Natur gegen Kapital

Natur gegen Kapital

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593505473
Untertitel:
Marx' Ökologie in seiner unvollendeten Kritik des Kapitalismus
Genre:
Soziologische Theorien
Autor:
Kohei Saito
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Anzahl Seiten:
328
Erscheinungsdatum:
09.08.2016
ISBN:
978-3-593-50547-3

Marx' Ökologie - dieser Ausdruck klingt wie ein Oxymoron. Hat Marx nicht die absolute menschliche Herrschaft über die Natur propagiert? Angesichts der heutigen globalen ökologischen Krise ist es unumstritten, diese im engen Zusammenhang mit dem kapitalistischen System zu analysieren. Für die Gestaltung einer breiten "roten" und "grünen" Bewegung im 21. Jahrhundert ist deshalb eine Aktualisierung der Marx'schen Theorie unerlässlich. Kohei Saito rekonstruiert systematisch die unvollendete Marx'sche ökologische Kritik des Kapitalismus anhand der neuen Marx-Engels-Gesamtausgabe. Diese gibt unbekannte naturwissenschaftliche Exzerpte von Marx preis sowie seinen Versuch, den Widerspruch des Kapitalismus als ökologische Krise zu thematisieren.

Autorentext
Kohei Saito ist Gastforscher in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in der Abteilung Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA).

Leseprobe
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2014 als Dissertation demInstitut für Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin vorgelegt.Vor allem möchte ich mich bei Andreas Arndt herzlich bedanken,der seit dem Anfang meines Aufenthalts in Deutschland mein Projekt invielerlei Hinsicht rückhaltlos unterstützt und mich stets motiviert hat. Ohne seine Betreuung wäre mir der erfolgreiche Promotionsabschlussim Ausland nicht möglich gewesen. Frieder Otto Wolf und HaraldBluhm bin ich auch sehr dankbar für ihre Bereitschaft, als Gutachter amDissertationsverfahren mitzuwirken.
Der Beitrag wurde von zahlreichen intensiven Diskussionen und Gesprächen mit Tomonaga Tairako, Ryuji Sasaki, Hideto Akashi undSoichiro Sumida in Seminaren an der Hitotsubashi Universität in Tokyound in privaten Lesekreisen inspiriert, die seit mehr als zehn Jahren andauern.Sie haben auch die früheren Versionen meiner Arbeit gründlichgelesen und sie mit ihren kritischen Kommentaren wesentlich verbessert.Die ursprüngliche Inspiration für diese Arbeit stammt aus meinerErfahrung bei der Editionsarbeit des Bandes IV/18 in der Marx-Engels-Gesamtausgabe. Teinosuke Otani hat mich im September 2012 nachunserem Forschungsaufenthalt im Internationalen Institut für Sozialgeschichte(IISG) in Amsterdam zur Teilnahme an der japanischenMEGA-Editionsgruppe eingeladen und mir seitdem durch seine sorgfältigeMarx-Lektüre die Bedeutung der Notizen und Exzerpte für dieMarx-Forschung vor Augen geführt. Ihm gilt mein bester Dank.Interessante und spannende Diskussionen mit Kevin Anderson, MichaelHeinrich, Michael Perelman, Kolja Lindner, Ingo Stützle und ElenaLouisa Lange auf verschiedenen Konferenzen und Veranstaltungenin Berlin, London, New York, Beijing, Tokyo und Zürich haben mirwährend der Vorbereitung des Manuskripts wichtige Impulse gegeben.Besonders möchte ich bei dieser Gelegenheit betonen, dass ohne JohnBellamy Fosters anregende Kommentare das Projekt sicherlich wenigerfruchtbar und aktuell ausgefallen wäre.
Die MEGA-Editoren in der Berlin-Brandenburgischen Akademieder Wissenschaften (BBAW), vor allem Gerald Hubmann, haben michbei der oft schwierigen Auseinandersetzung mit Marx' Exzerpten ermutigt.Mein Dank gilt ebenso Claudia Reichel, die freundlicherweiseoft Fotokopien der aufbewahrten Marginalien und Briefe von Marx undEngels zur Verfügung stellte. Ohne Timm Graßmanns Hilfe beim Korrekturlesenwäre mein Text kaum lesbar. Mit seinem freundlichen Charakterwar er sicherlich mein wichtigster Gesprächspartner in Berlin.Martin Regenbrecht danke ich für seine sorgsame Lektoratsarbeitbei der Vorbereitung der Druckvorlage. Martin Kölbel hat freundlicherweisein letzter Minute den Satz des Buches übernommen. Ich bedanke mich schließlich für das DAAD-Stipendium und das Elsa-Neumann-Stipendium, das meinen Aufenthalt in Berlin finanziell ermöglicht hat.
Kohei Saito
Berlin, im Oktober 2015

Einleitung: Marx' Ökologie heute?

Der Ausdruck "Marx' Ökologie" klang jahrzehntelang wie ein Oxymoron.Sowohl Marx' Annahme des unbegrenzten wirtschaftlichen undtechnologischen Wachstums als auch sein Propagieren der absolutenNaturbeherrschung schienen in striktem Gegensatz zu jeglicher ernsthaftenDiskussion über die Naturressourcenknappheit und die Überbelastungder Ökosphäre zu stehen. In den 1970er Jahren, als in denwestlichen Gesellschaften verschiedene ökologische Probleme als ernsthafteBedrohung der menschlichen Zivilisation sicher fühlbar gewordenwaren, tadelte Horst Kurnitzky, dass Marx "den destruktiven Charakter,der in Naturwissenschaft und Industrie von Anbeginn angelegtist, übersieht", da der Begründer des Sozialismus sich immer noch "imKontinuum des bürgerlichen Versuchs vollkommener Naturbeherrschung" bewege (Kurnitzky 1970: 61). John Passmore pflichtete KurnitzkysKritik bei und behauptete in Man's Responsibility for Naturesogar: "Nichts könnte ökologisch schädlicher sein als die hegelianischmarxistischeDoktrin" (Passmore 1974: 185).
Der gegen Marx erhobene Vorwurf des "Prometheanismus" (Giddens1981: 60) - ein unerschütterlicher Fortschrittsglaube, wonachder Mensch mithilfe technologischer Entwicklungen die Welt immereffektiver und freier zu manipulieren vermag - ist folglich zu einempopulären Stereotyp geworden. Noch heute ist nicht selten die Kritikselbst unter angeblichen Marxisten zu vernehmen, dass Marx' Theorieleider aus heutiger Perspektive fatal verfehlt sei: Sein historischer Materialismuslobe die Entwicklung der Technologie und Produktivkraftim Kapitalismus unkritisch und habe zugleich fälschlicherweise prognostiziert,dass der Sozialismus alle negativen Aspekte der modernenIndustrie einfach durch eine radikale Umwälzung der kapitalistischenProduktionsweise und durch die gesellschaftliche Aneignung der Produktionsmittelumgehen könne. Diesen sogenannten "Produktivkraft
Fetisch" bei Marx haben jüngst Thomas Petersenund Malte Faberwieder bekräftigt. Sie behaupten, Marx sei "zu optimistisch in seinerAnnahme, dass jeder Produktionsprozess so betrieben werden könne,ohne dass Umweltschadstoffe anfallen. [] Dieser Fortschrittsoptimismusist wohl eine Folge seiner großen Bewunderung für die kapitalistischeBourgeoisie, die schon das Manifest der Kommunistischen Parteidokumentiert" (Petersen/Faber 2014: 139).
Auch Rolf P. Sieferle lehnt jede Möglichkeit einer Marx'schenÖkologie ab, da dieser irrtümlich und naiv geglaubt habe, dass mithilfeseiner geschichtlichen Auffassung des Kapitalismus die "Grenzendes Wachstums von Naturfaktoren abgekoppelt" würden (Sieferle2011: 215). Indem er jenem modernistischen Zeitgeist des Fortschrittsoptimismusund der Idee der Naturbeherrschung unkritischaufsitze, verfalle Marx' prometheisches Modell hoffnungslos in einenAnthropozentrismus. Hans Immler, der mit seinem wichtigen BuchNatur in der ökonomischen Theorie als einer der ersten Wissenschaftlerder politischen Ökologie gilt, kritisiert Marx ebenfalls. Immlerzufolge sei der unökologische Standpunkt von Marx darin begründet,dass seine Werttheorie wegen seiner Verabsolutierung menschlicherArbeit die Natur als wertunproduktiv behandele: Marx' Kritiksei "mit ihrer einseitigen Konzentration auf Wert und Wertanalyseund mit ihrer prinzipiellen Vernachlässigung der physisch-naturalenSphäre (Gebrauchswert, Natur, Sinnlichkeit) sprachlos und analyseunfähiggeblieben [] gegenüber jenen Entwicklungen in der Gesellschaftspraxis,von denen einerseits die elementaren Bedrohungendes Lebens und andererseits, etwa als ökologische Politik, aber auchentscheidende Impulse zur Veränderung der gesellschaftlich-ökonomischenRealität ausgehen" (Immler 2011 [1984]: 36). Immler undSieferle sind sich dabei mit anderen Marx-Kritikern einig, dass dergroße Denker des 19. Jahrhunderts als törichter Fürsprecher unendlichentechnologischen und wirtschaftlichen Wachstums einen im 21. Jahrhundert nicht mehr akzeptablen unökologischen Standpunkteinnehme. "Vergiss also Marx", so das provozierende Resümee Immlers(2011: 12).
Do…


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