Die Verschwörung der Idioten

Die Verschwörung der Idioten

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783608939002
Untertitel:
Roman
Genre:
Erzählende Literatur & Romane
Autor:
John Kennedy Toole
Herausgeber:
Klett-Cotta Literatur
Auflage:
5. Druckaufl., 2021
Anzahl Seiten:
464
Erscheinungsdatum:
22.08.2011
ISBN:
978-3-608-93900-2

Lesen Sie diesen Roman nicht im Flugzeug oder im Wartezimmer Sie fallen sonst unangenehm auf. Nicht durch Grinsen oder Kichern, sondern durch wieherndes Gelächter. »Jeder Leser kennt das Gefühl auf eine Goldader gestoßen zu sein.« (Alex Capus)

Die braven Bürger von New Orleans scheinen nicht besonders viel von Ignatius und seinen Ausrastern zu halten. Der aber ignoriert sie einfach, wenn er seinen massigen Körper zu den Fleischtöpfen der Stadt bewegt.
Er führt immerhin einen edlen Kreuzzug gegen das Laster, die Modernität und die Unwissenheit.
Doch seine Mutter hält eine hässliche Überraschung für ihn bereit: Nach einem Blechschaden, den sie verursacht hat, wird er von ihr gezwungen, seine rituellen Zornesausbrüche vor dem Fernseher aufzugeben und sich einen Job zu suchen, statt mit Leserbriefen die Welt zu verbessern. Unerschrocken nutzt er die neue Stelle, um seine Mission fortzuführen und hat dafür jetzt auch noch ein Piratenkostüm und einen Imbissstand zur Hand ...

Definitiv einer der originellsten Helden, den die amerikanische Literatur im letzten Jahrhundert hervorgebracht hat.

Vorwort
Gestatten: Ignatius J. Reilly, eloquent, flatulent und zu absolut nichts zu gebrauchen

Autorentext
John Kennedy Toole, geboren 1937 in New Orleans, schrieb »Die Verschwörung der Idioten« während seines Militärdienstes in Puerto Rico. Jahrelang suchte er vergeblich nach einem Verleger, 1969 nahm er sich das Leben. Elf Jahre später veröffentlichte ein kleiner Universitätsverlag das Manuskript auf Drängen der Mutter. 1981 erhielt der Autor postum den Pulitzer-Preis, und der Roman ist bis heute Kult.

Leseprobe
EINS

Auf dem kugelrunden Kopf eine viel zu kleine grüne Jagdmütze mit Ohrenklappen, die wie Signalzeichen waagerecht in beide Richtungen abstanden. Darunter ein paar Haarbüschel und zwei große, borstige Ohren. Ein buschiger schwarzer Schnauzbart und volle, geschürzte Lippen, in den Mundwinkeln ein Anflug von Verachtung, gemischt mit Krümeln von Kartoffelchips. Im Schatten des grünen Mützenschirms suchten Ignatius J. Reillys verschiedenfarbige Augen eines blau, das andere gelb die wartende Menschenmenge unter der Uhr des D.H.-Holmes-Kaufhauses nach Anzeichen von schlechtem Geschmack ab. Manche Leute, so stellte Ignatius fest, trugen dermaßen neue und teure Kleider, dass es geradezu gegen Sitte und guten Geschmack verstieß. Der Besitz neuer und kostspieliger Dinge wies allein auf einen Mangel an Theologie und Geometrie hin, eventuell auch auf einen zweifelhaften Charakter.

Ignatius selber war bequem und vernünftig gekleidet. Die Jagdmütze schützte ihn vor Erkältungen, die strapazierfähige Tweedhose mit ihren zahlreichen Falten und Taschen bot überdurchschnittliche Bewegungsfreiheit bei optimalem Schutz vor Wind und Wetter. Das karierte Flanellhemd machte eine Jacke überflüssig, während der Wollschal die Blöße zwischen Ohrenklappen und Hemdkragen bedeckte. Insgesamt war sein Aufzug vielleicht ein bisschen ungewöhnlich, genügte dafür aber sämtlichen theologischen und geometrischen Standards und signalisierte ein reiches Seelenleben.

Tapsig wie ein Elefant verlagerte Ignatius sein Körpergewicht von einem Bein aufs andere, worauf mehrere Wellen Bauchfleisch sich in Bewegung setzten, um sich am untersten Knopf des Flanellhemds zu brechen und zum Bund der Tweedhose zurückzukehren. In der neuen Körperhaltung zur Ruhe gekommen, dachte er darüber nach, dass er schon ziemlich lange auf seine Mutter wartete. Allmählich wurde ihm unbehaglich zumute. Es schien, als wären seine Füße geschwollen und würden nächstens seine wildledernen Desert Boots sprengen, und um das zu überprüfen, richtete Ignatius seinen blaugelben Blick nach unten. Die Füße machten tatsächlich einen geschwollenen Eindruck. Er beschloss, die sich wölbenden Stiefel seiner Mutter als stummen Vorwurf für ihre Gedankenlosigkeit zu präsentieren. Als er wieder aufschaute, begann am anderen Ende der Canal Street die Sonne über dem Mississippi unterzugehen. Auf der Holmes-Uhr war es kurz vor fünf. Er legte sich ein paar sorgfältig formulierte Vorwürfe zurecht, um seiner Mutter ein schlechtes Gewissen zu bereiten oder sie wenigstens in Verlegenheit zu bringen. Ignatius musste ihr täglich aufs Neue den ihr zustehenden Platz zuweisen.

Sie hatte ihn in dem alten Plymouth in die Stadt gefahren. Während sie wegen ihrer Arthritis den Arzt aufsuchte, hatte Ignatius bei Werlein's ein paar Notenblätter für seine Trompete und eine Saite für die Laute gekauft. Dann war er in die Spielhalle an der Royal Street gegangen, um nachzuschauen, ob es neue Spiele gab. Zu seinem Bedauern war das mechanische Baseball-Spiel verschwunden. Vielleicht war es nur in der Revision. Als er das letzte Mal damit gespielt hatte, war der Schlagmann kaputt gewesen, und es hatte Ignatius einige Diskussionen mit dem Management gekostet, bis er sein Fünfcentstück zurückbekommen hatte; die Spielhallen-Leute hatten sich sogar zu dem haltlosen Vorwurf verstiegen, Ignatius selbst habe das Gerät beschädigt, indem er ihm einen Fußtritt gab.

Ignatius sann über das weitere Schicksal des Baseball-Spiels nach und entfernte sich gedanklich von der banalen Wirklichkeit der Canal Street und der Leute um ihn her. So bemerkte er nicht die zwei traurigen, hungrigen Augen, die ihn hinter einer Säule des Kaufhauses hervor sehnsüchtig und hoffnungsvoll beobachteten.

Gab es in New Orleans jemanden, der Spielmaschinen reparieren konnte? Wahrscheinlich schon. Vielleicht hatte man die Maschine aber auch nach Milwaukee oder Chicago schicken müssen oder an einen anderen Ort, dessen Name nach fachmännischen Reparaturwerkstätten und ewig rauchenden Fabrikschloten klang. Ignatius konnte nur hoffen, dass die kleinen Baseballspieler auf dem Transport pfleglich behandelt und nicht verletzt oder verstümmelt wurden von brutalen Eisenbahnern, die es sich in den Kopf gesetzt hatten, die Illinois Central Eisenbahngesellschaft durch Provozierung kostspieliger Schadenersatzklagen in den Ruin zu treiben und anschließend mit Streiks endgültig zu vernichten.

Während Ignatius noch der wonnevollen Stunden gedachte, die der Baseball-Automat der Menschheit schon beschert hatte, steuerte das traurig-begehrliche Augenpaar durch die Menge auf ihn zu wie ein Zwillingstorpedo auf seinem Weg zu einem großen, schwabbelweichen Tanklastschiff. Ein kleiner, hagerer Polizist baute sich vor Ignatius auf und zupfte an dessen Papiertüte.

»Können Sie sich ausweisen, Mister?« In der Frage des Polizisten schwang unüberhörbar die Hoffnung, dass Ignatius keinen rechtsgültigen Ausweis mit sich tragen möge.

»Was?« Ignatius schaute hinunter auf das Dienstabzeichen an der blauen Mütze. »Wer sind Sie?«
»Zeigen Sie mir Ihren Führerschein.«
»Ich fahre nicht Auto. Würden Sie bitte weggehen? Ich warte auf meine Mutter.«
»Was hängt da aus Ihrer Tüte raus?«
»Was wohl, Sie Dummkopf eine Saite für meine Laute.«
»Wie bitte?« Der Polizist wich einen Schritt zurück. »Sind Sie hier wohnhaft?«
Da holte Ignatius tief Luft und brüllte über die Menschenmenge vor dem Kaufhaus hinweg: »Hat das Polizeikorps von New Orleans es sich zur Aufgabe gemacht, unbescholtene Bürger wie mich zu belästigen, während die Stadt zum Sündenpfuhl verkommt? In der ganzen Welt ist New Orleans berühmt für seine Spieler, Nutten, Exhibitionisten, Anti-Christen, Alkoholiker, Sodomiten, Drogensüchtigen, Fetischisten, Onanisten, Pornographen, Betrüger, Schindmähren, Dreckfinken und Lesbierinnen und allseits bekannt ist auch, dass Menschen dieses Schlags hier durch Schmiergelder jederzeit den Schutz der Obrigkeit genießen. Falls Sie etwas Zeit erübrigen können, will ich es gern auf mich nehmen, Ihnen den richtigen Weg zu Recht und Ordnung zu weisen, aber machen Sie nicht den Fehler, mir auf die Nerven zu g…


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