Der stille Bürgerkrieg

Der stille Bürgerkrieg

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783938844083
Untertitel:
Ernst Jünger und Carl Schmitt im Dritten Reich
Genre:
Zeitgeschichte (1946 bis 1989)
Autor:
Martin Tielke
Herausgeber:
Landtverlag
Auflage:
1., Aufl.
Anzahl Seiten:
144
Erscheinungsdatum:
31.10.2007
ISBN:
978-3-938844-08-3

"Carl Schmitt ist in meiner und ich bin in seiner Biographie unvermeidlich", notierte Ernst Jünger am 18. August 1995. Die enge Freundschaft, vor allem aber die sachliche Differenz beider ist bislang nicht hinreichend erforscht. Die Freundschaft begann im Jahre 1930 mit einem ersten Gespräch, bei dem es sofort brisant wurde. Es ging um nichts weniger als das Erkennen der "Lage" und die anspruchsvolle moralische Entscheidung - für Jünger wie Schmitt ein leitmotivisches Thema, das der eine mit mythischen Annäherungen, der andere mit einem konkreten Situationsdenken anging. Doch beide müssen schließlich einräumen, die Lage nicht wirklich erkennen zu können. Ihre Positionen waren schwer vereinbar und hatten sich zu bewähren in einem Bürgerkrieg, der verdeckt geführt wurde und quer zu den offiziellen Fronten verlief. Er spitzte sich für Ernst Jünger wie für Carl Schmitt zur tödlichen Bedrohung zu und forderte Jüngers Sohn als Opfer.

Dieser gedanklich tiefgehende und philologisch sorgfältig gearbeitete Essay ist unverzichtbar für jeden, der sich mit Jünger oder Schmitt beschäftigt.

Autorentext
Martin Tielke wurde 1948 in Arnsberg/Westfalen geboren. Nach dem Studium der Germanistik, Soziologie und Politologie in Marburg, Göttingen und Berlin, das er 1978 mit der Promotion abschloss, wurde er an der Staatsbibliothek Berlin zum wissenschaftlichen Bibliothekar ausgebildet und leitete dann bis 2008 die Landschaftsbibliothek in Aurich/Ostfriesland. Neben Veröffentlichungen zur Buch- und Bibliotheksgeschichte sowie zur nordwestdeutschen Regionalgeschichte hat er über Carl Schmitt und Ernst Jünger publiziert.

Leseprobe
"Mit seiner Frau fährt Jünger nach Wilhelmshaven. Dafür legt er seine Orden an und bemerkt dazu: "Das ist in diesen Zeiten die einzige Gelegenheit, da man seine Orden anlegen darf. - Wenn man seine Söhne in der Zelle besucht." Jünger war einer der letzten Träger des von Friedrich dem Großen gestifteten Ordens Pour le Mérite, der höchsten Tapferkeitsauszeichnung, die das alte Preußen zu vergeben hatte. Aber diese große Tradition war jetzt pervertiert. Die Tapferkeitsauszeichnungen begründeten nicht mehr Ruhm und Ehre, sondern waren nur noch Anlaß für Verachtung. Jünger war sich bewußt, in einer Zeit zu leben, wo einem "am schwersten das Lob schädigen kann" (SW 5, S. 107). Nichts fürchtete er im Dritten Reich mehr, als von Hitler ausgezeichnet zu werden. An der Umbenennung der polnischen Stadt Lodz in Litzmannstadt und der Einrichtung des dortigen Gettos wird es ihm vollends klar: Hitler "hat den Namen dieses Generals, den Schlachtensiege zierten, auf alle Zeiten mit einer Schinderhütte verknüpft. Das war mir doch von Anfang an deutlich, daß seine Auszeichnungen am meisten zu fürchten seien" (SW 3, S. 176). Und als er am 12. Februar 1945 erfährt, daß Goebbels die Presse angewiesen habe, von seinem fünfzigsten Geburtstag keine Notiz zu nehmen, lautet sein Kommentar: "Das ist auch die einzige Auszeichnung, auf die ich Wert lege." (SW 3, S. 370).

In Bremen steigen neue Fahrgäste in das Zugabteil, von denen der eine sogleich den Pour le Mérite bemerkt und seinem Nachbarn etwas zuraunt. Gretha Jünger taxiert diesen Menschen, versucht, aus seiner Physiognomie zu erkennen, ob er Freund oder Feind ist, und obwohl sie und ihr Mann völlig schweigsam bleiben, breitet sich zwischen ihnen und dem Zugestiegenen eine Atmosphäre des Einverständnisses aus. Es ist, wie sich bei der Ankunft in Wilhelmshaven herausstellt, Oberleutnant Dr. Wolfgang Emmel, der Adjutant des Wilhelmshavener Oberbefehlshabers und Freund des Dekans Ronneberger. Emmel, der im Zivilberuf Rechtsanwalt war, hat die beiden verurteilten Marinehelfer bereits wiederholt im Gefängnis besucht und sich um die Verbesserung ihrer Lage bemüht. Während des gemeinsamen Abendessens im Hotel führen sie vorsichtig politische Gespräche. Die Vorsicht bezieht sich aber auf die Nachbartische, nicht auf den neuen Bekannten: "Wir verständigen uns sehr rasch; er ist einer der Unsrigen." Emmel war es auch, der dafür sorgte, daß Sohn Jünger mit Siedler in einer Zelle zusammengelegt wurde. Das hatte freilich nicht nur angenehme Seiten: Nächtelang besprachen die Freunde, ob sie lieber durch den Strang oder die Guillotine sterben wollten, und was man als letzte Worte sagen sollte, oder ob man nicht, da ihre Tat doch eigentlich lächerlich gering sei, auf ein letztes Wort ganz verzichten müsse. Während ihrer häufigen Aufenthalte im Luftschutzbunker, in den die Gefängnisinsassen unter Bewachung geführt wurden, kamen sie in Kontakt mit Häftlingen, die viel geringerer Vergehen wegen zum Tode verurteilt waren. Siedler spricht auch von ihren Verzweiflungsschreien, wenn sie morgens zwischen drei und vier Uhr vom Hinrichtungskommando geholt wurden. Er schreibt, daß er seitdem weiß, "was der Alp ist, den Füßli als auf den Schultern des Träumenden kniend gemalt hat."


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