Peter Szondi

Peter Szondi

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593512228
Untertitel:
Eine intellektuelle Biographie
Genre:
Allgemeine & vergleichende Literaturwissenschaft
Autor:
Hans-Christian Riechers
Herausgeber:
Campus
Anzahl Seiten:
281
Erscheinungsdatum:
16.01.2020
ISBN:
978-3-593-51222-8

Peter Szondi genießt in der Intellektuellengeschichte der Nachkriegszeit den Status einer Legende. Er ist einer der einflussreichsten Literaturwissenschaftler dieser Jahrzehnte und hat weit darüber hinaus gewirkt. Nicht nur seine bahnbrechenden Studien, sondern auch seine Freundschaft zu Theodor W. Adorno, Gershom Scholem, Paul Celan, Jacques Derrida und anderen, seine Geschichte als Shoah-Überlebender, sein Engagement im West-Berlin der Sechzigerjahre, seine intellektuelle Verve, sein dezentes und doch charismatisches Auftreten haben dazu beigetragen. Dieses Buch unternimmt den Versuch, Leben, Werk und intellektuelle Wirkung Szondis zusammenzuführen. Ausgewählt für die Shortlist des Opus Primum Förderpreis der VolkswagenStiftung für die beste Nachwuchspublikation des Jahres 2020

»Riechers kann schreiben und hat vor allem ein Gespür für die historische Person und ihre Umgebungen. Dem Autor gelingt es vortrefflich, zu verdeutlichen, warum Szondi ein Phänomen war und eine Schlüsselfigur, um Kultur und Gesellschaft der Fünfziger- und Sechzigerjahre in der Bundesrepublik zu erhellen.« Jörg Später, Süddeutsche Zeitung, 04.06.2020 »Riechers' überzeugende Lesart, Szondis Werk als Engführung von Kritischer Theorie, Hermeneutik und Strukturalismus zu verstehen, verdeutlicht gerade vor dem Hintergrund der methodenpluralistisch zerfallenden Literaturwissenschaft der siebziger Jahre dessen Bedeutung für ein erkenntniskritisches Wissenschaftsverständnis weit über die Philologie hinaus.« Annette Wolf, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.06.2020 »In der intellektuellen Biographie versucht Hans-Christian Riechers nun eine erklärende Verbindung herzustellen zwischen dem Menschen Peter Szondi und dessen literaturtheoretischen Texten. Das funktioniert und betont die tragische Engführung zwischen Leben und Werk.« Katrin Diehl, Jüdische Allgemeine, 26.07.2020 »Riechers Szondi-Biografie [] sei zu lesen anempfohlen, weil sie in einer eleganten Wissenschaftsprosa ungelöste Probleme des vergangenen Jahrhunderts vergegenwärtigt und so ein wertvoller Beitrag auch zu aktuellen Debatten sein kann.« Jan Kuhlbrodt, Signaturen, 31.07.2020 »Riechers gut lesbare, nicht selten urteilsstarke Darstellung lohnt sich schließlich gerade für solche Leser, die sich für Entstehung und Potentiale literaturwissenschaftlicher Werke interessieren.« Mike Rottmann, Geschichte der Philologien, 57/58 2020

Autorentext
Hans-Christian Riechers ist Germanist an der Universität Freiburg.

Leseprobe
Die Tätigkeit des Erkennens besteht darin, sich selbst zu entwirren, so wie ein Mensch, der immerfort erwachte und immerfort versuchte, sich aus der Verklammerung seiner Glieder und aus dem Befangensein in frühere Wahrnehmungen zu befreien. Aber manche scheinen sich lieber noch mehr zu verwirren. Ein Mensch ist unendlich viel komplexer als sein Denken. Paul Valéry, Windstriche Einleitung Wissenschaftsgeschichte Die Faszinationsgeschichte, die sich mit Peter Szondi verbindet, mag so viele verschiedene Gründe haben wie seine Schriften Leserinnen und Leser. Aber im Zentrum dieser Faszinationsgeschichte stehen Person und Text. Die Szondi-Forschung entspringt daher sowohl aus dem wissenschaftlichen Interesse als auch aus dem persönlichen Gedenken. Möglich ist sie von vornherein vor allem durch die in wenigen Jahren nach Szondis Tod erstellte Werkausgabe, den beiden Bänden der Schriften und der Studienausgabe der Vorlesungen in fünf Bänden. Diese von Szondis Freund Jean Bollack in Verbindung mit einigen von Szondis Studierenden hergestellte Ausgabe hat Szondis Werke kanonisiert und für den wissenschaftlichen Zugang erschlossen. Ebenso wie diese Edition trägt auch die erste Tagung, die sich Peter Szondi widmet, das Doppelmotiv, seiner zu gedenken und wissenschaftlich an ihn anzuknüpfen. Sie findet im Juni 1979 in Paris unter dem Titel L'acte critique statt. Damit zeitgleich tritt aber auch eine vom unmittelbaren persönlichen Umkreis unabhängige Forschung zutage, die sich der Frage nach einer »materialen Hermeneutik« widmet. Die an Szondi explizit oder implizit anschließenden Arbeiten, wie diejenigen aus dem Studierendenkreis um Szondi, aber auch die vielen sich auf Szondi beziehenden Arbeiten in der Hölderlin-, Benjamin- und Celan-Forschung, in der Forschungsliteratur zur modernen Hermeneutik und zum modernen Drama, bedürfen hier keiner eingehenden Aufzählung. Anderes gilt für die Forschung, die sich Szondi als Gegenstand widmet. Schon 1987 veröffentlicht Thomas Sparr einen biographischen Essay zu Szondi und formuliert dabei die Leitlinie, dass angesichts der spärlichen persönlichen Zeugnisse »die Sedimente eines Lebens, über das wir kaum etwas wissen, in seinen Schriften [zu] suchen« seien. Erst mit der Veröffentlichung der Briefe Szondis 1993 nimmt eine dezidiert an der Persönlichkeitsgeschichte Szondis interessierte Forschung Fahrt auf. Dazu tragen auch weitere Veröffentlichungen wie der ebenfalls von Christoph König edierte Briefwechsel Szondis mit Paul Celan sowie der weniger umfangreiche mit Hilde Domin, herausgegeben von Andreas Isenschmid, bei. 2004/5 sorgt dann die Marbacher (und im Anschluss Berliner) Ausstellung über Peter Szondi nicht nur für ein großes Medienecho, sondern stößt auch eine neue Reihe von Tagungen an, die sich bis heute Peter Szondi widmen (in Marbach, Berlin, Princeton, Osnabrück, Jerusalem, Veszprém). Der Marbacher Band Engführungen stellt einen ersten Schritt hin auf eine intellektuelle Biographie Szondis dar. Die Zahl der Einzelbeiträge zu Szondi ist seither rasch angewachsen; kleinere Publikationen aus dem Nachlass sind hinzugetreten. In der neueren Einführungsliteratur der Literaturwissenschaft tritt Szondi als kanonischer Autor auf. Das Institutsjubiläum des inzwischen als Peter-Szondi-Institut firmierenden Seminars für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (2015) stellt sich programmatisch unter den Titel Nach Szondi. Die Leitlinie, dass die Sedimente von Szondis Leben in seinen Schriften zu suchen seien, verliert durch die inzwischen zugänglichen persönlichen Dokumente nicht an Gültigkeit. Denn wenn auch die biographische Person so in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt, ist Szondi doch auch ein Autor, dessen Selbstreflexion in seinen Schriften stattfindet. Kurzschlüsse zwischen Autor und Text, die einen unmittelbaren Zusammenhang konstruieren, sind zwar zu vermeiden. Ebenso wenig kann aber davon ausgegangen werden, dass der Text unabhängig von seinem Autor zu lesen sei. Daher stellt sich die Frage, wie der konkrete Vermittlungszusammenhang aussieht zwischen den interpretatorischen und interpretationstheoretischen (bzw. hermeneutischen) Texten Szondis und den historischen Erfahrungen, die der Autor Szondi sehr bewusst mit sich und bis hinein in die Texte trägt. Szondi selbst stellt diesen Zusammenhang in der für ihn typischen sentenziösen Prägnanz so dar: »Wahre Objektivität ist an Subjektivität gebunden.« (S II: 290) Vermittlungen können als Strukturanalogien in Erscheinung treten oder als methodische Reflexionen, sie sind in jedem Fall Folgen eines Verdikts, dem nämlich der unmittelbaren Selbstaussage im Text. Dieses Axiom des Schreibens ist für Szondi so grundlegend, dass es mit der wissenschaftlichen Konvention nicht allein erklärt werden kann. Manfred Frank, einer derjenigen, die Szondis wissenschaftlichen Ansatz in eigener Weise fortgeführt haben, erblickt in dieser Eigenschaft von Szondis Schriften einen Abschein der »Aphasie« der Nachkriegszeit. Das mag ungewöhnlich klingen angesichts der vielen öffentlichen Stellungnahmen in Zeitungen und Rundfunk, für die Szondi bekannt ist und in denen er als präsentes politisches Subjekt die Stimme erhebt. Was hätte er zu tun mit jenen, denen er in aller Öffentlichkeit ein Bekenntnis zur »schrecklichen Vergangenheit« abverlangt? Aber Frank trifft doch etwas an der Subtilität von Szondis Essaystil, der sich weder bei der Selbstaussprache noch bei der einfachen Identifikation mit…


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