Zwischen Grundgesetz und Scharia

Zwischen Grundgesetz und Scharia

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593509891
Untertitel:
Der lange Weg des Islam nach Deutschland
Genre:
Religions-Lexika
Autor:
Rudolf Steinberg
Herausgeber:
Campus
Anzahl Seiten:
310
Erscheinungsdatum:
08.11.2018
ISBN:
978-3-593-50989-1

In Deutschland sind viele klischeehafte Vorstellungen über die Scharia verbreitet. Das gilt auch für die angebliche Unvereinbarkeit von Demokratie und Islam oder die vorgebliche Neigung des Islam zur Gewalt. Rudolf Steinberg unterzieht diese Annahmen einer kritischen Betrachtung und fragt nach der institutionellen Verortung eines deutschen Islam. Er führt in einer tour d'horizon sachlich und differenziert durch die aktuellen juristischen und politischen Diskussionen. Denn "die" Scharia gibt es ebenso wenig wie "den" Islam.

Autorentext
Rudolf Steinberg ist emeritierter Professor für öffentliches Recht an der Universität Frankfurt am Main und Universitätspräsident a.D.

Leseprobe
I. Einleitung "Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland." Christian Wulff wird mit keiner seiner Äußerungen als Bundespräsident mehr in Erinnerung bleiben als mit diesem Satz, den er bei seiner Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2010 in Bremen geäußert und den auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederholt hat. Dabei verwundert die Aufmerksamkeit, die dieser Satz hervorgerufen hat. Denn bereits vier Jahre vorher hatte der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble bei seiner Regierungserklärung zur Deutschen Islamkonferenz vor dem Deutschen Bundestag am 28. September 2006 noch schärfer formuliert: "Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas, er ist Teil unserer Gegenwart und er ist Teil unserer Zukunft." Der Satz des Bundespräsidenten wird von vielen immer wieder infrage gestellt. Kritisch positionierte sich auch der Leitantrag der CSU, "Politischer Islam", zum Parteitag im November 2016. Man müsse sich mit dem Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" auseinandersetzen, um einer Selbstrelativierung unserer eigenen Kultur und Werte entgegenzutreten: "Wenn damit nur gesagt werden soll, dass Muslime in Deutschland leben, ist er trivial und überflüssig. Wenn damit mehr gesagt werden soll, ist er falsch: Der Islam hat Deutschland weder historisch noch kulturell geprägt und ist auch nicht identitätsstiftend für unsere Gesellschaft. In diesem Sinn gehört der Islam nicht zu Deutschland. Stattdessen befördert der Satz die Selbstrelativierung unserer kulturellen Identität und kann als Einladung an den Politischen Islam missverstanden werden, in Deutschland unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit Dinge für sich zu beanspruchen, die nicht im Einklang mit unserer Verfassung und unserer Leitkultur stehen. In diesem Sinne ist der Satz Der Islam gehört zu Deutschland ebenso falsch wie gefährlich." Dennoch überrascht es ein wenig, dass der frisch ernannte Bundesinnenminister Horst Seehofer im März 2018 in der Bildzeitung betonte: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", und sich damit in Widerspruch setzte zur Position der Kanzlerin und seiner beiden Vorgänger als Innenminister. 1. Muslime in Deutschland und "die Angst der Anderen" Bestimmte Tatsachen sind allerdings kaum zu bezweifeln. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lebten in unserem Land Ende 2015 zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Menschen muslimischen Glaubens. Rund ein Viertel von ihnen sind als Flüchtlinge vor allem aus dem Nahen Osten erst seit 2011 nach Deutschland gekommen, sodass diese Gruppe mit 17,1 Prozent mittlerweile zu der zweitgrößten Herkunftsgruppe der Muslime geworden ist und der Anteil der Muslime mit türkischen Wurzeln auf rund die Hälfte zurückgegangen ist. Die Muslime in Deutschland machen insgesamt einen Bevölkerungsanteil von circa 5,4 bis 5,7 Prozent aus. Davon besitzen 50 Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit. Diese Zahl wird weiter ansteigen: zum einen durch die weitere Zunahme von Zuwanderern mit muslimischer Religionszugehörigkeit aus arabischen und afrikanischen Ländern sowie dem Iran, aber auch aus den muslimischen Teilen des Balkans; zum anderen durch die höhere Geburtenrate der muslimischen Bevölkerung, die wohl vor allem ethnische und soziale Gründe hat. Gerade diese Zunahme des muslimischen Bevölkerungsteils in Deutschland erweckt erhebliche Ängste, die hier genauso wie in Frankreich durch rechtspopulistische und rechtsradikale Stimmen angeheizt werden. Gegen die Gleichsetzung von "geborenen" Muslimen mit beitragszahlenden Kirchenmitgliedern wendet sich der Religions- und Politikwissenschaftler Michael Blume. Er sieht einen "stillen Rückzug" vieler Muslime, die religiöse Praktiken wie die täglichen Gebete oder den Moscheebesuch aufgegeben hätten. Dieser Rückzug erfolge zum einen deshalb "still", weil er - anders als beim Kirchenaustritt in Deutschland - keine offene Willenserklärung erfordere, zum anderen, um die negativen Reaktionen zu vermeiden, die eine Abkehr vom Islam und erst recht ein "Coming-out" als Atheist bei vielen Muslimen auslöse. Auch wenn die Reaktionen in den westlichen Ländern nicht dieselbe Drastik aufweisen wie in überwiegend muslimischen Ländern wie Pakistan, so gibt es negative Folgen auch hier. "In bestimmten Familien macht es größere Probleme, sich als Atheist denn als Homosexueller zu bekennen", betont der französische Soziologe Houssame Bentabet, der seit 2014 an einem Forschungsprojekt über den Abfall vom Glauben bei den Muslimen in Frankreich arbeitet. Die Situation wird in Deutschland kaum anders sein. Blume zufolge gehören allenfalls 15 bis 20 Prozent der "Muslime" einem religiösen Verband an. Und unter Hinweis auf Forschungsergebnisse einer emnid-Befragung 2016 im Auftrag einer Forschergruppe der Universität Münster vermutet er, dass die Angaben über die hohe Religiosität insbesondere auch von Muslimen, die in Deutschland geboren seien, nicht wirklich Ausdruck ihrer "tatsächlich gelebten Religiosität", sondern ein demonstratives Bekenntnis zur eigenen kulturellen Herkunft seien. All dies widerspreche den oftmals geäußerten Ängsten einer "fortschreitenden Islamisierung" des Landes. Dennoch: Ihre Zugehörigkeit zum Islam lassen die Muslime vielfach in ihrer Lebensgestaltung und vor allem ihrer Kleidung auch in der Öffentlichkeit sichtbar werden. Es existieren mehr als 2.500 Moscheen mit ihren Imamen, es gibt zahlreiche muslimische Vereinigungen. Gläubige, die sich zum Islam bekennen, stellen mittlerweile die drittgrößte religiöse Gruppierung in Deutschland dar, nach den Katholiken und den Protestanten. Christliche Kirchen und muslimische Religionsgemeinschaften zeichnen sich dabei durch gegenläufige Bewegungen aus: Auf der einen Seite scheint der religiöse Eifer der christlichen Mitbürger in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer schwächer geworden zu sein. Dies belegt die rückläufige Zahl der Kirchenbesucher ebenso wie die wachsende Zahl von Austritten. Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach zieht daraus den Schluss, dass sich das Christentum seit Jahrzehnten nach und nach aus dem Leben der Deutschen verabschiede. Eine "dramatische Entkirchlichung" in Deutschland belegen auch die Untersuchungen von Detlef Pollack und Gergely Rosta. Die Zahl der Konfessionslosen übersteigt deutlich die der Katholiken und der Protestanten. Umgekehrt steigt die Religiosität gerade bei den Muslimen der zweiten oder dritten Einwanderergeneration, ungeachtet der Frage nach dem wirklichen Grad ihrer Religiosität. So besitzen laut dem Religionsmonitor 2013 der Bertelsmann-Stiftung die Muslime die sta?rkste religio?se Identita?t: Fast 40 Prozent von ihnen stufen sich als sehr religio?s ein und fast 90 Prozent halten die Religion fu?r "eher" oder "sehr" wichtig. Bei den Katholiken halten lediglich 65 Prozent und bei den Evangelischen 58 Prozent die Religion fu?r wichtig. Doch scheint gerade diese Diskrepanz das Bewusstsein der Deutschen für die christlichen Wurzeln geschärft zu haben: 56 Prozent stimmen der Ansicht zu, wonach Deutschland ein christliches Land sei und dies auch …


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