdienst, den Raven als Offiziersanwärter in Indien ableistete, studierte er ab 1948 am King's College in Cambridge Altphilologie. Er wurde Vater eines Sohnes und heiratete widerwillig. In finanzielle Schwierigkeiten geraten, trat er erneut in die Armee ein, wurde in Deutschland und in Kenia stationiert, quittierte den Dienst aber schließlich, um eine unehrenhafte Entlassung wegen Wettschulden abzuwenden. Fortan widmete er sich der Schriftstellerei und arbeitete als Literaturkritiker, bis ihn der Verleger Anthony Blond 1958 unter der Bedingung, mindestens 50 Meilen von Londons Vergnügungsstätten entfernt zu wohnen, unter Vertrag nahm - ein Arrangement, das drei Jahrzehnte währen sollte. Ein ausschweifender Lebenswandel, kühne Meinungen, seine offen ausgelebte Bisexualität und die Tatsache, dass er das Material für seine Bücher aus dem unmittelbaren Freundeskreis gewann und mit freizügigen Sexszenen und scharfzüngigen Urteilen über die Gesellschaft kombinierte, verschafften ihm einen Ruf als Schandmaul unter den englischen Nachkriegsautoren. Zeitgenossen schmähten ihn als Verfasser des "wohl schmutzigsten Cricketbuchs aller Zeiten", und sein Roman "Fielding Gray" verdiene eigentlich den Namen "Brideshead Revilified". Zur gleichen Zeit wurde er von namhaften Kollegen wie etwa Anthony Powell nicht nur als Literaturkritiker, sondern auch als Literat geschätzt. Sein 10-bändiger Romanzyklus "Alms for Oblivion" (1964-1976) wird heute mit dem Werk von Lawrence Durrell, Graham Greene, Anthony Powell und Evelyn Waugh verglichen und Raven als "einer der brillantesten Romanciers seiner Generation" bewertet (Patrick Newley). Einem größeren Publikum bekannt geworden war Raven allerdings zunächst durch Arbeiten fürs Fernsehen, wie die Verfilmung von Trollopes "The Pallisers" (1974) und die Serie "Edward and Mrs. Simpson" (1978), sowie die Mitarbeit am Drehbuch für den James-Bond-Film "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" (1969). Dem Vorwurf, ein Snob zu sein, begegnete er mit dem Hinweis, er schreibe "für Leute, die sind wie ich: gebildet, weltgewandt und skeptisch".

Leseprobe
Am zweiten Sonntag nachdem der Krieg in Europa zu Ende war, wurde in der Schulkapelle ein Gottesdienst zum Gedenken an die Toten abgehalten. So viele Ehemalige, wie man in der kurzen Zeit erreichen konnte, waren darüber informiert worden, und die Sitzbänke für Besucher quollen über von Uniformen. Während wir abgetragene graue Flanellhosen und ausgebesserte Tweedjacken anhatten, waren Englands siegreiche Kämpfer mit allen nur denkbaren Farben und Effekten ausstaffiert. Da waren die schwarz-goldenen Kopfbedeckungen der Gardedivision, die dunkelgrünen Schiffchen des Schützenregiments, um die Hüften der Highlander waren Kilts geschwungen und die Mitglieder der berittenen Artillerie über und über mit Kugelknöpfen bedeckt; es gab groteske Uniformaufschläge und seltsam geknotete Achselschnüre; vereinzelt waren sogar Stiefel mit Sporen zu sehen. [...] Zunächst verlief der Gottesdienst im Einklang mit diesem prächtigen Dekor. Ein innig gesungenes Jerusalem, dessen politische Implikationen den meisten Anwesenden entgingen, sorgte für ein wohlgefälliges Gefühl des Triumphs, und die Stelle aus den Apokryphen, die sie bei solchen Gelegenheiten immer wählen, ließ uns, auch wenn sie dem gemeinen Fußvolk angemessen Tribut zollt, keinen Zweifel, dass materieller Wohlstand und ein traditionelles Herrschaftsverständnis das waren, worauf es letztlich ankam. Ich selbst saß in der Abteilung für die Oberstufenschüler, von wo aus man einen guten Blick auf die Besucher hatte, und ich konnte sehen, dass sich die prachtvollen Offiziere zu diesem Zeitpunkt unverhohlen zurechtmachten, als wäre die ganze Veranstaltung dazu da, ihnen zu huldigen. Tatsächlich zeigten sich, als die Verdienste der Toten gewürdigt wurden (ein Prozedere, das einige Zeit in Anspruch nahm), unmissverständliche Anzeichen von Langeweile und Missfallen, es wurde ausgiebig an Gehstöcken und Pferdepeitschen herumgespielt und viel an den Sam-Browne-Gurten herumgefummelt; die Krieger waren, wie es schien, nicht hier versammelt, um sich lang und breit die Errungenschaften anderer anzuhören. [...] Ich verschloss meine Ohren gegen die aufreibende Deklamation der Sterblichkeit und dachte darüber nach, dass meine eigene Geisteshaltung, auch wenn sie vielleicht weniger abschätzig war als die der hier versammelten Großtuer, dennoch ganz ähnlich und im Grunde genauso egozentrisch war. [...] Denn das einzige Gefühl, dessen ich mir an diesem schönen Sommerabend im ersten Mai der Friedenszeit wirklich bewusst war, war Erleichterung: Erleichterung, dass niemand vorhatte, mich zu töten, dass ich jetzt ungehindert in eine Zukunft eintreten konnte, die mir sowohl Vergnügen versprach als auch die Möglichkeit, mich hervorzutun.


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