ursprung in actu

ursprung in actu

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783862591770
Untertitel:
Zur Rekultifizierung des Denkens in Martin Heideggers »Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis)«
Genre:
Philosophie der Antike
Autor:
Klaus Heinrich
Herausgeber:
Ca Ira Verlag
Anzahl Seiten:
304
Erscheinungsdatum:
31.07.2023
ISBN:
978-3-86259-177-0

Klaus Heinrichs Beschäftigung mit Heidegger reicht bis in seine Studentenzeit zurück. Wie viele aus der sogenannten Flakhelfer-Generation stand er in der Nachkriegszeit unter dem Bann des französischen Existentialismus und war von Heidegger so fasziniert wie schockiert. Noch seine Habilitationsarbeit »Über die Schwierigkeit nein zu sagen« ist nicht zuletzt eine durchgeführte Heidegger-Kritik. Die Vorlesung eine kritische Auseinandersetzung mit den ein Jahr zuvor aus dem Nachlaß herausgegebenen und als Fortsetzung von »Sein und Zeit«, wenn nicht als Hauptwerk geltenden »Beiträgen zur Philosophie (Vom Ereignis)« (19361939) versteht sich zugleich als Vivisektion einer postmodernen, vor allem französisch inspirierten Heidegger- und Ereignisfaszination. Schon lange vor Erscheinen der »Schwarzen Hefte« (20142018) setzt Heinrich der Suggestion eines Schnitts zwischen dem politisch bekennenden Heidegger von 1933 (Rektoratsrede, Wahlaufruf) und dem seinsgeschichtlich andenkenden Heidegger von 1936ff. die These einer inneren Kontinuität entgegen. Bekanntlich hatte sich Heidegger, der in seiner Aspiration als Philosophenführer des NS von Konkurrenten ausgebremst worden war, ab 1934 enttäuscht aus der Politik zurückgezogen nur um in der inneren Emigration die Fundamente des NS tiefer zu legen und mit Hölderlin und Nietzsche die eigentliche Bewegung zu beschwören, ja auszuagieren als Ereignis. Als eine Philosophie, die vom Pathos des ständigen Unterwegsseins, der Übertrumpfung und Übertreibung, des Subjektwechsels lebt (Heinrich: »Was vorher die zitternde Existenz war jetzt ist es die Erzitterung des Seyns«), ist ihre seinsgeschichtliche Kehre schon lange vor der Kehre angelegt. Heinrich verfolgt sie bis auf den Begriff der ontologischen Differenz zurück. Deren Charakter als »aufbrechender Unterschied« (so Heidegger in Vom Wesen des Grundes, 1928) wird von Heinrich als Ursprung in actu interpretiert. Gemeint ist damit der entscheidende Schritt über Ontologie als abstraktem Ursprungsmythos (P. Tillich) hinaus eine aktiv-opferkultische Wende, die später ihre unmißverständliche Formulierung findet: »Im anderen Anfang wird alles Seiende dem Seyn geopfert, und erst von da aus erhält das Seiende als solches seine Wahrheit« (Vom Ereignis). Heideggers späte Philosophie läßt sich mit Heinrich als eine unendliche Initiation in dieses Opfer lesen als Rekultifizierung des Denkens, ein Amalgam aus Katastrophe und Heilserwartung, Opferkult und Prophetismus, Mysterien- und Bürokratensprache, darin zugleich in tiefster Eintracht mit dem Veranstaltungskult des NS selbst. Heinrich operiert auf mehreren Ebenen. So verfährt er nicht nur philologisch-werkimmanent, sondern auch philosophiehistorisch. In Exkursen zu Kant, den Neukantianern, E. Husserl, N. Hartmann, K. Jaspers geht er auf die Vorgeschichte der ontologischen Differenz ein, wobei sich insbesondere der Rückgang auf W. Windelbands Rektoratsrede von 1900 als fruchtbar erweist. Zum Verständnis der ontologischen Differenz trägt auch Heinrichs Hinweis auf Heideggers umgekehrte Lesart der kantischen Antinomientafel bei. Mindestens ebenso wichtig ist die sprachtopographische Ebene. War schon für Adorno die Ideologie »in die Sprache gerutscht« (Jargon der Eigentlichkeit), arbeitet Heinrich ihre zugleich epiphanische Suggestion heraus. Diese besteht nicht zuletzt in einem so archaisierenden wie koketten Rückgang hinter den klassischen Wahrheitsbegriff: als eine Wahrheit, die sich nur in ihrer Verbergung entbirgt, läßt sie sich für Heinrich als eine Zentralfigur für die »Nichtbewältigung unserer eigenen Vergangenheit« entschlüsseln. In die Vorlesung eingefügt ist ein spontaner Nachruf auf den gerade verstorbenen Komponisten Luigi Nono, mit dem Klaus Heinrich Mitte der 80er Jahre eine lange Unterhaltung über den Prometheusstoff geführt hatte. Dabei wird Nonos uvre als Antidot zu Heidegger vorgestellt. Ein Anmerkungsapparat, stichwortartiges Inhaltsverzeichnis, Personenregister und editorisches Nachwort schließen den Band ab.

Autorentext
Klaus Heinrich, geboren 1927 in Berlin, gestorben 2020 ebenda. - Volksschule, humanistisches Gymnasium, 15-jährig eingezogen als Jungkanonier (später Luftwaffenhelfer). 1943 Verfahren wegen Wehrkraftzersetzung und Defaitismus - seit dem Wintersemester 1945/46 Studium der Rechte und Philosophie, Psychologie und Theologie, Kunst- und Literaturgeschichte an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Denunziert und bedroht, 1948 studentischer Mitgründer der Freien Universität Berlin - 1952 Promotion in Philosophie mit einem »Versuch über das Fragen und die Frage«, 1964 Habilitation mit einem »Versuch über die Schwierigkeit nein zu sagen«. Lehrtätigkeit von 1956 bis 2000, 1968 Direktor des Religionswissenschaftlichen Instituts, 1971 ordentlicher Professor für Religionswissenschaft auf religionsphilosophischer Grundlage, emeritiert 1995. - Ehrenmitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) 1998. Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt, 2002. Die Schriften von Klaus Heinrich erscheinen seit 2020 bei ça ira. Seit 2021 sind alle bislang erschienenen Schriften Klaus Heinrichs wieder vollständig zugänglich.

Zusammenfassung
»Heinrichs Vorlesungen bieten auch heute noch wichtige Einsichten in das Verhältnis Heideggers zum Nationalsozialismus.« / Nina Rabuza, Jungle World »Wäre also in Heideggers protokollierten Verwandlungsübungen ein lächerlich pseudoreligiöser Wille zum Herbeischreiben einer Epiphanie - des Erscheinens einer erlösenden Gottheit oder Schicksalsmacht - am Werke? In manchen Partien seiner Interpretationen darf man Heinrich so verstehen. Doch will er zugleich zeigen, dass sich tatsächlich etwas in Heideggers Gedankengang ereignet, nämlich der Einbruch der politischen Wirklichkeit: Die nationalsozialistische Kultifizierung des Gemeinschaftslebens samt Schicksalsgläubigkeit und Beschwörung des Opferwillens schlage unvermittelt durch ins Denken des Philosophen und in seinen Sprachgebrauch.« / Uwe Justus Wenzel, FAZ »Für Heinrich war die Nähe des Denkens von Heidegger zum Nationalsozialismus auch ohne Kenntnis der später publizierten Schwarzen Hefte deutlich zu erkennen [...]. [Er nimmt] Heideggers Ansatz so ernst, wie er es verdient, indem er ihm eine 'Überbietung und Übertrumpfung der NS-völkischen Realität' zuschreibt, die zudem in kultischen Begriffen ausgedrückt werde.« / Till Kinzel, IFB


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