Die belagerte Stadt

Die belagerte Stadt

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783593510378
Untertitel:
Alltag und Gewalt im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740-1748)
Genre:
20. Jahrhundert (bis 1945)
Autor:
Sven Petersen
Herausgeber:
Campus
Anzahl Seiten:
488
Erscheinungsdatum:
15.09.2019
ISBN:
978-3-593-51037-8

Belagerungen waren eine der zentralen Praktiken der Kriegsführung in der Frühen Neuzeit. Sie betrafen Städte und Festungen, prägten den Alltag in den betroffenen Orten und konfrontierten Soldaten und Einwohner mit militärischer Gewalt. Dennoch wurde das Phänomen in der Forschung bislang vernachlässigt. Anhand von fünf Schauplätzen des Österreichischen Erbfolgekrieges (1740 - 1748) - Prag, Freiburg im Breisgau, Louisbourg, Bergen op Zoom und Pondicherry - zeigt das Buch nicht nur die Ausprägungen der Belagerungen in Europa, Nordamerika und Indien, sondern auch die Hochphasen eines sich immer weiter global ausdehnenden Krieges im 18. Jahrhundert.

»Die Stärke der Studie liegt in der umfassenden Perspektive auf Belagerungen als zentrales Phänomen des Österreichischen Erbfolgekrieges und zeigt dessen Vielschichtigkeit auf. Durch die Vorgehensweise wird das Thema ausgezeichnet in den Kontext der Epoche eingebettet, was es allgemein für die Frühneuzeitforschung relevant macht.« Leonard Dorn, Sehepunkte, 15.05.2021

Autorentext
Sven Petersen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Göttingen.

Leseprobe
1. Einleitung 1.1. Belagerungen im 18. Jahrhundert 1740: Das »Epochenjahr« Als Friedrich Wilhelm I., König in Preußen und Kurfürst von Brandenburg am 31. Mai 1740 verstarb, bedeutete dies den Herrscherwechsel in einem der größeren Fürstenhäuser des Alten Reichs. Die Hohenzollerndynastie stellte den brandenburgischen Kurfürsten, war allerdings nur eine von mehreren mittleren Mächten in Europa, ihr Territorium zersplittert und die männliche Thronfolge gesichert. Gesamteuropäische Ambitionen schienen sie nicht zu verfolgen. Dennoch beginnt mit dem Tod Friedrich Wilhelms I. in ein Verkettung von Ereignissen, die Heinz Duchhardt 250 Jahre später von einem »Epochenjahr« sprechen lässt. Friedrich II. erbte neben dem Thron und der Kurwürde eine überproportionierte und gut ausgebildete Armee von ca. 80.000 Soldaten. Ergänzt wurde der Nachlass um einen Staatsschatz im Umfang von mehreren Millionen Talern. Wenige Monate später ereignete sich in Wien ein weiterer Todesfall. Dieses Mal von gesamteuropäischer Brisanz: Am 20. Oktober verstarb Kaiser Karl VI., der letzte männliche Habsburger. Seine Tochter, Maria Theresia, wurde im Einklang mit der Pragmatischen Sanktion, zur Regentin der Donaumonarchie. Das Jahr endete mit dem Überfall Friedrichs II. auf die habsburgische Provinz Schlesien und markiert mit dem 16. Dezember 1740 den Beginn des Ersten Schlesischen Krieges, der zum Österreichischen Erbfolgekrieg führte und in diesem aufging: 1740 war ein Epochenjahr. Sowohl die Garnisonen in Schlesien als auch die Wiener Hofburg selbst wurden von Umfang, Ort und Zeitpunkt des preußischen Angriffs unvorbereitet getroffen. Bereits wenige Wochen nach dem Einmarsch waren weite Teile der Provinz unter preußischer Kontrolle. Zudem weckte die Schwäche der Habsburger Begehrlichkeiten in anderen Fürstenhäusern. August III., König von Polen und Kurfürst von Sachsen, sowie Karl Albrecht, Kurfürst von Bayern, erkannten die Pragmatische Sanktion nicht oder nur nominell an. Beide waren mit Töchtern Kaiser Josephs I., des Bruders und Vorgängers Karls VI., verheiratet, erhoben eigene Erbansprüche und wollten ihre dynastische Position im europäischen Mächtesystem ausbauen. Sie begriffen die Herrschaft Maria Theresias als illegitim; ein Argument, das durch die offene Rechtsnachfolge des Kaisers verstärkt wurde. Gleichzeitig hofften weitere Rivalen der Habsburger Vorteile aus der Situation ziehen zu können. Der spanische König Philipp V. strebte nach Territorien in Norditalien und der französische König Ludwig XV. sah im Tod Karls VI. die Möglichkeit zu einer »Deklassierung des alten habsburgischen Erbfeindes«. Durch die Macht des Moments getrieben forcierten die Berater Ludwigs XV. ab Frühjahr 1741 den Zusammenschluss zu einem antihabsburgischen Bündnis. Frankreich, Spanien, Kurbayern und Preußen stellten sich mit dem Vertrag von Nymphenburg (28. Mai) gemeinsam gegen Maria Theresia. Wenige Tage darauf, am 5. Juni, ratifizierten Preußen und Frankreich zusätzlich ein Verteidigungsabkommen. August III. trat im September den Mächten des Nymphenburger Vertrags bei, um ebenfalls von der Auseinandersetzung zu profitieren. Mit jedem dieser Schritte dynamisierte sich der Krieg. Das regionale Arrondierungsvorhaben Friedrichs II. entwickelte sich zu einem gesamteuropäischen Konflikt. Die Interessen der Parteien blieben allerdings individuell, sodass die Allianz von Nymphenburg zwar gegen einen gemeinsamen Gegner, nicht jedoch auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet war. Diesen Umstand nutzten britische Diplomaten. Zur Wahrung des Gleichgewichts der Mächte setzten sich die Briten ab Sommer 1741 zunehmend für Maria Theresia ein und übernahmen die Rolle des Vermittlers mit Friedrich II. In diesem Kontext avancierten die preußische Belagerung und Eroberung der Festung Neisse im Herbst 1741 zu einem Streitthema zwischen den Kriegsparteien. Das Problem der Wahrnehmung: Neisse 1741 Kämpfe um befestigte Städte, Festungen und feste Orte waren eine der zentralen militärischen Konfrontationsformen in den Kriegen der Frühen Neuzeit. Ihre Ausbreitung folgte den Verkehrswegen des Kontinents, in ihrer Umsetzung entsprachen sie in ihrer zeitlichen und räumlichen Ausdehnung der eingeschränkten Mobilität vormoderner Heere. Mit ihrer Entfaltung bildeten Belagerungen das ständisch-repräsentative Streben nach geordneter Langsamkeit ab. Mit ihrer kontinuierlichen Ausweitung und mehrmonatigen Dauer waren sie bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts komprimierte Abbilder des europäischen Kriegswesens ihrer Zeit. Auch Friedrich II. griff nach seinem Überfall auf Schlesien gezwungenermaßen auf die Praxis des Belagerungskrieges zurück. In rascher Folge war die Armee des jungen Herrschers mit der Eroberung zahlreicher Festungen und Städte, zunächst in Schlesien, später in Böhmen und Mähren, konfrontiert. In diesem Rahmen konnten Belagerungen neben ihrer militärischen Umsetzung eine politische Komponente entwickeln. Die am 9. Oktober 1741 als Ergebnis britischer Mediation geschlossene Konvention von Klein-Schnellendorf sah einen Waffenstillstand zwischen Preußen und Österreich vor. Der britische Gesandte im Lager Friedrichs, John Carmichael, 3. Earl of Hyndford, hielt in einem Schreiben an Sir Thomas Robinson, den Unterhändler im österreichischen Lager, fest: »[Gegen Waffenstillstand und Annexion Schlesiens, S.P.] werden wir nicht weiter gehen. Wir belegen Neisse zum Schein. Der Commandant wird sich ergeben und abziehen. Wir werden in Ruhe die Winter-Quartiere nehmen und sie können ihre Armee hinführen wohin sie wollen. Das Alles muss in zwölf Tagen beendet sein«. Das Unternehmen wurde den vereinbarten Punkten entsprechend ausgeführt und Neisse am 1. November von den Preußen besetzt, wie Generalmajor von Dewitz in seinem Tagebuch kommentiert. Zur glaubhaften Inszenierung der Belagerung wurden Gräben ausgehoben, Stellungen angelegt und Neisse mehrfach beschossen. Sollte die Festung publikumswirksam »zum Schein« belagert werden, wie es der britische Gesandte versprach, so scheint im Europa des mittleren 18. Jahrhunderts Konsens darüber geherrscht zu haben, was eine Belagerung ausmachte; eine Vermutung, die bereits einer oberflächlichen Betrachtung nicht standhält. Die Diplomaten und Militärs versuchten jedoch sich einen Umstand zunutze zu machen, der von Zeitgenossen mit Belagerungen assoziiert wurde. Waren die Kämpfe aus der Ferne unsichtbar, so waren sie zumindest hörbar. Die in der Absprache zutage tretende Vorstellung einer Belagerung kann daher als »Black Box« beschrieben werden: eine Handlung, die so etabliert ist, dass sie zum Verständnis nicht länger ausführlich beschrieben werden muss. Obwohl sich im Rahmen der Verhandlungen um Neisse alle Beteiligten auf strikte Geheimhaltung verpflichteten, erkannten Ludwig XV. und Karl Albrecht in der Umsetzung des preußischen Unt…


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