Koloniale Arbeit

Koloniale Arbeit

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593506234
Untertitel:
Rassismus, Migration und Herrschaft in Tansania (1885-1914)
Genre:
20. Jahrhundert (bis 1945)
Autor:
Minu Haschemi Yekani
Herausgeber:
Campus
Anzahl Seiten:
318
Erscheinungsdatum:
19.06.2019
ISBN:
978-3-593-50623-4

Inwiefern korrespondierte das koloniale Arbeitsregime im frühkolonialen Tansania mit der Entstehung einer "global color line"? Die Frage nach erwünschten und unerwünschten Arbeitern beantwortet dieses Buch. Hierbei erweisen sich die um 1900 geführten Debatten um "Rasse" als eng verwoben mit Aspekten von Tauglichkeit, Erziehbarkeit, Klasse, Klima, Religion oder Geschichte. Die Fallstudien entwerfen ein Panorama des kolonialen Rassismus. Die Autorin eröffnet damit neue Perspektiven auf die deutsche Kolonialgeschichte, auf den Zusammenhang von "Rasse" und Arbeit sowie auf die Verwobenheit lokaler Prozesse mit globalen und transregionalen Phänomenen.

Inwiefern korrespondierte das Arbeitsregime im frühkolonialen Tansania mit der Entstehung einer »global color line«? Welche Gruppen von Arbeiterinnen und Arbeitern sah man in der ehemaligen deutschen Kolonie als »erwünscht«, welche als »unerwünscht« an? Anhand kolonialer Diskurse zur Organisation von Arbeit und der sich daraus ableitenden Arbeitsteilung entwirft Minu Haschemi Yekani in diesem Buch ein Panorama des kolonialen Rassismus im ehemaligen Deutsch-Ostafrika und eröffnet damit neue Perspektiven für die Interpretation der deutschen Kolonial- und Rassismusgeschichte. Im Kontext dreier Fallstudien verdeutlicht sie, inwiefern »Rasse« in diskursiven Praktiken des kolonialen Arbeitsregimes hervorgebracht wurde und sich eng verwoben mit Kategorien wie Zivilisation und Kultur, Religion und Prestige, Status und Klasse zeigt.

»Minu Haschemi Yekani [legt] innerhalb ihrer Untersuchung eindrücklich die Nuancen und Schattierungen rassistischer Gesinnungen, deren diffuse und changierende Charakterzüge sowie den kolonialen Resonanzboden in Deutsch-Ostafrika frei. Insgesamt stellt Koloniale Arbeit eine theoriegesättigte Erweiterung der Kolonialgeschichtsschreibung zur deutschen Herrschaftsperiode im kolonialen Tansania dar.« Mona Rudolph. H-Soz-Kult, 20.09.2019

Autorentext
Minu Haschemi Yekani, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin (Arbeitsbereich Globalgeschichte).

Leseprobe
Einleitung Aufbruch W. E. B. Du Bois hat die »color line« zum Problem des 20. Jahrhundert erklärt. Zusammen mit Mitstreiter*innen der 1897 gegründeten African Association hatte Du Bois wenige Jahre zuvor in der Abschlusserklärung der ersten Panafrikanischen Konferenz in London im Jahr 1900 die imperialen Nationen aufgefordert, sich in ihrer Brutalität, Verachtung und in ihren Ausbeutungspraktiken gegenüber den »dunkleren Rassen« zu mäßigen. Den Kolonialismus sahen die Konferenzteilnehmer*innen als deutlichen Widerspruch zu den »Idealen« der Zivilisation. Du Bois schien später seine Sicht geändert zu haben, denn was er 1900 noch als Widerspruch erlebte, erklärte er 1920 zur Ambivalenz des Zivilisationsdiskurses, die ihm untrennbar innewohnte. Angesichts der Kolonialverbrechen und der Greul des Ersten Weltkriegs schrieb er in einem Aufsatz mit dem Titel »The Souls of White Folks«: »We darker men said: This is not Europe gone mad; this is not aberration nor insanity; this is Europe.« Du Bois unterstrich in seinen Arbeiten ähnlich wie später Frantz Fanon, Toni Morrison, bell hooks und viele weitere Theoretiker*in nen die allumfassende, vielfältige, flexible und interdependente Qualität des Rassismus. Auch verstand er die »color line« als weltumspannendes Phänomen, in dem Arbeitsverhältnisse, Kapitalismus und Empires kulminierten. Dabei markierte Du Bois die Demarkationslinie quasi im Herzen der Macht selbst, indem er die globale Bedeutung von »whiteness« und »white labour« hervorhob, die eine neue Form »subjektiver Identifikation« repräsentierte. »Whiteness« spannte ein supranationales Band von In- und Exklusion entlang imperialer Macht- und Hegemonieinteressen und prägte Politik, Migration, Besitzverhältnisse und soziale Rechte ebenso nachhaltig wie die Kämpfe, die dagegen geführt wurden. Du Bois' Sichtweise war bereits damals global. Die »color line« war nicht nur in den Amerikas, in der Karibik oder in Europa wirksam, sondern entfaltete ihre Wirkung im Kontext des imperialen Projekts weltweit. Aber sie war nicht starr oder gegeben, sondern war um 1900 in Bewegung. In diesem Buch dient die »global color line« als begrifflicher Ausgangspunkt, um in drei Fallstudien mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten den Zusammenhang von Rassismus, Herrschaft, Migration und kolonialem Arbeitsregime an der Küste Tansanias (18851914) zu reflektieren. Sie werfen verschiedene Schlaglichter auf die koloniale Ordnung, die sich durch globale Märkte und Wissenstransfer eng verbunden mit der Metropole und anderen Empires erweist. Dennoch war sie zugleich von einer hohen lokalen Spezifität geprägt. Bevor näher auf die Fragestellung und die einzelnen Kapitel eingegangen wird, soll zunächst der historische Kontext umrissen werden. 1. Tansania vor 1914 Häufig beginnen Geschichten über den Kolonialismus mit einem Datum und konstruieren so eine Art Stunde Null der Herrschaftsübernahme. Auch wenn jede Erzählung oder historische Darstellung einen Anfang braucht, ist es dennoch sinnvoll, dieses Narrationsmuster, das bestimmte Vorstellungen verfestigt, zu problematisieren. Es legt den Beginn einer neuen Zeit nahe, bei denen Kontinuitäten leicht aus dem Blick geraten. Als Chronisten ihrer eigenen Herrschaft versuchten die Deutschen mit vielen symbolischen Akten, die Kolonisierung als historischen Ursprungsakt zu inszenieren. Dabei war die Kolonisierung Deutsch-Ostafrikas ein langsamer Prozess, der Mitte des 19. Jahrhunderts mit den ersten europäischen Forschungsreisenden und Missionaren begann, bevor schließlich 1885 zunächst die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft (DOAG) nach dem Vorbild britischer Chartergesellschaften die militärische Kontrolle über den Küstenstreifen übernahm. Das riesige Gebiet, das die heutigen Staaten Tansania, Burundi und Ruanda umfasste, blieb auch nach der formalen Herrschaftsübernahme 1891 durch das Deutsche Reich für die Kolonisierenden in großen Teilen ein »imaginiertes kolonisiertes Territorium«. Die koloniale Ökonomie entfaltete sich im Geflecht etablierter (Infra-)Strukturen der vorkolonialen Zeit. Das Sultanat von Sansibar hatte vor allem durch den lukrativen Handel mit Sklav*innen und Elfenbein, der im 19. Jahrhundert parallel zu den Nelkenplantagen florierte, komplexe Beziehungen mit der Küste und dem Hinterland Ostafrikas etabliert und war eng an den Indischen Ozean gebunden. Die Briten untersagten zwar ab 1873 den Handel mit Sklaven auf Sansibar, dafür verlagerte sich ihr Einsatz auf die Kokosnuss- und Zuckerplantagen sowie in die Haushalte an der ost-afrikanischen Küste. Gerade in Bezug auf die Sklaverei bedeutete die deutsche Herrschaft letztlich keine Zäsur. Trotz kolonialer Fortschrittsrhetorik waren Sklaverei, Zwangsarbeit sowie andere unfreie Formen der Arbeit integrale Merkmale des kolonialen Arbeitsregimes in Deutsch-Ostafrika. Der Eisenbahnbau sowie die Plantagenbetriebe, die entweder von Kapitalgesellschaftern oder Privatpersonen errichtet wurden und sich im exportorientierten Anbau von Tabak, Kaffee, Kautschuk und Baumwolle versuchten, waren höchst arbeitsintensive Vorhaben. Das Arbeitsregime in Tansania muss im Kontext eines Herrschaftsprojektes eingeordnet werden, das zwar von einem Herrschaftsanspruch, aber gleichwohl von einem unvollendeten Herrschaftsverhältnis ohne Basislegitimität geprägt war. Dies kann auch auf die kolonialen Orte der Arbeit übertragen werden. Gleichwohl die ökonomische Abhängigkeit der Subalternen nicht mit der Situation in den europäischen Metropolen vergleichbar war, herrschten häufig brutale Gewaltverhältnisse und Plantagenbesitzer beanspruchten außerordentliche Autorität über die Arbeiter*innen. Damit ist auch ein Spezifikum des kolonialen Arbeitsregimes angedeutet. Die Plantagenbesitzer konnten sich auf eine Gesindeordnung berufen, die im Deu…


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