Zwei schwarze Jäger

Zwei schwarze Jäger

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783608938852
Untertitel:
Roman
Genre:
Erzählende Literatur & Romane
Autor:
Brigitte Kronauer
Herausgeber:
Klett-Cotta Literatur
Auflage:
2. Aufl. 2009
Anzahl Seiten:
286
Erscheinungsdatum:
31.08.2009
ISBN:
978-3-608-93885-2

Brigitte Kronauer auf SWR-Bestenliste im Oktober 2009
»Ein Buch voller Geschichten - wie die Scherben eines verlorenen Ganzen.«


Mit ihrem neuen Roman umkreist Brigitte Kronauer bravourös die Möglichkeiten zwischen der Pragmatik alltäglicher Lebensläufe und den gelingenden Aufschwüngen, den Glücksmomenten in Natur, Liebe und Kunst, die uns bestimmen.

Wie in einem Treppenhaus kreuzen sich in diesem Buch die Geschichten und Erinnerungen. Alles scheint der Vorstellungskraft der Schriftstellerin Rita Palka zu entspringen, die sich gelegentlich selbst unter ihr Personal mischt, das verschiedener nicht sein könnte.
Ob es nun die Dame im Rollstuhl ist, die ihren ehemaligen Liebhaber auffordert den Don Juan der Nachbarschaft zu spielen; die Kassiererin, die der Tristesse entfliehen will und Prostituierte wird; der Verlagslektor, der sich in einen Kellner verliebt; oder Wally, die nur zwei Nächte ihres Lebens mit einem Mann verbracht hat. Sie alle verbindet die Sehnsucht nach den verdeckten Träumen des Alltags, in einer Welt, die diese unerfüllbar und lächerlich macht. Und so rücken die Figuren mit ihren Ängsten und Niederlagen immer dichter zusammen, ohne zu ahnen, dass eine von ihnen zur Mörderin wird.

Vorwort
Ein neuer Schwebetrick der großen Brigitte Kronauer

Autorentext
Brigitte Kronauer, 1940 in Essen geboren, lebte als freie Schriftstellerin in Hamburg. Ihr schriftstellerisches Werk wurde unter anderem mit dem Fontane-Preis der Stadt Berlin, mit dem Heinrich-Böll-Preis, dem Hubert-Fichte-Preis der Stadt Hamburg, dem Joseph-Breitbach-Preis und dem Jean-Paul-Preis ausgezeichnet. 2005 wurde ihr von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung der Büchner-Preis verliehen. Brigitte Kronauer verstarb im Juli 2019.

Klappentext
Mit ihrem neuen Roman umkreist Brigitte Kronauer bravourös die Möglichkeiten zwischen der Pragmatik alltäglicher Lebensläufe und den gelingenden Aufschwüngen, den Glücksmomenten in Natur, Liebe und Kunst, die uns bestimmen. Wie in einem Treppenhaus kreuzen sich in diesem Buch die Geschichten und Erinnerungen. Alles scheint der Vorstellungskraft der Schriftstellerin Rita Palka zu entspringen, die sich gelegentlich selbst unter ihr Personal mischt, das verschiedener nicht sein könnte. Ob es nun die Dame im Rollstuhl ist, die ihren ehemaligen Liebhaber auffordert den Don Juan der Nachbarschaft zu spielen; die Kassiererin, die der Tristesse entfliehen will und Prostituierte wird; der Verlagslektor, der sich in einen Kellner verliebt; oder Wally, die nur zwei Nächte ihres Lebens mit einem Mann verbracht hat. Sie alle verbindet die Sehnsucht nach den verdeckten Träumen des Alltags, in einer Welt, die diese unerfüllbar und lächerlich macht. Und so rücken die Figuren mit ihren Ängsten und Niederlagen immer dichter zusammen, ohne zu ahnen, dass eine von ihnen zur Mörderin wird.

Leseprobe
Destruktion
Die elegante Frau, wie sie erschrocken am Fenster sitzt! Und was für ein kerzengerader Oberkörper! Sie ist seit ein paar Minuten immer bleicher geworden, verblichen all die schöne Jugendlichkeit, an die doch auch Sie auf den ersten Blick geglaubt haben. Da hilft das Rouge, so vorbildlich auf den Wangenknochen aufgetragen, überhaupt nichts.
Ganz weiß ist Helene Pilz geworden. Der Mann bemerkt nichts davon. Er hat ja auch das echte und künstliche Blühen ihres Teints zu Anfang weder unterschieden, noch wenigstens wahrgenommen. »Da«, sagt sie, wie leicht betrunken oder gegen eine große Erschöpfung ankämpfend, »auf der anderen Straßenseite kannst du sie alle begutachten, Frau Bernadotte, Frau Lemnitz, Frau Rottmann, Frau Becher-Hahn. Kein Wunder, daß Frau Mülleis, Wally Mülleis, die große Ausnahme hier, in diesem Gremium fehlt.«
Hört er das denn nicht? Er sitzt tiefer als sie, das liegt an dem hölzernen Podest, auf dem ihr Stuhl steht. Ein kleine Rampe führt zu ihr hoch und zu ihm auf den normalen Fußboden runter. Der Mann muß ein guter Sportler sein, etwas Durchtrainiertes, auf dem Sprung Stehendes geht von ihm aus, trotz der ersten grauen Haare, die Sie oben auf seinem Kopf sehen. Er hat seine Stirn gegen den nackten Oberarm der Frau gepreßt. Wirkt es nicht unfreiwillig bußfertig?
Auch der Frau, wenn sie den Blick vom Fenster wendet, entgeht das Grau zwischen dem Schwarz nicht. Sie berührt die Strähnen mit der freien Hand. Im ersten Moment wollte sie ihm wohl fünffingrig und roh in die dicken Locken fahren. Dann hat sie es sich mitten in der Bewegung anders überlegt und findet ihre Kursänderung, die sie selbst überrascht, gravierend. Vor Kummer beginnt sie zu lächeln, spielt nur sehr behutsam mit diesem und jenem Haar. Auch Sie werden sich fragen, ob solche Vorsicht nicht übertrieben ist, und ob, natürlich, die Frau in Wahrheit mit Erinnerungen tändelt, und ob nicht die es sind, die sie geistesabwesend nach ihren verschiedenen Tönungen zählt und sortiert. Die Maserung ist anscheinend etwas Neues für sie. Das Haupthaar selbst ist es nicht. Da kennt sie wohl alle Wirbel. Ihr betrübtes Lächeln bleibt ihm verborgen.
»Heimkehr des verlorenen Sohnes«, flüstert die Frau schließlich und mit großer Anstrengung, besonders der spöttische Ton hat sie harte Arbeit gekostet.
Der Mann sagt noch immer nichts, rührt sich nicht. Da greift die Frau nach einem Messer auf der Fensterbank.
Etappenweise prüft sie ihr Gesicht in der spiegelnden Klinge. Sie wird doch nicht zu weinen anfangen? Um dem zuvorzukommen, murmelt sie vor sich hin: »Meine Hände sind richtige Eidechsen geworden.« Eine kaum rückgängig zu machende Brutalität ist das, deshalb fügt sie, mit dem winzigen Überrest einer Hoffnung den Locksatz hinzu: »Ich sollte sie lieber in Handschuhen verstecken.«
Da hebt er tatsächlich aufwachend den Kopf, er erinnert sich! Er lächelt sie an: »Helena!« »Also doch«, flüstert die Frau und wird, sehen Sie nur genau hin, ein bißchen rot. Er konzentriert sich und plustert dazu, genau wie früher, ganz kurios den oberen Wangenteil auf. Wie früher legt er den Kaffeelöffel prinzipiell auf die Tischdecke und stellt die Tasse immer neben die Untertasse. Eine Art Freiheitsdurst wahrscheinlich.
Von allein fällt es ihm aber nicht vollständig ein, denkt die Frau und wird wieder um das Wangenrouge herum blasser. »Moment, ich hab's gleich, Moment, Moment.« Auch das genau wie damals, denkt die Frau, zur Bekräftigung immer die Wortwiederholung! »Natürlich, ja sicher, der schwarze Samt über der Innenhand, darin der Hotelzimmerschlüssel mit der Nummer nach oben gedreht.« »Dreiundachtzig«, entwischt der Frau. Sie ärgert sich, zu spät, über ihre Voreiligkeit. »Natürlich!« Er schlägt sich locker gegen die Stirn. »Nur kurz hast du böses Mädchen die Hand geöffnet. Dein Mann saß neben dir. Warte, dann verschwand der Schlüssel in deiner Tasche. Dann hast du ihn, warte, im Abendkleid zum Bahnhof gefahren. Jedenfalls war nicht er es, der bei dir übernachtet hat. Das kann ich bezeugen.« Er lacht fröhlich, charmant gockelhaft. Mein Gott, nichts verlernt! »Da steht es wieder vor mir. Ach, du Gute, wie lange das her ist, ein ganzes Leben. Ich hätte dich öfter besuchen sollen. Du Gute und dein treues Gedächtnis!«
Weinen kann sie jetzt trotzdem nicht, nicht bei dieser Art von Schmerz zu seinem Wortgetätschel. Es hätte ihrer Niederlage die Krone aufgesetzt. »In dieser Nacht«, fährt sie fort und spielt nun, gewitzter, stammelndes Vergegenwärtigen, »da hast du mir gestanden, daß du mit achtzehn, oder neunzehn? stundenlang versucht hast, die Unterschrift deines Vaters zu imitieren, um dir in seinem Namen Schecks auszustellen.« Das gefällt ihm nicht: »Um Gottes willen. Ich hab's doch dann nie gemacht.« »Und, daß ihr bei Polizeiverhören die milde Zigarettenfolter benutzt, nämlich die Leute mit den gelben Fingerspitzen durch Vorqualmen ers…


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