Errötende Mörder

Errötende Mörder

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783608937305
Untertitel:
Roman
Genre:
Erzählende Literatur & Romane
Autor:
Brigitte Kronauer
Herausgeber:
Klett-Cotta Literatur
Auflage:
1. Aufl. 2007
Anzahl Seiten:
334
Erscheinungsdatum:
2007
ISBN:
978-3-608-93730-5

Drei Helden, die einen heiklen Punkt in ihrer Vergangenheit haben, ein seelisches Desaster. Sie erzählen vom Mann, von der Frau und vom sich zuspitzenden Verhältnis der Generationen. Niemand, der hier nicht an einem bestimmten Punkt seines Lebens dem Tod begegnete.

Ein langes Wochenende in der Schweiz, mit Wandern und Lektüre ausgefüllt - so hat es sich der Kleinunternehmer Jobst Böhme aus Hamburg vorgenommen. Bald sitzt er auf einer Bank, unter den Himmeln der Bergwelt, und greift zum ersten der drei unveröffentlichten Manuskripte, die ihm ein befreundeter Schriftsteller mitgab. Doch schnell wird aus der Lesereise eine Odyssee in die Innenwelten dreier Figuren, eine Slalomfahrt durch die Psyche der Zeitgenossen.

Denn die Helden dieser drei Geschichten, sie haben alle einen heiklen Punkt in ihrer Vergangenheit, ein seelisches Desaster. Und deshalb einen schwer ergründbaren Schuldkomplex, der ihnen als dunkle Macht in den verschiedensten Verkleidungen begegnet. Böhme, zuerst nur mäßig interessiert, wird hineingezogen in gefährdete Lebensverläufe, in schlechte Trips. Und auch er selbst beginnt, die Begegnungen seiner Reise zu fürchten. Das Unterste seiner harmlosen Seele kehrt sich nach oben.

»Der andere aber erstarrte durch Jobsts unerwartete Drehung mitten in der Attacke. So standen sie.«


Vorwort
»Eine großartige deutschsprachige Autorin ...« Denis Scheck, Druckfrisch

Autorentext
Brigitte Kronauer, 1940 in Essen geboren, lebte als freie Schriftstellerin in Hamburg. Ihr schriftstellerisches Werk wurde unter anderem mit dem Fontane-Preis der Stadt Berlin, mit dem Heinrich-Böll-Preis, dem Hubert-Fichte-Preis der Stadt Hamburg, dem Joseph-Breitbach-Preis und dem Jean-Paul-Preis ausgezeichnet. 2005 wurde ihr von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung der Büchner-Preis verliehen. Brigitte Kronauer verstarb im Juli 2019.

Klappentext
Ein langes Wochenende in der Schweiz, mit Wandern und Lektüre ausgefüllt - so hat es sich der Kleinunternehmer Jobst Böhme aus Hamburg vorgenommen. Bald sitzt er auf einer Bank, unter den Himmeln der Bergwelt, und greift zum ersten der drei unveröffentlichten Manuskripte, die ihm ein befreundeter Schriftsteller mitgab. Doch schnell wird aus der Lesereise eine Odyssee in die Innenwelten dreier Figuren, eine Slalomfahrt durch die Psyche der Zeitgenossen. Denn die Helden dieser drei Geschichten, sie haben alle einen heiklen Punkt in ihrer Vergangenheit, ein seelisches Desaster. Und deshalb einen schwer ergründbaren Schuldkomplex, der ihnen als dunkle Macht in den verschiedensten Verkleidungen begegnet. Böhme, zuerst nur mäßig interessiert, wird hineingezogen in gefährdete Lebensverläufe, in schlechte Trips. Und auch er selbst beginnt, die Begegnungen seiner Reise zu fürchten. Das Unterste seiner harmlosen Seele kehrt sich nach oben. "Errötende Mörder" ist wohl das kompositorisch rasanteste Werk von Brigitte Kronauer. Tableaus werden vor uns aufgeschlagen, reich an Anspielungen auf unsere unmittelbarste Gegenwart. Sie erzählen von einem einsamen Sammler und einer Tourismus-Expertin auf Elba, vom Altern in unserer Gesellschaft. Niemand, der hier nicht an einem bestimmten Punkt seines Lebens dem Tod begegnete. So ist dieses Buch wie eine hell illuminierte Reise in die Dunkelheit. "Eine großartige deutschsprachige Autorin ..." Denis Scheck, Druckfrisch

Leseprobe
»Pappkameraden!« Vor allem durfte er sich nichts anmerken lassen. Es war nicht schlimm, solange die anderen nichts witterten. »Bis auf Natalja alles Pappkameraden. Und du, Böhme, du auch, du erst recht.« Er, Jobst Böhme, sah durch einen Spalt auf die Straße, die von seinem Geschäft aus leicht bergab zum Marktplatz führte. Seine Mutter hatte ihn vor bald einundvierzig Jahren unehelich in größter Verlegenheit zur Welt gebracht, als kleines Mädchen aber einstmals fröhlich in den Trümmern des Zweiten Weltkriegs ?Soldat auf Urlaub? mit einem Stock als Gewehr über der Schulter und ?Heimkehr aus dem Krieg? mit demselben Stock als Krücke gespielt, alles ohne größere Unglücke. Ihr Vater war, wie dessen Bruder, in der Nähe von Stalingrad vermutlich erfroren, vergilbte Todesangst, Todesfälle, von denen die Eltern der beiden Söhne nichts erfahren hatten, da sie zuvor in den Bombardierungen des Ruhrgebiets um gekommen waren, verbrannt, erstickt oder von Steinen erschlagen. Man besaß darüber keine Information oder erinnerte sich nicht mehr. Dem Urenkel dieser beiden, Jobst, gehörte im gut- und teilweise großbürgerlichen, etwas oberhalb des Stroms gelegenen Vorort einer norddeutschen Großstadt, in dem es seit einiger Zeit Mode oder gar Zwang geworden war, zu den Hochzeiten Feuerwerke zu veranstalten (»Feuerwerke am Fließband, es zischt und knallt das ganze Wochenende, sobald es dunkel wird. Die merken gar nicht, wie ordinär das ist«, lachte Jobst im privaten Kreis und schickte das Wort »großkotzig« etwas leiser hinterher), ein ?orierendes, nicht unelegantes Geschäft für Büroartikel und Anverwandtes. Da er durch Erbschaft Besitzer des Hauses war, mußte er keine ruinösen Mieterhöhungen befürchten. Ihn konnten die sich täglich vermehrenden Galgen der Immobilien?rmen, inzwischen fast vor jedem zweiten Haus und Gebäude, nicht schrecken. Nur glaubte er seit einiger Zeit, im Grunde ein Karton zu sein. Junge Familien, von zu Geld gekommenen Eltern unterstützt oder durch den Beruf des Ernährers auf der Seite der schnell reich Gewordenen, führten sich mit hochglänzend gekachelten Terrassenanlagen und schematischen Säulenportalen auf, wie zu allem entschlossene, dem gemeinen Volk rechtmäßig entrückte Kleinfürsten. Man konnte zusehen, wie der Gegend ziemlich unvorteilhaft der Kamm schwoll. Jobst hatte das überraschend Geerbte mit kaufmännischem Geschick, mit wirklich überdurchschnittlichem Geschäftssinn genutzt. Ob ein gefüllter oder ungefüllter Karton, schien ziemlich gleichgültig. Er war zäh, gelenkig, ohne Größenwahn, ohne unmittelbare Konkurrenz und verläßlich zuvorkommend, was seinen Kunden im Zusammenhang mit einer Ladentheke als die schönste Form von Menschlichkeit erschien. »Pappwände, alles Pappkameraden«, sagte er sich, hörte es sich sogar laut aussprechen. Sein Gefühl war bräunlich. Dunkelocker? Asphalt? Nach zehnjähriger Ehe stand er unmittelbar vor der Scheidung von seiner Frau Ellen und vor einer ganz frischen Heirat, bei der es vermutlich ebenfalls nicht ohne Feuerwerk abgehen würde. Wenn er an Ellen zurückdachte, um seinen Entschluß ein letztes Mal zu überprüfen, ?el ihm nichts so prompt und abschreckend ein wie das Abspreizen ihrer kleinen Finger von der übrigen Hand, rechts wie links, so, als wäre sie heimlich zu Höherem erwählt, egal, ob sie Geschenkpapier verkaufte, einen Braten pfefferte oder an seinem Körper mal fraulich, mal hausfraulich herumstreichelte. In Wahrheit sah er gar nicht aus wie ein Karton, überhaupt nicht! Seine Freundin Natalja, eine junge Russin, vernarrt in Porzellan- und Stoffpuppen, ahnte nichts von diesen Flausen, hätte wohl runde Augen dazu gemacht und ihn in die Ohren gekniffen. Sie half bei ihm aus, bezaubernd, energisch, ein Gewinn für das Geschäft. Auch, vielmehr gerade, als seine Frau das nicht mehr mit ansehen wollte und sich zuerst vom Publikumsverkehr, dann von ihm, Böhme, zurückgezogen hatte, ging es blühend weiter mit Natalja und dem Umsatz. Ihr Vater, in Petersburg geboren, wie Natalja im mittlerweile dreihundertjährigen Sankt Petersburg, zwischendurch Leningrad, gebürtig, betrieb in einem anderen Stadtteil eine kleine Polsterwerkstatt, befestigte aber auch Gardinenstangen, tapezierte Wohnzimmer und reparierte Gartenzäune, machte eigentlich alles. Nataljas erster Freund im Westen war ein Key Account Manager gewesen oder Global Industry Manager. Sie verwechselte das gelegentlich und schlug sich dann schulmädchenhaft auf den Mund, wa…


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