Wollten wir nicht Bilder machen?

Wollten wir nicht Bilder machen?

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783933617255
Untertitel:
Künstlertagebuch eines langen Abschieds
Genre:
Bildende Kunst
Autor:
Karl O Blase
Herausgeber:
Euregio
Auflage:
1., Aufl.
Anzahl Seiten:
192
Erscheinungsdatum:
30.09.2007
ISBN:
978-3-933617-25-5

Die Edition ist ein Künstlertagebuch in Text und Bild von dem bekannten Künstler und Grafiker Karl Oskar Blase, der seine an Alzheimer erkrankte Frau liebevoll über fünf Jahre hinweg begleitet hat. In sehr konkreten, lebensnahen Tagebuchaufzeichnungen beschreibt Karl Oskar Blase das Erleben und Verhalten seiner demenzkranken Frau Marga. Begleitet wird der Text durch liebevolle Portraits, in denen Marga eine stille, mitunter fast trotzige Würde ausstrahlt.

Der documenta-Künstler Karl Oskar Blase ist emeritierter Professor an der Kunstakademie der Universität Kasselund arbeitet als freier Graphiker. Seine Frau Marga war über Jahrzehnte sein bevorzugtes Modell. Als sie an Alzheimer erkrankt, steht er dem so hilflos gegenüber wie wohl jeder Ehemann. Bei einem seiner zahllosen Versuche, mit ihr Orientierung im Chaos der Krankheit zu finden, fragt er sie eher nebenbei und zufällig, ob sie denn nicht Bilder machen wollten. Und Marga, die zu dem Zeitpunkt weder ihn noch das einst von ihr entworfene Haus erkennt, fordert tatsächlich am nächsten Tag das Bildermachen ein. Drei Jahre lang führt Karl Oskar Blase ein Künstlertagebuch, in dem sich schriftliche Eintragungen mit Portraits ergänzen. Und Marga gelingt es zumindest im ersten Jahr sich zurück zu verwandeln in seine sachkundig-kritische Arbeitsgefährtin. Sie fühlt sich glücklich in der Atmosphäre des Ateliers, als ernstzunehmende Figur. Das ändert allerdings nichts am immer mühseliger werdenden Alltag, in dem die Dinge mehr und mehr zu ihren Feinden werden. Näher noch als Marga Blase uns in der Würde ihrer Verzweiflung kommt, rückt Karl Oskar Blase mit seinem zähen Bemühen um ihr gemeinsames Leben. Wie soll er selbst gesundheitlich angeschlagen diesen dauernden Anforderungen standhalten, geduldig und liebevoll bleiben und doch er selbst bleiben? In lakonischer Offenheit lässt er den Leser teilhaben an eigenem Versagen und an der unausweichlichen räumlichen wie emotionalen Distanzierung, die sich zu Marga einstellt. Der Motor jedes Kunstmachens, so der Künstler und langjährige Weggefährte Karl Oskar Blases, Harry Kramer, ist das Bedürfnis, die eigene Verletzlichkeit hinter dem Produkt zu schützen, ist eine Angst vor totaler Vereinsamung, vor Vergessen und Tod. Karl Oskar Blase hat kein tröstendes Buch geschaffen, kein Buch, das uns zeigt, wie man es richtig macht im Umgang mit der Demenz. Aber er zeigt uns in Worten und Bildern, dass wir nicht allein sind im alltäglichen und vergeblichen Ankämpfen gegen die mit dem Altern und der Demenz einhergehenden Angst, dem Vergessen und dem Tod.

Leseprobe
Gedanken, Empfindungen und Gefühle demenzkranker Menschen geben dem Außenstehenden vielfach Rätsel auf, da diese Menschen mit zunehmender Krankheitsschwere immer weniger in der Lage sind, ihrer inneren Welt Ausdruck zu verleihen. Aus diesem Grunde ist eine Phänomenologie des Bewusstseins bei Demenzerkrankung auch so schwierig: Die Äußerungen eines demenzkranken Menschen erscheinen uns zumindest auf den ersten Blick als unverständlich, nicht zusammenhängend, ja sogar fremd. Eine große Herausforderung jener Menschen, die mit Demenzkranken zusammenleben, ist darin zu sehen, Zugang zu deren innerer Welt zu finden. Das vorliegende Buch kann hier sehr wichtige, fruchtbare Anregungen geben. Denn in diesem beschreibt der Kasseler Künstler Karl Oskar Blase das Erleben und Verhalten seiner demenzkranken Frau Marga und er tut dies eben nicht in abstrakter Form, in abstrakter Sprache, sondern vielmehr in Form von sehr konkreten, lebensnahen Tagebuchaufzeichnungen. Er führt Tagebuch darüber, was seine Frau aussagt, wie sie sich verhält Menschen und Dingen gegenüber wie sie sich mit Anforderungen im Alltag auseinandersetzt sozialen und alltagspraktischen Anforderungen. Dabei teilt sich dem Leser in diachronischer Betrachtung eine Persönlichkeit mit, die zwar an einer fortschreitenden Demenz mithin an einer sehr schweren psychischen Erkrankung leidet, die jedoch zugleich Kontinuität im Erleben und Verhalten vermittelt: Verbirgt sich hinter dieser Kontinuität die Identität seiner Frau? Und wie lange bleibt diese Identität erhalten? Die Tagebuchaufzeichnungen vermitteln ein eindrucksvolles Bild der Kontinuität wie auch der Kontinuitätsbrüche im Erleben und Verhalten von Marga Blase. Vor allem aber zeigen sie uns, dass hinter dem scheinbar sinnlosen Verhalten vielfach Stimmigkeiten sichtbar werden, wenn dieses Verhalten zum einen aus der Perspektive der Biografie, zum anderen aus der Perspektive der Umwelt und der Lebenssituation betrachtet wird, in der Marga lebt und handelt. Zudem drängt sich der Eindruck auf, dass manche Äußerung, dass manche Verhaltensweise der Erkrankten einen fraktionierten Ausdruck von Gedanken, Gefühlen und Empfindungen darstellt. Nun stößt auch Sprache an Grenzen, wenn es um den Versuch einer ganzheitlichen Darstellung eines Menschen geht. Wie offenbart sich dieser Mensch in seinem Handeln, in seinem Gestus, in seiner Mimik? Oder in den Worten der deutsch-amerikanischen Philosophin und Politikwissenschaftlerin Hannah Arendt (Vita activa oder vom tätigen Leben): Wie bewegt sich dieser Mensch auf der Bühne der Welt, im öffentlichen Raum? Wenn wir eine Antwort auf diese Frage geben wollen, dann ist es ratsam, Sprache und Bild miteinander zu verbinden. Und genau hier setzt der Künstler Karl Oskar Blase an. Intuitiv findet er Halt und Hilfe bei dem Medium, das beider Leben geprägt hat und durch das sie zumindest für kurze Sequenzen Nähe, Vertrautheit und Kontinuität zurückzugewinnen: Die Malerei. Er portraitiert Marga, wie er es wohl unzählige Male zuvor getan hat. Indem sie ihm Modell sitzt oder kritische Blicke auf das Werk wirft, kann Marga anknüpfen an eine Rolle, die sie Jahrzehnte mit großer Freude und Sachkunde erfüllt hat. Wer leichtfertig glaubte, die Demenz zerstöre die Persönlichkeit und raube den Erkrankten ihre Individualität, wird durch die Portraits eines Besseren belehrt. Marga Blase strahlt eine stille mitunter fast trotzige Würde aus. Der Heidelberger Philosoph und Psychiater Karl Jaspers hat sich in seinem Werk Philosophie ausführlich mit den Grenzsituationen auseinandergesetzt, in denen Menschen stehen, die das Leben des Menschen konstituieren. Dabei trifft Jaspers die Aussage, dass wir Grenzsituationen wie Leiden, Schuld, Tod durch das Verhalten nicht ändern, sondern nur zur Klarheit bringen können. Die Konfrontation mit Grenzsituationen, so Jaspers weiter, erfordert im Kern eine Einstellungsveränderung auf Seiten des Menschen, das heißt, eine tief greifende Neubewertung der Situation. In der Terminologie des Wiener Psychiaters und Psychologen Viktor Frankl lässt sich diese Einstellungsveränderung wie folgt umschreiben: Menschen sind in der Lage, ihr Leiden zu leisten. Damit, so setzt nun Jaspers fort, eine solche Einstellungsveränderung und damit die Verarbeitung einer Grenzsituation gelingt, sind Menschen auf eine wahrhaftige Kommunikation angewiesen: In dieser können sie Solidarität, Möglichkeiten der Reflexion und Unterstützung erfahren. Karl Oskar Blases Buch die Tagebuchaufzeichnungen wie die Bilder vermittelt den Eindruck, dass das Ehepaar Blase diese wahrhaftige Kommunikation gelungen ist: Denn die Aussagen zeugen von großer Offenheit beider. Vielleicht ist es dies, was den Leser berührt die Wahrhaftigkeit in der Kommunikation und das darin zum Ausdruck kommende Gelingen des Menschseins. Vielleicht ist es auch der Eindruck, dass Marga durch diese Art der Kommunikation geholfen wurde, mit ihrer Erkrankung zu leben, die Grenzsituation der Demenz nach und nach innerlich zu überwinden. Dem Verfasser des Tagebuchs gilt großer Dank und hoher Respekt. Aber auch all jenen, die sich für die Publikation eingesetzt haben, gebührt Dank; zu nennen ist hier ausdrücklich der Verlag, der mit dieser Publikation ein Wagnis eingeht ein Wagnis, welches sich auf jeden Fall als lohnenswert erweisen wird. o. Prof. Dr. Andreas Kruse Direktor des Instituts für Gerontologie der R…


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