Anastasios I.

Anastasios I.

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783608943771
Untertitel:
Die Entstehung des Byzantinischen Reiches
Genre:
Antike
Autor:
Mischa Meier
Herausgeber:
Klett-Cotta Literatur
Auflage:
2. Aufl. 2010
Anzahl Seiten:
443
Erscheinungsdatum:
24.09.2009
ISBN:
978-3-608-94377-1

Während der Herrschaft Kaiser Anastasios I. (491 - 518) zerbrach die jahrhundertealte Einheit der Mittelmeerwelt. Mischa Meier zeichnet als Erster ein eindrucksvolles Bild dieser Zeit, in der sich im Osten und Westen des ehemaligen Römischen Reiches eigene politische und kulturelle Einheiten bildeten.


Mit dieser ersten deutschsprachigen Biographie des spät-römischen »Endzeit«-Kaisers Anastasios I. macht der Autor deutlich, wie sich der Westen bis heute von der östlichen Welt grundlegend unterscheidet. Mit seinen mutigen wie drastischen Reformen gelang dem Kaiser eine nachhaltige Konsolidierung des strauchelnden Oströmischen Reiches. Während seiner Regierung vollzog sich der epochemachende Übergang des Imperium Romanum in das Byzantinische Reich.
Zugleich wirft Meier den Blick auch auf Theoderich und die germanischen Nachfolgereiche sowie auf das persische Sassanidenreich. Die dramatischen Beziehungen zwischen Ostrom und den Päpsten werden ebenso behandelt wie die kriegerischen Auseinandersetzungen und geistigen Konflikte der spätrömischen Geschichte: eine Gesamtdarstellung der Spätantike als eine große Umbruchepoche.

Vorwort
Der dramatische Übergang vom Imperium Romanum zum Byzantinischen Reich

Autorentext
Mischa Meier, geboren 1971, Studium der Klassischen Philologie und der Geschichte an der Universität Bochum. 1998 Promotion über das frühe Sparta; 1999 bis 2004 Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Universität Bielefeld. Seit 2004 Professor für Alte Geschichte in Tübingen.Wichtige Veröffentlichungen: »Das andere Zeitalter Justinians«, 2004; »Justinian. Herrschaft, Reich und Religion«, 2004.

Leseprobe

I. ANASTASIOS UND SEINE WELT
Man versetze sich für einen kurzen Moment an irgendeinen Platz an der unteren Donau. Ein schneidender Wind peitscht kalten Regen über die trostlosen Ebenen. Mitten in der Weite ein paar ausgemergelte Soldaten, völlig unzureichend ausgerüstet und dementsprechend schlecht motiviert, die von einer Horde wilder Krieger überrannt werden und verendend im Schlamm zurückbleiben. Die Hilferufe der Sterbenden werden vom aufziehenden Nebel verschluckt, ebenso wie die eilig davongaloppierenden Angreifer. - Ein jeder, der in der westlich-europäischen Kultur aufgewachsen und sozialisiert ist, wird sogleich eine klare Assoziation haben: Das ist das finstere Mittelalter. Man stelle sich gewaltige Palastanlagen vor, denen ebenso eindrucksvolle Foren und Säulenhallen vorgelagert sind. Prachtvolle Statuen säumen breite Straßen, Goldverzierungen glänzen im Sonnenlicht von den Kuppeldächern gigantischer Kirchen herab, während ältere Herren in der ehrwürdigen Toga unter den schattenspendenden Portiken lustwandeln und über die aktuelle Politik im Lichte des platonischen Idealstaates disputieren. - Jedem dürfte klar sein: Die griechisch-römische Antike lässt grüßen. Irgendwo in Mitteleuropa: Eine kleine Schar einfach gewandeter Reiter nähert sich einem Dorf. Die Einwohner fliehen vor der sich anbahnenden Katastrophe panisch in alle Richtungen, kurze zeit später steht der Weiler bereits vollständig in Flammen. Was auf die Schnelle greifbar war, führen die Angreifer mit sich und verschwinden ebenso rasch wieder, wie sie erschienen waren. - So oder so ähnlich stellt man sich wohl die Völkerwanderung vor.
Tausende von Menschen ziehen singend und betend durch die engen Straßen einer großen Hafenmetropole, an ihrer Spitze festlich gewandete Priester, hoch rangige Beamte und Funktionäre sowie die Häupter der lokalen Aristokratie - bis die fromme Prozession vor den ausladenden Flügeltoren einer Kirche zum Stehen kommt und in die feierliche Messe übergeht, die von den Anwesenden mit höchster Inbrunst zelebriert wird. Ein paar Straßen weiter allerdings liefern sich zwei Gruppen verfeindeter Mönche eine erbitterte Straßenschlacht. Tote und Verletzte bleiben am Boden zurück, als eine Abteilung Soldaten erscheint und die Aufrührer zersprengt. - So ungefähr dürften die verbreiteten Vorstellungen vom frühen Christentum im Osten des Römischen Reiches aussehen.
Keine dieser Assoziationen ist zutreffend; aber ebenso ist auch keine von ihnen wirklich falsch. Es handelt sich bei den evozierten Bildern lediglich um verbreitete Auffassungen von Antike, Mittelalter, Byzanz, der Völkerwanderung usw., deren Realitätsgehalt wir ohnehin kaum exakt festmachen können. Dass sie sich alle mit den Jahren um 500 zusammenbringen lassen und gemeinsam ein seltsam anmutendes Konglomerat an Impressionen einer historischen Übergangsphase ergeben, macht den Zeitraum, um den es uns geht, so interessant. Wir befinden uns in jenen Jahren, in denen die Antike sich dem Ende zuneigte und etwas Neues anbrach, das wir heute als Mittelalter bezeichnen. Damals wurden zentrale Weichenstellungen für die weitere Entwicklung der römischen Welt, die schon lange eine ausschließlich solche nicht mehr war, vorgenommen, und die Situation des Imperium Romanum war so brisant, dass jede Entscheidung der Regierung nachhaltige Konsequenzen mit sich bringen konnte. Das war den Akteuren natürlich nicht gegenwärtig - zumindest konnten sie darüber nicht reflektieren -, aber ein Bewusstsein, dass man in einer besonderen Phase lebte, ist doch immer wieder in unseren Zeugnissen greifbar.
Diese Zeugnisse stehen in guter antiker Tradition. Sie bieten uns keine sozial- oder kulturgeschichtlichen Analysen, sondern sie versuchen, historisches Geschehen als Manifestation eines höheren Planes zu erfassen - in unserem Fall des christlichen Heilsgeschehens -, und diese Manifestation kristallisiert sich im Handeln einzelner Personen, welche wiederum als zentrale Akteure im historischen Geschehen angesehen werden: Kaiser, Könige, hohe kirchliche Würdenträger, Aristokraten, Kriegsherren usw. unsere Aufgabe als Historiker ist es, die dabei erfolgende Reduktion von Komplexität durch möglichst plausible Schlussfolgerungen und Modellbildungen zumindest partiell wieder rückgängig zu machen und differenziertere, von modernen Fragestellungen angeleitete Vorschläge zur Rekonstruktion und vor allem Interpretation historischen Geschehens zu unterbreiten. Genau dies strebt das vorliegende Buch an, indem es sich auf die Gestalt des spätrömischen Kaisers Anastasios konzentriert und mit Blick auf ihn, seine Umgebung, seine Handlungsspielräume und seine Wirkungskreise versucht, einen Abglanz der ebenso spannenden wie richtungweisenden Geschehnisse der Jahre um 500 erstehen zu lassen - jener Phase, in der die römische Welt, die über Jahrhunderte hin die Kulturen des Mittelmeers integriert hatte, zerbrach und in der sich nach dem Ende des Kaisertums im Westen ( 476 ) auch im Osten allmählich neue Strukturen herauszubilden begannen, die wir retrospektiv als byzantinisch bezeichnen.
In der heute üblichen Terminologie würde man Anastasios ( 491 - 518 ) wohl am ehesten einen Übergangskandidaten auf dem Thron nennen. Als er im Alter von etwa 60 Jahren zur Überraschung vieler Zeitgenossen die Herrschaft über das Römische Reich antrat, dürfte kaum jemand damit gerechnet haben, dass ausgerechnet er, der D í koros , der Mann mit den verschiedenfarbigen Pupillen, fortan 27 Jahre lang die Kaiserherrschaft behaupten würde und erst im hohen Alter von etwa 90 Jahren abtreten sollte. Seine Regierungszeit gehört zu den längsten unter den römischen Kaisern und sollte damit eigentlich von vornherein wenn nicht Bewunderung, so doch zumindest Eindruck oder Anerkennung erwecken. Trotzdem ist Anastasios das Stigma des Übergangskaisers nicht mehr losgeworden. Vor allem der schier erdrückende Schatten seines berühmten Nachfolgers Justinian ( 527 - 565 - die episodische Herrschaft Justins I. 518 - 527 kann hier außer Betracht bleiben) hat sich über Anastasios gelegt und ließ dabei ihn selbst und seine zeit rasch in den Hintergrund treten, 1 und gegenüber den oströmischen Kaisern des 5 . Jahrhunderts …


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