Ernst Jünger

Ernst Jünger

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783608938425
Untertitel:
Leben und Werk in Bildern und Texten
Genre:
Künstler- & Schriftsteller-Biografien
Herausgeber:
Klett-Cotta Literatur
Auflage:
1. Aufl. 2010
Anzahl Seiten:
336
Erscheinungsdatum:
13.09.2010
ISBN:
978-3-608-93842-5

Vollständig überarbeitete Neuausgabe, die um die letzten zehn Lebensjahre ergänzt ist. Mit bisher unveröffentlichten Dokumenten und Fotos.

Ernst Jüngers Leben kann als Seismogramm eines ganzen Jahr hunderts angesehen werden. Als der 23-jährige aus dem Ersten Weltkrieg ins bürgerliche Leben zurückkehrte, glaubte er, dass sein Überleben nicht zufällig und die Opfer nicht sinnlos gewesen waren. Er hatte die Geburt eines neuen Zeitalters erlebt. Von Stunde an wurde Jünger zum Chronisten seiner Epoche. Diese vielseitige Bildbiographie zeichnet die abenteuerliche Topographie seiner einzigartigen Vita nach.

Autorentext
Dr. Heimo Schwilk, geboren 1952 in Stuttgart, ist einer großen Leserschaft durch seine Publikationen zu Leben und Werk Ernst Jüngers bekannt. Seit 1991 ist er leitender Redakteur der »Welt am Sonntag«.

Leseprobe
DIE TOTEN KOMMEN NÄHER
Daß er das Gefühl des Alterns nicht aufb ringen könne, wie Jünger einmal formulierte, beweist der Dreiundneunzigjährige durch zwei Überseereisen, die ihn 1988 zu den Seychellen und ein Jahr später nach Mauritius bringen. Dazwischen schieben sich Aufenthalte an vertrauten Orten wie Paris, München, Magadino und Überlingen am nahen Bodensee, wo Liselotte Jünger ein Haus besitzt. Den Fall der Mauer am 9. November 1989 erlebt Jünger am häuslichen Fernsehgerät ; die Enkel Irina und Martin rufen aus Berlin an und berichten, dass sie auf der Mauer tanzten - eine Nachricht, die Jünger mit Glück erfüllt. Er habe, schreibt er im Tagebuch, immer an die Wiedervereinigung geglaubt. Und mahnt in Anspielung auf Kritiker der Einheit wie Oskar Lafontaine oder Günter Grass, man dürfe, wenn ein Bruder an die Tür klopft, nicht nach den Kosten fragen.
Während sich mit der Auflösung der Sowjetunion die politische Landkarte Europas neu ordnet, schreibt Jünger an einer philosophischen Schrift mit dem Titel »Die Schere«, die 1990 bei Klett-Cotta herauskommt. Die »Schere« ist ein aphoristisch verdichteter Text zu den Themen Zeit, Traum und Tod und ein eindrucksvolles Beispiel für den Weg, den Jünger von der dionysischen Bejahung des Schmerzes in seinem Frühwerk über den heroischen Versuch der Leidensakzeptanz im »Arbeiter« bis hin zu seiner platonischen Aufhebung im Alterswerk zurückgelegt hat.
Wenige Tage vor Jüngers 95. Geburtstag, am 21. März 1990, überrascht Bundeskanzler Kohl den Jubilar mit einem zweiten Besuch, zu dem er den spanischen Ministerpräsidenten Felipe Gonzáles mitbringt ; der Sozialdemokrat Gonzáles ist Jünger-Leser mit botanischen Neigungen. Von der Begegnung ist er so beeindruckt, daß er Jünger spontan zu einem Gegenbesuch nach Spanien einlädt. Seinen Geburtstag feiert Jünger auf Einladung der baden-württembergischen Regierung im Neuen Schloß und reist Anfang April mit Liselotte noch nach Bern, wo der deutsche Botschafter Wolfram Dufner eine Nachfeier für Jünger ausrichtet, zu der auch der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt und der Historiker Golo Mann kommen.
Noch einmal lenkt eine Medien-Kontroverse den Blick zurück auf Jüngers politische »Umstrittenheit«. Der Tübinger Rhetorikprofessor Walter Jens legt zu Jahresbeginn 1993 scharfen Protest gegen die Veröffentlichung von Tagebuchaufzeichnungen Jüngers in der Ostberliner Kulturzeitschrift »Sinn und Form« ein. Der Abdruck ist insofern bemerkenswert, als es sich um eine traditionsreiche Institution der untergegangenen DDR handelt. Jens, Präsident der Akdamie der Künste West, sieht in der Publikation das Symptom für einen angeblichen Rechtsruck im wiedervereinten Deutschland. Jünger stehe noch immer in der Tradition eines Antiliberalismus von rechts und sei in der Vergangenheit durch antisemitische Äußerungen aufgefallen. Der Schriftsteller Heiner Müller, Präsident der Akademie der Künste Ost, und eine Reihe weiterer Autoren verteidigen Ernst Jünger. Die Kontroverse spiegelt so auch das grundlegend veränderte Meinungsklima seit 1982, als man Jünger beim Goethepreis-Eklat aus dem linksintellektuellen Milieu heraus fast geschlossen angegriffen hatte.
Solch verspäteten Attacken stehen bedeutende wissenschaftliche Studien gegenüber, die Ernst Jünger in den Kontext der europäischen Moderne rücken, wie Karl Heinz Bohrers »Ästhetik des Schreckens« (1978) oder die monumentale Werkbiographie des Zürcher Journalisten Martin Meyer (1990). Meyer bedient sich bei der Auseinandersetzung mit Jünger der Vorstellung des Philosophen Hans Blumenberg, der konstatiert hatte, in der Moderne verschärfe sich der Gegensatz von »Lebenszeit« und »Weltzeit«. Je rascher das Vertraute vom unaufhaltsamen Wandel verschlungen werde, desto deutlicher zeige sich, daß »Sinn« vom Einzelnen nicht mehr zu Lebzeiten gewonnen werden könne. Er müsse erträumt, dichterisch beschworen und in Utopien vorausgeschaut werden. Jünger wird für Meyer dabei schon wegen seiner langen Lebensspanne zum idealen Zeugen dieser Bewußtseinskrise.
Die europäische Dimension von Jüngers Werk wird unterstrichen durch eine Auszeichnung, mit der gewöhnlich Politiker und Persönlichkeiten aus der Wirtschaft für ihre Verdienste um die europäische Einigung geehrt werden. Am 23. März 1993 erhält Jünger in Saulgau den von der Bonner Universität verliehenen Robert-Schuman-Preis. In seiner Dankesrede schaut Jünger zurück auf sein Manifest »Der Friede«, das er als seine »europäischste« Schrift betrachtet.
Es ist kein Zufall, daß ein anderer großer Europäer in diesen Jahren immer wieder die Nähe Jüngers sucht, mehrere Male zu ihm nach Wilflingen reist oder ihn als Ehrengast zu französisch-deutschen Versöhnungsfeiern lädt : Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand. Kurz nach der Verleihung des Robert-Schuman-Preises ist Jünger zum zweiten Mal nach 1984 bei Mitterrand im Élysée, der in seinem Stab auch den Jünger-Übersetzer Pierre Morel beschäftigt. Beim Abschied sagt der französische Präsident, in Frankreich wäre Ernst Jünger in die Akademie aufgenommen worden oder zum Feldmarschall aufgestiegen.
Auch der in Deutschland lebende französische Bildhauer Serge Mangin ist wie Mitterrand ein passionierter Jünger-Leser. 1990 bittet er den Fünfundneunzigjährigen, ihn porträtieren zu dürfen. Zwei Jahre vor Mangin hatte bereits der junge oberschwäbische Bildhauer Gerold Jäggle eine Jünger-Büste gescha en. Wie kaum ein anderer deutscher Autor von Rang ist Ernst Jünger immer wieder porträtiert worden, von Malern wie Werner Höll, Rudolf Schlichter, Oskar Kreibich, Hans-Jürgen Kallmann und André Ficus, dem Zeichner Horst Janssen und dem bekannten Fotografen Stefan Moses. Vor Jäggle und Mangin haben ihn bereits andere Bildhauer ff Bernd Günther, Arno Breker, Hans Wimmer, Wolf Ritz - in verschiedenen Lebensphasen porträtiert. Die beiden letzten Porträtisten haben den Vorteil, Jüngers Erscheinung gewissermaßen in der physiognomischen Vollendung abbilden zu können, in der äußersten geistigen Ausreifung, wie sie dem Uralter vorbehalten ist. Als Mangin die Arbeit an der Büste beendet hat, kommentiert Jünger dies mit den Worten : »Es war ein großer Tag. Er hatte mein gültiges Altersbild geschaffen.«
Die Wiedervereinigung macht Reisen nach Sachsen, wo die Eltern und der Bruder Hans bis zu ihrem Tod lebten, wieder ohne Schikanen möglich. Im Mai 1992 fahren Ernst und Liselotte Jünger nach Dresden, um von dort aus auch das Grab der Familie in Leisnig aufzusuchen. Der Tod und das Verhältnis zu den Toten sind eines der großen Themen der letzten drei Bände der Tagebücher, die unter dem Titel »Siebzig verweht « zwischen 1993 und 1997 herauskommen. Jünger, der seit Jahren »letzte Worte« Sterbender sammelt, ist geradezu besessen davon, Zeichen der Transzendenz aufzuspüren und seinen Lesern Belege zu liefern für die Existenz der »anderen Seite«. Als Hinweis, daß das Totenreich näher rückt, schildert Jünger in »Siebzig veweht V«, dem letzten Tagebuchband, den Tod von Freunden und Weggefährten und ihr Erscheinen in den Träumen. Der Kontakt zum J…


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