Beute und Conquista

Beute und Conquista

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593509532
Untertitel:
Die politische Ökonomie der Eroberung Neuspaniens
Genre:
Neuzeit bis 1918
Autor:
Vitus Huber
Herausgeber:
Campus
Anzahl Seiten:
432
Erscheinungsdatum:
30.09.2018
ISBN:
978-3-593-50953-2

Der welthistorische Vorgang der Eroberung Amerikas fasziniert heute noch. Wie er organisiert war und welchen Dynamiken er folgte, wurde aber bislang nicht hinreichend erforscht. Vitus Huber nimmt die Verflechtung politischer und ökonomischer Anreiz- und Belohnungsschemata in den Blick und analysiert, wie Beute und ihre Verteilung die diversen Akteure, Institutionen und Praktiken der "Conquista" beeinflussten und welche Rolle hier das Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit spielte. So zeigt diese Studie, wie Beute und Verwaltung, Gewaltökonomien und Staatsbildungsprozesse bei der "Conquista" in verblüffender Weise zusammenhingen. Mehr noch: Diese Zusammenhänge formten nicht nur die Eroberung Amerikas, sondern begründeten zudem ein über 300 Jahre währendes Kolonialreich.

»Hubers präzise Forschungsstudie zeigt, dass auch die Belohnungsschemata ein großer Faktor für den Beginn und die Aufrechterhaltung der Eroberung waren.« Zeitschrift für Historische Forschung, 19.08.2019 »Insgesamt kann man Hubers Werk als höchst gelungenen und überzeugenden Beitrag zur Erforschung der Conquista betrachten, das nach der jahrzehntelangen Dominanz narrativer und metanarrativer Betrachtungen einen wichtigen Impuls für mikroökomische Perspektiven liefert. Huber verbindet zudem theoriegeleitete Ansätze in ausgewogenem Maß mit einer quellendominierten und klar auf ein historisches Phänomen ausgerichteten Darstellung.« Werner Stangl, H-Soz-Kult, 24.03.2020 »It is probably the most profound study to date of the economy of booty, not only in the Spanish empire but also beyond, in the Western and even the Muslim world.« Stefan Rinke, The Americas, 2020 »Insgesamt legt Huber eine beeindruckende und wegweisende Studie vor, die für die künftige Forschung Maßstäbe setzt.« Daniel Damler, Historische Zeitschrift, Band 310 / 2020 »Huber hat () eine erkenntnisreiche Studie zu einem zentralen Vorgang der Weltgeschichte vorgelegt.« Damien Tricoire, Traverse, 2020

Autorentext
Vitus Huber, Dr. phil., war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität München; derzeit ist er Feodor Lynen-Forschungsstipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Università degli Studi di Padova.

Leseprobe
Einleitung Das Bild aus der Descripción de Tlaxcala des Mestizen Diego Muñoz Camargo zeigt die beiden bekanntesten Generalkapitäne der Conquista: Francisco Pizarro und Hernán Cortés (vgl. Abb.?1). Neben ihnen knien ein Inka und die berühmte Nahua-Übersetzerin Malinche. Um die vier Personen herum liegen Reichtümer der Neuen Welt: Goldbarren und Silbermünzen, diverse Behälter und bestickte Tücher. Über den Köpfen der Generalkapitäne steht: "Cortés offeriert Neuspanien" und "Pizarro offeriert Peru". Daraus lässt sich schließen, dass die beiden Konquistadoren dem nicht abgebildeten König Karl?V. (1516-56) die Herrschaft über die eroberten Reiche, inklusive der materiellen und personellen Ressourcen anbieten. Die fiktive Szene stellt dar, wie Cortés und Pizarro ihre Eroberungserfolge dem König als Dienst ostentativ überreichten. Es handelt sich insofern um eine typische Darstellung der Conquista, als auf die prominentesten Figuren fokussiert wird, den Indigenen eine untergeordnete Rolle zugeschrieben wird und die materiellen Schätze hervorgehoben werden. Die Darstellung lässt jedoch wichtige Aspekte aus, darunter die selbstständige Handlungsfähigkeit (agency) der Indigenen sowie die zahlreichen weiteren Akteure, Ebenen und Verteilprozesse der Eroberung. Deren Besonderheit gründet unter anderem darin, dass die Konquistadoren sich nicht als reguläre königliche Armee organisierten. Sie waren weder Soldaten noch Söldner mit einem festgelegten Sold, sondern relativ spontan zusammengestellte Gruppen junger Männer, die teils aus dem Kleinadel, hauptsächlich aber aus den mittleren Gesellschaftsschichten stammten. Sie unterstellten sich einem Anführer, dem die spanische Krone erlaubt hatte, einen Entdeckungs- und/oder Eroberungszug auszurüsten und durchzuführen. Die nötigen Mittel dazu mussten die Teilnehmer selbst in die Beutegemeinschaft einbringen. Als Belohnung für ihre Leistung, die sich an den beigesteuerten Leuten, Waffen, Tieren oder auch Schiffen und Nahrungsmitteln bemaß, hatten sie Anspruch auf einen Teil aus der Beute. Diesen teilte ihnen der Anführer in einem ersten Schritt unmittelbar zu, wobei der Krone in der Regel ein Fünftel zustand. In einem zweiten, mittelbaren Belohnungsvorgang supplizierten die Konquistadoren bei der Krone um Privilegien, Titel und Ehren. Aus ihren dazu verfassten Dienst- und Verdienstberichten (informaciones de méritos y servicios) sowie aus weiteren Quellen geht hervor, dass sie von der Krone erwarteten, für ihre Leistungen belohnt zu werden. Unter diesen Vorzeichen liest sich dieses Bild nicht nur als Demonstration von Diensten qua Beute, sondern auch als Supplikation um mittelbare Belohnungen. Berücksichtigt man den Entstehungskontext der Zeichnung, wird eine Ebene erkennbar, die nicht illustriert ist: Muñoz Camargo widmete diese Beschreibung von Tlaxcala nämlich Philipp II. (1556-98) und überbrachte sie ihm 1585 in einer Gesandtschaft, die beim König um Privilegien für den Stadtstaat Tlaxcala bat. Das Bild war somit selbst Teil einer Ostentation von Leistung, die auf königliche Gnadenerweise zielte und sich nur im Rahmen dieser bemerkenswerten gestaffelten Belohnungslogik der spanischen Expansion erklären lässt. Das führt zur Frage nach dem Einfluss der Beute auf die Conquista. Wie formte die Beute diesen welthistorischen Vorgang? Die Antwort gestaltet sich komplexer als von der Forschung bisher erfasst, denn mit der Beute ist das Problem ihrer Verteilung verbunden und dieses betrifft verschiedene Akteure, Ebenen und Prozesse mit unerwartet weitreichenden Konsequenzen. Wie prägten also Beute und ihre Verteilung die Eroberungsunternehmen vor, während und nach deren Durchführung? Wie ließen sich Beuteansprüche im Voraus vereinbaren ohne die Kenntnis, was es in den unbekannten Gebieten zu plündern gab? Wie, nach welchen Kriterien und nach welchen normativen Vorlagen und gebräuchlichen Praktiken wurde die Beute verteilt? Wie veränderte oder unterschied sich dies je nach räumlicher, zeitlicher und institutioneller Dimension? Welchen Konzeptionen von Leistung bzw. Dienst und Verdienst folgten die Belohnungslogiken? Welches Rechts- und Gerechtigkeitsverständnis lässt sich darin erkennen? Wie wirkte sich die Beuteverteilung schließlich auf den kolonialen Institutionenaufbau aus? Der Forschungsstand zum Komplex der Conquista hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich entwickelt. Die latein- und US-amerikanische, teilweise auch europäische Forschung konzentrierte sich insbesondere auf Fragen zu Wahrnehmung, Kulturkontakt, lokalen Aushandlungsprozessen und indigener agency. Aufwind erhielt die Conquista-Forschung unter anderem durch die 500. Jahrestage (Kolumbus 1492, Geburt des späteren Karl?V. 1500, Nuñez de Balboas Entdeckung des Pazifik 1513) und den gleichzeitig aufkommenden Trend der transnationalen Verflechtungs- und Globalgeschichte oder der connected history. Dabei wurden neue, paradigmatisch veränderte Konzeptionen des kolonialen Gesamtzusammenhangs erzeugt - zum Beispiel durch die epistemologischen und kulturhistorischen Ansätze (spiritual conquest). Des Weiteren wurden im Bereich der teilweise massiven indigenen Beteiligung an den Gewalt- und Eroberungsakten (indian conquest) neue Forschungsresultate erarbeitet. Damit büßte der Mythos des europäischen Wunders, wonach eine nur 500-köpfige Gruppe Spanier die hunderttausenden Azteken besiegt habe, seine Überzeugungskraft ein. Außerdem sind ebendiese Azteken statt als Monolith seither als multiethnische und politisch kleinteiligere Entitäten differenzierter darzustellen. Diesen neuen, hinsichtlich des eurozentrischen Narrativs revisionistischen Ansatz versucht eine Gruppe um Matthew Restall als New Conquest History zu etablieren. We…


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