Hexen

Hexen

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783865399656
Untertitel:
Eine kulturgeschichtliche Analyse
Genre:
Allgemeine Geschichtsbücher
Autor:
Marco Frenschkowski
Herausgeber:
Marix
Auflage:
3. Auflage
Anzahl Seiten:
224
Erscheinungsdatum:
25.09.2012
ISBN:
978-3-86539-965-6

Diese kulturgeschichtliche Analyse informiert facettenreich und auf neuestem Forschungsstand aus einem globalen Blickwinkel über die Geschichte und das Phänomen des Hexenglaubens. Auf wenigen Gebieten hat sich in den letzten Jahren so viel verändert wie in der Hexenforschung. Zahlreiche überlieferte Annahmen wurden durch genaue Analyse von Quellen widerlegt. Dabei kommen nicht nur die schmerzvollen Details der Verfolgungsgeschichte und das verbrämte Bild von Hexensabbatfantasien zur Sprache, sondern auch das Umkippen des Hexenparadigmas im 20. und 21. Jahrhundert. Wie steht es mit der antiken Vorgeschichte des Glaubens an Hexerei? Wie ist das Verhältnis von Frauen und Männern unter den Opfern? Gingen die Verfolgungen von »oben« oder von »unten« aus? Wie kam es zur Überwindung des Hexenglaubens? Warum wurde die Hexe zur Identifikationsfigur? Hexereiverdächtigungen sind in hohem Maße auch in anderen Kulturen bis in die unmittelbare Gegenwart präsent. Einige der massivsten Hexenverfolgungen haben außerhalb des abendländischen Kulturraumes stattgefunden. Der vorliegende Band trägt neuen Forschungsergebnissen Rechnung und widerlegt viele Klischees.

Autorentext
Marco Frenschkowski, geboren 1960, Religionswissenschaftler und ev. Theologe, ist Professor für Neues Testament an der Universität Leipzig. Neben der Erforschung antiker Religionen ist er seit vielen Jahren für seine Arbeiten auf dem Gebiet magischer und esoterischer Diskurse bekannt. Im S. Marix Verlag sind von ihm u. a. Heilige Schriften, Die Geheimbünde und Mysterien des Urchristentums erschienen.

Leseprobe
Hexen, Hexenverfolgungen wie immer bei einem historischen Thema gibt es manches, was sozusagen jeder zur Sache »weiß«, aus Filmen, historischen Romanen, allgemeinem kulturellem Erbe Lassen wir einiges daraus Revue passieren! Hexenverfolgung war primär eine Sache des Mittelalters. Hexenverfolgung ist eine typisch europäische Erscheinung, in erster Linie ein düsteres Kapitel abendländischer Geschichte. Es wurden fast nur Frauen als Hexen hingerichtet. Christliche Kleriker haben ihre Hexenbilder einer unterdrückten Bevölkerung übergestülpt. Die Hexen waren Bewahrerinnen einer vorchristlichen Naturreligion. Der Glaube an Hexerei ist etwas Konservatives, etwas, das über Jahrhunderte mehr oder weniger unverändert tradiert wurde. Das Bild der »bösen« Hexe ist vor allem ein Resultat der christlich-kirchlichen Frauen- und Leibfeindlichkeit. Vor allem Hebammen, »weise Frauen«, Kräutersammlerinnen und ähnliche wurden als Hexen verdächtigt. Hexenverfolgungen geschahen von oben nach unten, d. h. sie wurden der Bevölkerung von fanatisierten Machthabern und Klerikern aufgedrängt. Wer einmal in den Klauen der Verfolger war, hatte keine Chance auf Freilassung. Rothaarige und andere auffällige Frauen galten sofort als Hexen. Die Intensität der Hexenverfolgungen war da am größten, wo die Macht der Kirchen ungebrochen war. Hexen wurden lebend verbrannt, während eine gaffende Menge ihnen ins Angesicht schaute. Millionen von Frauen wurden hingerichtet. Im 18. Jhdt. waren die Hexenverfolgungen endgültig zu Ende. Alle diese Sätze entsprechen gängigen Hexenklischees, die man mehr oder weniger entfernt von der akademischen Geschichtswissenschaft nach wie vor hören und gelegentlich lesen kann. Und jeder dieser Sätze ist zumindest in dieser schlichten Form nachweislich falsch, zum Teil sogar sehr weit ab von den geschichtlichen Realitäten. Obwohl manches umstritten ist, konnte die historische Forschung doch auch eine große Zahl an Fakten bereitstellen und dokumentieren, welche ältere Klischees und Stereotypen definitiv überholen, und für manche Fragestellung einen stabilen Boden bereiten. Vor allem wurde das Bild sehr viel differenzierter: Unterschiede überwiegen die Gemeinsamkeiten. Das macht die jüngere Hexenforschung so spannend: Ihre Ergebnisse haben unser Geschichtsbild wesentlich verändert. Manches ältere »Schulbuchwissen« ist darunter zerbrochen. Sozialgeschichtliche und Gender-Forschungen haben ein überaus komplexes Szenario mit großen regionalen und chronologischen Unterschieden geschaffen, das allgemeine, sich auf große Geschichtsräume beziehende Aussagen immer schwieriger macht (denen die jüngere Geschichtswissenschaft gegenüber ohnehin notorisch skeptisch ist). Um nur ein Beispiel zu nennen, wie sich populäre Vorstellungen völlig von den Fakten abgekoppelt haben: Zahlreiche Filme und Bücher visualisieren die Szene sich im Feuer windender lebender Frauen, denen eine gaffende Menge zuschaut. Tatsächlich hat es Lebend-Verbrennungen nur sehr selten gegeben; wo verbrannt wurde, war es die Regel, dass (männliche und weibliche) »Hexen« vorher getötet (oft erwürgt) wurden und der Körper dann verbrannt wurde. Wie meist bei Hinrichtungen, war das Gesicht verhüllt (dazu gab es allerdings viele Ausnahmen). In vielen Regionen wurde gar nicht verbrannt: In England, auch in Neuengland (Salem) etwa wurden die Opfer gehängt. Solche Korrekturen nehmen den Ereignissen nichts von ihrem Schrecken. Sie warnen aber davor, sich die populären Hexenimaginationen allzu naiv als geschichtliche Wirklichkeit vorzustellen. Sie stammen zum Teil eben aus den Mittelalterfantasien, mit denen sich die aufgeklärte »Neuzeit« abgrenzend gegenüber einer »dunklen« Vergangenheit definieren wollte, um den eigenen Fortschrittsdiskurs aufrechterhalten zu können. Wir werden diesen Aspekt der Sache im Laufe dieses Buches noch genauer profilieren. Vor allem können wir in einem heutigen kulturwissenschaftlichen Kontext vielleicht ein wenig besser verstehen, wie es im Kontext gesellschaftlicher Imaginationen zu den genannten Klischees und Stereotypen kommen konnte. Wir können zumindest partiell begreifen, welche Interessen (etwa der Abgrenzung von einer vergangenen Epoche der Geschichte, oder von bestimmten Institutionen) das gesellschaftliche Hexenimaginarium geschaffen und bewegt haben. Dieses tritt uns nicht mehr als einheitliche und überwundene Größe der Vergangenheit, sondern als komplexes Überzeugungsgeflecht mit zum Teil beklemmenden Gegenwartsbezügen in den Blick. Die Forschung wird damit selbst zum Gegenstand der Ideologiekritik; Forschungsgeschichte wird zur Anfrage an unsere Gegenwart. Das Thema »Hexen« ist ein Gebiet voller Überraschungen. Plakativ gesagt kann aus der älteren Hexenforschung (etwa vor 1970) heute fast nichts mehr unbesehen übernommen werden. Es ist von daher nicht unproblematisch, dass ältere Darstellungen wie die ehemals sehr gute und materialreiche von Wilhelm Gottlieb Soldan (18031869) und Heinrich Ludwig Julius Heppe (18201879) nach wie vor immer wieder nachgedruckt werden. Das Werk dieser beiden studierten Theologen (Soldan arbeitete allerdings als Gymnasiallehrer) erschien zuerst 1843 in Soldans Erstfassung, wurde immer wieder bearbeitet, und hat lange das deutsche Hexenbild geprägt. Für Soldan war Hexerei schlicht ein Verbrechen, das es nicht gab. Alle Urteile gegen Hexen waren Justizmorde (ein Begriff, den August Ludwig Schlözer 1783 eingeführt hatte). Hexengeschichtsschreibung war hier eine Form der liberalen Kirchenkritik, die sich vor allem auf die katholische Kirche bezog. Die Hexenverfolgungen waren ein »Hexenwahn«, auf den man aus einem überlegenden geschichtlichen und aufgeklärten Abstand zurückblicken konnte. In dieser Hinsicht waren beide Autoren dem Historismus und Geschichtspositivismus des 19. Jhdts. verpflichtet, die in großer Zahl und in einer kritischen Perspektive zahlreiche Quellen benutzt haben. Kritische Reflexion des eigenen Blickwinkels war aber nicht eine Stärke dieser Forschung. Es ist erst aus unserem forschungsgeschichtlichen Abstand so, dass wir die Grenzen ihrer Analyse sehen können. Vor allem Heppe der Soldans Schwiegersohn und ein ausgesprochen liberaler Theologe war hatte leider eine Tendenz zu allgemeinen und auch quantitativen Aussagen (Soldan selbst war hier sehr viel vorsichtiger), die von seinen Quellen nicht getragen werden. Es sind aber gerade d…


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