Briefwechsel

Briefwechsel

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783608939408
Untertitel:
Ernst Jünger - Carl Schmitt, Briefwechsel 1930-1983
Genre:
Briefromane & Tagebücher
Autor:
Ernst Jünger, Carl Schmitt, Stefan George, Friedrich Gundolf, Ida Coblenz, Rudolf Pannwitz, Otokar Fischer, Paul Eisner
Herausgeber:
Klett-Cotta Literatur
Auflage:
3. Druckaufl., 2022
Anzahl Seiten:
944
Erscheinungsdatum:
22.05.2012
ISBN:
978-3-608-93940-8

Ernst Jünger (1895-1998) und Carl Schmitt (1888- 1985) lernten sich 1930 in Berlin kennen. Beide hatten sich schon einen Namen gemacht und versuchten damals, mit gedanklich zugespitzten und brillant geschriebenen Essays die verfahren wirkenden Verhältnisse nicht nur zu analysieren, sondern auch in einem konservativen und zugleich revolutionären Sinn zu beeinflussen.


Schmitt avancierte darüber zum »Kronjuristen des Dritten Reiches«, der 1936 allerdings kaltgestellt wurde. Jünger wahrte Distanz gegenüber den Nazis und wurde zum kritischen Beobachter und Chronisten der deutschen Verfehlung. Nach 1945 mußte sich Schmitt mit einem glanzlosen Dasein in provinzieller Abgeschiedenheit begnügen, während Jünger zu einem vielbeachteten, wenn auch vielfach angefeindeten Autor aufsteigen konnte. Gleichwohl hielten Jünger und Schmitt über all diese Jahre hinweg Kontakt und reflektierten ihr Verhalten während dieser verwerfungsreichen Zeit in einem kontinuierlich geführten Briefwechsel, der größtenteils erhalten ist und hier einschränkungslos wiedergegeben wird: über 400 Briefe, bemerkenswert nicht nur als Quelle biographischer und werkgeschichtlicher Informationen, sondern auch als Dokumente eines Versuchs, die Tragik der eigenen Geschichte durch Bezugnahme auf mythologische, literarische und historische Existenzmuster zu verstehen und aushaltbar zu machen.

Vorwort
Überarbeitete und erweiterte Neuausgabe

Autorentext
Friedrich Gundolf (ursprünglich Gundelfinger; * 20.6.188012.7.1931) trat als Dichter, Übersetzer, Herausgeber und Verfasser literaturwissenschaftlicher Bücher hervor und war ab 1916 Professor an der Heidelberger Universität. Seine literarische Produktion wurde indes lange Zeit von George bestimmt. Gundolfs Verehrung hielt dabei auch über den Bruch der Beziehung in den frühen Zwanziger Jahren hinaus an.

Leseprobe
Ernst Jünger an Carl Schmitt
Berlin NW 21, Dortmunder Straße 13, 14.10.30.


Sehr geehrter Herr Professor!

Ihrer Schrift »Der Begriff des Politischen« widme ich folgendes Epigramm:
» Videtur : suprema laus«,
denn der Grad ihrer unmittelbaren Evidenz ist so stark, daß jede Stellungnahme überflüssig wird, und die Mitteilung, daß man Kenntnis genommen hat, dem Verfasser genügt.
Die Abfuhr, die allem leeren Geschwätz, das Europa erfüllt, auf diesen dreißig Seiten erteilt wird, ist so irreparabel, daß man zur Tagesordnung also, um mit Ihnen zu sprechen, zur Feststellung des konkreten Freund-Feind-Verhältnisses übergehen kann. Ich schätze das Wort zu sehr, um nicht die vollkommene Sicherheit, Kaltblütigkeit und Bösartigkeit Ihres Hiebes zu würdigen, der durch alle Paraden geht.
Der Rang eines Geistes wird heute durch sein Verhältnis zur Rüstung bestimmt. Ihnen ist eine besondere kriegstechnische Erfindung gelungen: eine Mine, die lautlos explodiert. Man sieht wie durch Zauberei die Trümmer zusammensinken; und die Zerstörung ist bereits geschehen, ehe sie ruchbar wird.
Was mich betrifft, so fühle ich mich durch diese substantielle Mahlzeit recht gestärkt. Ich gedenke, Ihnen einige jener Leser zuzuführen, die heute ebenso selten wie Bücher sind.
Mit Hoch achtung Ernst Jünger



Carl Schmitt an Ernst Jünger
Plettenberg, 7/5 57


Lieber Ernst Jünger. also am Sonntag, den 14. April Vollmond ereignete sich der ominöse Stich des Giftrochens; um welche Stunde? Ich hörte am Abend dieses Tages (7 Uhr) infolge eines merkwürdigen Zufalls im Radio (das ich sonst nicht höre) einen Vortrag des Atomphysikers Manfred von Ardenne aus der Ostzone, über die Wirkung der Atombomben. (Todeskreis, Verwundungskreis, Verseuchungskreis); Ardenne war unser Nachbar in Schlachtensee.
Schreiben Sie mir wie es Ihnen geht! Die Serpentara ist einfach wunderbar, in allem wahrhaft klassisch, als Idylle wie als Erzählung. Der Schweizer Peter Schneider, der ein dickes Buch über meine Rechtslehre veröffentlicht hat (ein junger Mensch, Zürcher, schicksallos wie der schlafende Säugling, über mich, einen schicksalbeladenen Alten) behauptet, ich wäre ein »Erzähler« das ist ganz falsch, offenbar weiß er nicht was erzählen ist. Sie sind ein Erzähler, dem die epische Zeit-Nahme mit jedem Satz gelingt.
Ihr Schema der 2000jährigen Weltalter ist mir seit 50 Jahren geläufig, und als Schema verdächtig, weil es in den Kreisen okkultisch-theo= und anthroposophischer Magier allzu beliebt und benutzt ist. Ich zweifle nicht daran, daß es Ihnen gelingt, dem Schema einen interessanten Inhalt zu geben, aber ich fürchte, Sie plazieren sich damit in eine Umgebung, deren kompaktes System stärker und bestimmender ist als Ihr individuell-origineller Beitrag.
Anima ist, wie ich, von der Serpentara entzückt und beglückt; sie ist als »novia« mit Nähen und Briefschreiben beschäftigt; der novio macht seinen förmlichen Besuch in Plettenberg im August; er spricht kein Wort Deutsch und kommt aus Santiago de Compostela. Seit einer Woche hat sich ein Amerikaner (New Yorker) von der Columbia-Universität im benachbarten Hotel einquartiert, für zwei Monate; er schreibt mit ungeheurem Fleiß und Eifer ein Buch über political theory und findet das Sauerland »paradiesisch«; so wird man über den Wandel der Begriffe belehrt.
Alle guten Wünsche für Ihre Gesundheit und herzliche Grüße Ihres alten
Carl Schmitt.



Ernst Jünger an Carl Schmitt
Wilflingen über Riedlingen, 9.5.57.


Lieber Carl Schmitt,
herzlichen Dank für Ihre Zeilen vom 7.5., die mich noch immer im Bett treffen. Also es war Vollmond am 14. April? Wahrscheinlich ist dann der Fisch besonders geladen, sei es mit Elektrizität, sei es mit Gift. Die Begegnung fand zwischen 11 00 und 12 00 Mittags statt. Auch von den Eingeborenen wurde sie als merkwürdig empfunden. Unfälle mit dem Tier gibt es eigentlich nur für den Fischer, wenn er die Beute sortiert. Dann wird er in die Hand gestochen und bekommt einen dicken Arm. Wenn man beim Baden ins Meer geht, schwimmt der Rochen, der sich im Sande vergraben hat, leise davon. Das höchst Merkwürdige an meinem Abenteuer war, daß ich, nachdem ich schwimmend die Küste erreicht hatte, auf dem Rücken des Fisches landete. Da ich mit den Füßen auf ihm stand, konnte er nicht entweichen und versetzte mir acht Stiche in die Zehen, die Waden und die Schenkel. Dann trennten wir uns. [...]
In der Hoffnung, daß diese Zeilen Sie bei guter Gesundheit treffen, bleibe ich Ihr
Ernst Jünger




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