Mehr Reichtum, mehr Armut

Mehr Reichtum, mehr Armut

Einband:
Paperback
EAN:
9783593506791
Untertitel:
Soziale Ungleichheit in Europa vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart
Genre:
Geschichts-Lexika
Autor:
Hartmut Kaelble
Herausgeber:
Campus
Anzahl Seiten:
211
Erscheinungsdatum:
01.03.2017
ISBN:
978-3-593-50679-1

Soziale Ungleichheit nimmt heute wieder zu. Im 20. Jahrhundert gab es aber auch Phasen, etwa die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg oder während des außergewöhnlichen "Wirtschaftswunders" der 1950er- bis 1970er-Jahre, in denen es zu einer Abmilderung sozialer Schärfen kam. Doch zur Dynamik und Geschichte der sozialen Ungleichheit haben sich Historiker bisher selten geäußert.
Hartmut Kaelbles neues Buch wirft diesen längst überfälligen "Blick zurück". Es beschreibt die Entwicklungen der sozialen Ungleichheit dabei umfassend: Kaelble blickt auf die gesamte Zeitspanne von 1900 bis heute, auf Deutschland und Europa und auf die Verteilung der Vermögen und Einkommen. Er bezieht aber auch - anders als Wirtschaftswissenschaftler - Bildung, Wohnen, Gesundheit und individuelle Aufstiegsmöglichkeiten in seine Analyse ein. Zudem nimmt er die Wahrnehmung sozialer Ungleichheit und den Einfluss der Politik auf sie ins Visier. So wird deutlich: Die Zunahme sozialer Ungleichheit ist vermeidbar.

»Indem Kaelble epochenübergreifend analysiert, gelangt er zu überaus bedenkenswerten Erkenntnissen: Soziale Ungleichheit ist in der Geschichte weniger durch Kriege und Katastrophen mit schrecklichen Kosten in einer Art schöpferischer Zerstörung abgebaut worden, sondern durch politische Intervention, durch Steuern, Wohlfahrtsstaat und Bildung.« Thomas Speckmann, Der Tagesspiegel, 27.09.2017 »Insgesamt ist Hartmut Kaelble eine bündige Überblicksdarstellung über die Entwicklung der europäischen Ungleichheitsverhältnisse seit Beginn des 20. Jahrhunderts gelungen, die zum einen eine Vielzahl an weiteren Forschungsperspektiven aufzeigt und zum anderen eine gute Einführungslektüre darstellt.« Christopher Banditt, H-Soz-Kult, 28.09.2017 »Zur Dynamik und Geschichte der sozialen Ungleichheit haben sich Historiker bisher selten geäußert. Hartmut Kaelbles neues Buch wirft diesen längst überfälligen Blick zurück.«, NITRO, 11.06.2018 »Gegenüber der geradezu fatalistischen Schlussfolgerung Pikettys, dass zunehmende Ungleichheit ein Wesenszug des Kapitalismus sei, setzt Kaelble, der mit schärferem Blick in die Geschichte der letzten 150 Jahre (nicht nur) Europas diesen empirischen Befund bezweifelt, sozialreformerischen Optimismus.« Mark Spoerer, Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte »Kaelble hat die soziale Entwicklung in Europa vom frühen 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart unter dem Gesichtspunkt von Gleichheit und Ungleichheit analysiert. Immer wieder belegt das Material, wie sehr die statistisch erfassbare Ungleichheit sich von dem unterscheiden kann, was die Menschen erleben.« Josef Tutsch, Scienzz, 31.05.2017 »Verdienst des Autors ist es allen voran, Aspekte, Dynamiken und Phänomene der sozialen Ungleichheit aus einem transnationalen, europäischen Blickwinkel zu beleuchten. Das Buch schlägt im Gegensatz zu den jüngsten großen Würfen aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften außerdem eine leicht abweichende Periodisierung vor, indem weniger Kriege und Katastrophen, sondern auch die Bedeutung politischer und wohlfahrtsstaatlicher Präventionsmaßnahmen und Interventionsschritte (insbesondere im Bereich der Steuer- und Bildungspolitik) fokussiert werden.« Christoph Lorke, Archiv für Sozialgeschichte, 26.09.2017

Autorentext
Hartmut Kaelble ist emeritierter Professor für Sozialgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Leseprobe
Einleitung
Die Verschärfung der sozialen Ungleichheit ist eine prägende Erfahrung der Gegenwart. Dieses Buch möchte die Augen dafür öffnen, dass es dagegen in der Geschichte viele Entwicklungen der Ungleichheit gab, neben Verschärfungen auch Abmilderungen der sozialen Ungleichheit. Es behandelt Europa im 20. Jahrhundert als ein Labor ganz unterschiedlicher Entwicklungen der sozialen Ungleichheit. Es wendet sich daher gegen das Dogma, dass in der Moderne gesellschaftlicher Fortschritt und wirtschaftlicher Wohlstand mit sozialer Ungleichheit bezahlt werden müssten.1 Es richtet sich auch gegen das Diktum, dass der moderne Kapitalismus unvermeidlich Ungleichheit erzeugt. Das Buch möchte dazu anspornen, genau hinzusehen.
Es sei daran erinnert, dass unsere Vorstellungen über soziale Ungleichheit viel mit Geschichte zu tun haben. In unseren Köpfen streiten sich fünf verschiedene historische Vorstellungen vom historischen Wandel der sozialen Ungleichheit: Wir glauben erstens, dass die modernen Industriegesellschaften mit weniger sozialer Ungleichheit belastet waren als die Gesellschaften vor der Industrialisierung. Die sozialen Gegensätze zwischen den prunkvollen Höfen, den reichen adligen, im Luxus lebenden Großgrundbesitzern, den wohlhabenden städtischen Patriziern und den armen, oft leseunkundigen Bauern und Tagelöhnern des alten Europa waren erheblich größer als zwischen den heutigen Managern und Industriearbeitern. Auch heute noch ist in den armen, wenig industrialisierten Ländern Afrikas und Lateinamerikas wie Guinea-Bissau oder Kolumbien die soziale Ungleichheit der Einkommen weit schärfer als in unseren modernen westlichen Gesellschaften. Selbst noch in dem halb industrialisierten deutschen Kaiserreich war die Vermögens- und Einkommensungleichheit erheblich größer als im heutigen, voll industrialisierten Deutschland. Industrialisierung dämpfte nach dieser Vorstellung die soziale Ungleichheit.
Eine zweite Vorstellung: Wir beobachten im atlantischen Raum eine völlige Umkehrung der internationalen Unterschiede der sozialen Ungleichheit. Noch vor hundert Jahren galten die Vereinigten Staaten nicht nur als das Land der sozialen Aufsteiger vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern auch als das Land der sozialen Gleichheit, der relativ geringen sozialen Unterschiede. Heute sehen wir genau umgekehrt die USA aus der europäischen Perspektive als das Land besonders scharfer sozialer Gegensätze an, unseren eigenen Kontinent dagegen als eine Weltregion begrenzter sozialer Unterschiede.
Eine dritte Vorstellung: Blicken wir aus Europa nach Osten, dann stellen wir fest, dass ein Konkurrent Europas um die Abmilderung der sozialen Ungleichheit verschwunden ist. Noch vor 30 Jahren galt der riesige Raum von der ostdeutschen Mauer bis nach Shanghai, also das östliche Europa, die Sowjetunion und China, als eine Region mit erheblich weniger sozialer Ungleichheit als das kapitalistische Europa. Demokratie und marktwirtschaftlicher Wohlstand schien man im westlichen Europa und in den USA mit mehr sozialer Ungleichheit bezahlen zu müssen als im kommunistischen Teil der Welt. Das ist vorbei, denn sowohl das Putinsche Russland und als auch das kommunistische China sind nicht nur keine Demokratien, sondern auch mit weit mehr sozialer Ungleichheit belastet als Europa. Die Demokratien Ostmitteleuropas unterscheiden sich dagegen in ihrer sozialen Ungleichheit nicht mehr vom westlichen Europa. Anders als vor dem Fall der Mauer verbinden sich daher im heutigen Weltmaßstab Demokratie und Marktwirtschaft in Europa mit einer vergleichsweise milden sozialen Ungleichheit.
Eine vierte Vorstellung steigert dies noch. Auch innerhalb Europas entwickelten sich die sozialen Ungleichheiten unterschiedlich. Als besonders beeindruckend gilt die Abmilderung der sozialen Ungleichheit in den skandinavischen Ländern. Sie waren noch in der Zwischenkriegszeit Länder mit moderaten Demokratien, aber mit hoher sozialer Ungleichheit der Einkommen im Vergleich jedenfalls mit Deutschland oder Österreich. Heute dagegen ist die Einkommensverteilung in den skandinavischen Ländern nicht nur erheblich weniger ungleich als in der Zwischenkriegszeit, sondern auch weniger ungleich als in den meisten anderen europäischen Ländern. Zusammen mit Japan weist dieser Teil Europas die geringsten Ungleichheiten der Einkommen weltweit auf.
Die fünfte Vorstellung: Im Gegensatz dazu beobachten wir, dass die soziale Ungleichheit in der jüngsten Geschichte in Europa erheblich zunimmt. Vor allem die Managergehälter…


billigbuch.ch sucht jetzt für Sie die besten Angebote ...

Loading...

Die aktuellen Verkaufspreise von 6 Onlineshops werden in Realtime abgefragt.

Sie können das gewünschte Produkt anschliessend direkt beim Anbieter Ihrer Wahl bestellen.


Feedback