Die Schaffnerin

Die Schaffnerin

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783942836081
Untertitel:
Eine Geschichte aus Franken
Genre:
Literatur vor 1945
Autor:
Jakob Wassermann
Herausgeber:
Westhafen Verlag
Anzahl Seiten:
69
Erscheinungsdatum:
23.02.2016
ISBN:
978-3-942836-08-1

Ein Landgut in der Nähe von Würzburg: Der neue Gutsverwalter Truchs trifft ein, begleitet von seiner attraktiven Wirtschafterin Fanny Leuthold, die von allen »die Schaffnerin« (Verwalterin) genannt wird. Der sanftmütige Schreiber des Guts, Meixner, entwickelt eine stille Zuneigung zu Fanny, die diese auch zu erwidern scheint, wobei sie ihr gleichzeitiges Verhältnis mit Truchs freilich nicht aufgibt. Truchs bleiben die Gefühle seines Untergebenen nicht verborgen und er beginnt, ihn willkürlich zu schikanieren. Demütig und nach außen hin unbewegt erduldet Meixner alle Bosheiten des brutalen Verwalters, stets schwankend zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Doch bald mündet das Aufeinandertreffen dieser so unterschiedlichen Charaktere in eine Katastrophe. »Glänzend gezeichnet sind die Figuren dieser Novelle, namentlich die tragende Gestalt des Wirtschaftsschreibers in seinem seelischen Leid und geschundenem Menschentum.« (Rudolf Koester)

Autorentext
Jakob Wassermann (1873-1934) gehörte zu den meistgelesenen deutschen Autoren des späten Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Auch international war er äußerst erfolgreich, seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Thomas Mann bezeichnete ihn als einen »Weltstar des Romans«. Die Nationalsozialisten verboten und verbrannten seine Bücher. Nach 1945 geriet Wassermann fast vollständig in Vergessenheit, erst seit wenigen Jahren wird sein Werk wiederentdeckt. Florian Meierott (geboren 1968) ist als Geiger und Komponist weit über seine fränkische Heimat hinaus bekannt. Neben der Musik gehört seine Leidenschaft der Malerei: In mehreren Ausstellungen ist er bereits mit seinen großformatigen Ölbildern in Erscheinung getreten. Der gebürtige Würzburger lebt in der "Villa Paganini" in Kitzingen am Main, wo er Konzerte gibt und sein Atelier betreibt.

Leseprobe
In der Nähe einer unterfränkischen Stadt lag ein hübsches Gut, das dem Generalleutnant von Bruneck gehörte. Der Besitzer selbst wohnte niemals dort, er kam höchstens zwei- oder dreimal jährlich zur Inspektion, wobei die Zeit seines Aufenthaltes so kurz war, dass der Bursche, der sein Pferd hielt, während des Wartens durchaus nicht müde wurde. Es ging die Rede, dass traurige Familienerinnerungen den Herrn von Bruneck an einen längeren Aufenthalt auf seinem Gut nicht denken ließen. Seit zwei Jahren verwaltete das Besitztum der »Amtmann« Bödensaß, ein phlegmatischer alter Herr, der alle Geschäfte, Schreibereien, Abmachungen und Verkäufe dem Belieben seines Untergebenen, des Wirtschaftsschreibers Meixner, überließ. Meixner war ein schweigsamer, gutmütiger und mitleidiger Mensch. Er konnte niemanden kränken, er konnte keinem Menschen ein böses Wort sagen. Ungefähr einen Monat, nachdem er seine Stellung angetreten, ereignete sich folgender Vorfall. Der Fuhrknecht Stauff hatte schwer geladen. Das einzige Pferd zog an dem übervollen Wagen, als ob ihm die Rippen springen wollten; es war zum Erbarmen. Das schlecht genährte Tier, das längst sein Gnadenbrot oder den Todesstreich verdient hatte, brachte den Wagen kaum bis zum Hof, der etwas bergig anstieg, wie denn überhaupt das ganze Gut auf einem Hügel lag, der die Form eines Katzenbuckels hatte. Die Schindmähre bemühte sich umsonst, das ächzende und knarrende Fuhrwerk in die Höhe zu ziehen; sie verdrehte die Augen, hing den Kopf tief und angespannt nach vorn, tappte mit den Hufen verzweifelt und in schnellen Schlägen herum, zerrte und zerrte, doch der Wagen, der mit Ziegeln für den Bau einer Waschküche beladen war, rührte sich nicht von der Stelle. Der Knecht aber bildete sich ein, die Mähre sei bloß starrköpfig; er schimpfte und wetterte und hieb sinnlos auf den schweißtriefenden Gaul ein, wobei er mehr und mehr in Hitze geriet. Da sprang Meixner aus dem Tor des Hauptgebäudes, er hatte den Vorgang von den Fenstern des Bureaus aus verfolgt, und sagte zu dem Knecht mit einer Stimme, deren Schüchternheit und Weichheit in seltsamem Gegensatz zu seinen erregten Bewegungen stand: »Stauff, das taugt nicht! Hören Sie auf, das arme Tier zu quälen. Hören Sie, Stauff? Sie sollen aufhören.« Er war bleich geworden. Aber der Knecht beachtete ihn nicht und holte nur noch grimmiger aus. Da trat Meixner näher und fing den Arm des Knechtes auf, der darüber völlig außer Fassung geriet, einige Schritte zurückwich und mit der Peitsche dem Amtsschreiber ins Gesicht schlug. Meixner sagte nichts, sondern blieb ruhig stehen. Weil ihn die Haut schmerzte, blinzelte er ein wenig mit den Augen. Der Knecht machte ein finsteres Gesicht und schien Furcht zu haben. Er murmelte vor sich hin, gab dem Gaul noch ein paar Stöße mit der Faust, spannte ihn aber dann aus. Es wäre Meixner leicht gewesen, den rohen Knecht vom Gut zu entfernen. Er tat es nicht, sondern schwieg den Zwischenfall tot. Es widerstrebte ihm, beim Amtmann den Ankläger zu machen; er fühlte sich förmlich zu schwach dazu. Hatte er nicht gleich vergessen, so hatte er doch gleich vergeben, und wenn auch die Magd Libuhn vom Küchenfenster aus Zeugin von all dem gewesen war, fühlte er sich doch nicht in seinem Stolz beleidigt, sondern ging ruhig wieder in seine Arbeitsstube, wo der Amtmann in einem breiten Lehnstuhl behaglich schnarchte. Im Ganzen war es ein ruhiges Leben auf dem Gut. Selbst zur Erntezeit war nirgends übermäßige Hast zu bemerken. Jeder wusste, was er zu tun hatte, und jeder tat, was er musste. Der Hühnerstall war von prächtigen Exemplaren bevölkert, und ein Hahn von patriarchalischem Ansehen übte eine liebenswürdige Autorität aus. Enten und Gänse lebten einträchtig zusammen, die Schweine grunzten glücklich hinter ihren Verschlägen, Kühe, deren Euter von Milch strotzte, verlebten philosophisch ihr Leben, die Singvögel jubelten tagaus, tagein auf den Bäumen und schwiegen erst still, wenn der Knecht Stauff des Abends zur Milchmagd schlich. Sanfte Hügelketten, ruhten die Weinberge ringsumher, in der Ferne abgelöst durch dunkle Wälder. Im Osten lag die Stadt mit vielen Türmen, und in der Ebene dazwischen erhob sich der Riesenbacksteinbau der Infanteriekaserne. Nur wenige hundert Meter weit wälzte der majestätische Main seine Wogen dahin: Symbol der Fruchtbarkeit, die sich hier entfaltete. Meixner liebte dieses Land. Wenn er sein Tagewerk beendet hatte, nahm er Hut und Stock und verließ das Gut, um durch die Wiesen den Strom entlang zu wandern. Zum Erstaunen aller sonstigen Fußgänger begleitete ihn dabei ein Kater, den er Hofmann genannt hatte und der ihm überall hin folgte; nichts, was sonst die Seele einer Katze verlockt, konnte ihn abziehen; mit anmutig gerundetem Schweif schritt das wunderliche Tier hinter seinem Herrn einher. So lagen die Dinge auf Gut Bruneck, als mit einem Male eine folgenschwere Wandlung eintrat...


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