Gewaltfreier Anarchismus & anarchistischer Pazifismus

Gewaltfreier Anarchismus & anarchistischer Pazifismus

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783939045304
Untertitel:
Auf den Spuren einer revolutionären Theorie und Bewegung
Genre:
Kulturgeschichte
Autor:
Sebastian Kalicha
Herausgeber:
Graswurzelrevolution e.V.
Anzahl Seiten:
278
Erscheinungsdatum:
21.04.2017
ISBN:
978-3-939045-30-4

In der facettenreichen Welt des Anarchismus spielt seit jeher auch der gewaltfreie Anarchismus und anarchistische Pazifismus eine Rolle. Was aber zeichnet diese spezifische anarchistische Strömung aus? Was sind die theoretischen Grundlagen? Wer hat diese Tradition des Anarchismus geprägt und welchen Einfluss hatte und hat sie auf emanzipatorische Protestbewegungen? All diese Fragen und noch viele weitere Aspekte werden in dieser illustrierten Einführung eingehend behandelt.

Autorentext
Sebastian Kalicha, Autor und Mitherausgeber der gewaltfrei-anarchistischen Monatszeitschrift Graswurzelrevolution. Aktiv bei unterschiedlichen Projekten zu gewaltfreiem Widerstand und Anarchismus.

Leseprobe
Einleitung Der gewaltfreie Anarchismus und anarchistische Pazifismus/Anarchopazifismus1 tritt in Geschichte und Gegenwart als eigenständige Strömung und Tradition in der heterogenen anarchistischen Bewegung immer wieder in Erscheinung, auch wenn er möglicherweise stärker als andere Subströmungen gesucht werden und noch eingehender separat erforscht werden muss. Doch rigide Trennlinien zu ziehen ist im undogmatisch ausgerichteten Anarchismus eher unüblich und so vermischt sich der gewaltfreie Anarchismus, wie andere spezifische Ausrichtungen im Anarchismus auch, oftmals mit anderen anarchistischen Strömungen. Die Querverbindungen sind zahlreich und so finden wir beispielsweise gewaltfreie AnarchistInnen und anarchistische PazifistInnen, die sich gleichzeitig auch als AnarchosyndikalistInnen, Anarchafeministinnen, Öko-/Grüne-AnarchistInnen, christliche AnarchistInnen, individualistische oder kommunistische AnarchistInnen verstehen und verstanden. Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass jene Aspekte, die den gewaltfreien Anarchismus ausmachen, letztendlich mal mehr, mal weniger durchaus auch in den allermeisten anarchistischen Strömungen zu finden sind: eine Verbindung des Anarchismus mit gewaltfreier Revolutions- und Aktionstheorie, eine kritische Reflexion zu revolutionärer Aktion und dem damit einhergehenden Verhältnis von Mitteln und Zielen, vorwegnehmende Politik auch in der Frage der Gewalt sowie eine Analyse von Gewalt als Herrschaftsmittel und von Herrschaft und Ausbeutung als Form der (strukturellen) Gewalt. Geografische Faktoren scheinen ebenfalls eine Rolle zu spielen, will man den gewaltfreien Anarchismus erforschen. So gab es historisch starke gewaltfrei-anarchistische Bewegungen insbesondere in Ländern wie den Vereinigten Staaten, Großbritannien und den Niederlanden2, aber auch in Deutschland und Österreich. Ebenfalls berücksichtigt werden sollte, dass sich im gewaltfreien Anarchismus bis zu einem bestimmten Grad unterschiedliche sozialrevolutionäre Traditionen treffen und vermengen nämlich alte Ketzer-Traditionen, Konzepte des utopischen Sozialismus, jene der libertär-sozialistischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung seit der Ersten Internationale, des (revolutionären) Pazifismus, des Antimilitarismus sowie der Theorie und Praxis der (oftmals gandhianisch inspirierten) gewaltfreien Aktion. Auch diese Überschneidungen erschweren es manchmal, die gewaltfrei-anarchistische Idee aufzuspüren, weil man eben nicht nur nach einem Label Ausschau halten, sondern sich vorwiegend mit Inhalten und Positionen beschäftigen muss. Obwohl Gewaltkritik bei vielen AnarchistInnen notwendigerweise eine Rolle spielt schon alleine deshalb, weil sie als Aspekt anarchistischer Herrschaftskritik betrachtet werden muss , so gibt es zu dem Thema der Gewaltfrage in der anarchistischen Szene oftmals emotionale und häufig auch verkürzte Debatten. Einige wollen sich (verständlicherweise) nicht auf die Scheinheiligkeit jener Moral einlassen, die eine selbst höchst gewaltsame, repressive und militarisierte Einrichtung wie den Staat als Friedensstifter legitimiert und gutheißt, gleichzeitig jedoch ausgerechnet den wenigen AnarchistInnen aufgrund deren behaupteter Gewalttätigkeit jede Grausamkeit zutraut und sich darüber entrüstet. Sie halten Diskussionen unter diesen Vorzeichen für irrelevant, scheinheilig und verlogen.3 Andere sehen unter bestimmten Umständen gewaltsamen Widerstand wahlweise als berechtigt, effektiver beziehungsweise als notwendiges Übel an. Und wieder andere, wenn auch nur recht wenige, streben gewaltsame Aktionen dezidiert an. Gewaltfreie AnarchistInnen halten dem in der Regel entgegen, dass Fragen der Taktik, der Kampfformen und mit welchen Mitteln AnarchistInnen für ihre Ziele kämpfen, niemals irrelevant sein können und dürfen und die gewaltfreie Aktion aufgrund vielerlei Argumente der zu präferierende Modus Operandi von AnarchistInnen sein sollte. In vielen dieser Debatten wird auch häufig übersehen, dass, bei aller Wichtigkeit von Fragen der Mittel, die Kritik gewaltfreier AnarchistInnen sich keineswegs in der Frage Sollen wir Gewalt anwenden oder nicht? erschöpft. Sie ist keine negative Kritik, die Gewalt schlicht ablehnt, ohne dabei eine sie ersetzende Alternative vorzuschlagen. Gewaltfrei-anarchistische Praxis bleibt nicht einfach an dem Punkt stehen, an dem es potentiell zur Gewalt kommt, ihre Analyse nicht bei dem Für und Wider direkter, physischer Gewalt. Die Argumentation hat drei Hauptaspekte: Gewaltkritik wird als integraler und essentieller Bestandteil einer umfassenden anarchistischen Theorie und (Gesellschafts-)Kritik, Gewaltfreiheit als eine revolutionäre, aktive und subversiv-herrschaftslose Praxis und Kampfform verstanden, die viel tiefer geht und in der Aktion viel weitreichendere Alternativen anbietet, als dies einschlägige Debatten vermuten lassen. Und drittens ist praktizierte Gewaltfreiheit viel mehr als eine schlichte Entscheidung für eine bestimmte Taktik, sondern auch immer die Vorwegnahme eines konkreten Ziels, nämlich der gewaltfreien und herrschaftslosen also anarchistischen Gesellschaft. Johann Bauer fasste dies so zusammen: Aber gerade vor diesem Hintergrund, dass Anarchismus immer noch mit diesem Stigma der Gewalt versehen ist, würde ich immer sagen, der Kern des Anarchismus ist eigentlich gerade Gewaltlosigkeit. Es ist eine Ordnung, die auf Freiwilligkeit beruht statt auf Zwang, die nicht per Gesetz, Dekret und Gewalt Leute zu etwas zwingen will, sondern sie versucht, freie Vereinbarung an die Stelle dieser gewalttätigen Ordnung zu setzen, Herrschaftsverhältnisse, ökonomische Ausbeutung, politische Repression zu beseitigen, und durch eine Ordnung der Solidarität, der freien Vereinbarung zu verdrängen.4 Die hier angerissenen Fragen und Aspekte gewaltfrei-anarchistischer Theorie werden im ersten Teil dieses Buches breiten Raum einnehmen. Es soll der Versuch unternommen werden, Grundlagen einer gewaltfrei-anarchistische Theorie (und folglich Praxis) abzustecken, die, gemäß dem Einführungscharakter dieser Publikation, natürlich dementsprechend prägnanter Natur sind. Die dazugehörigen bibliografischen Angaben dürfen hier als Anreiz verstanden werden, sich eingehender mit gewaltfrei-anarchistischer und gewaltfrei-revolutionärer Theorie auseinanderzusetzen. Im zweiten Teil werden Persönlichkeiten vorgestellt, die für den gewaltfreien Anarchismus und anarchistischen Pazifismus eine bedeutende Rolle gespielt haben. Jede Strömung im Anarchismus hat ihre TheoretikerInnen, AktivistInnen und Persönlichkeiten, auf die sich AnarchistInnen unterschiedlicher Couleur berufen, deren Schriften sie lesen und weiterempfehlen oder deren Leben und Wirken als Inspiration und Beispiel gelten. Jede Strömung hat auch ihre großen Namen, obwohl der Anarchismus zurecht eine gesunde Abneigung gegen derartiges Personalisieren von politischen Strömungen pflegt. Deshalb heißt der kommunistische Anarchismus auch nicht Kropotkinismus oder der Anarchafeminismus Goldmanismus. Zu viele, oftmals völlig in Vergessenheit geratene oder anonym gebliebene Menschen, hatten und haben an der Entwicklung solcher Strömungen Teil, als dass es möglich oder integer wäre, diese auf eine Person zu reduzieren. Ganz im Sinne des Anarchismus wird also …


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