Greater than Rome

Greater than Rome

Einband:
Paperback
EAN:
9783593503073
Untertitel:
Neubestimmungen britischer Imperialität 1870-1914
Genre:
Regional- und Ländergeschichte
Autor:
Eva Marlene Hausteiner
Herausgeber:
Campus
Anzahl Seiten:
411
Erscheinungsdatum:
31.03.2015
ISBN:
978-3-593-50307-3

Die politiktheoretische Studie demonstriert anhand des Falls des British Empire, wie imperiale Eliten ihr Tun erfassen und rechtfertigen, welche Rolle historische Beispiele in diesem Prozess spielen und welche Entwürfe imperialer Herrschaft um Deutungshoheit konkurrieren. Die Analyse des Elitendiskurses im British Empire erhellt jene Modi, in denen zentrale Akteure das Weltreich legitimieren und im eigenen
Selbstverständnis konzipieren: Niedergangserfahrungen, infrastrukturelle Errungenschaften, aber auch die Frage globaler Vorherrschaft werden zu Elementen einer technokratischhierarchischen Imperiumsvision, die von alten Mustern liberaler Zivilisierung und Missionierung nachdrücklich Abschied nimmt.

»Eva Marlene Hausteiner ist es in ihrer stilistisch beeindruckenden und im besten Sinn gelehrten Diessertation Greater than Rome gelungen, die welthistorische Transition aus der Innenperspektive eines Empire in decline zu beleuchten« Matthias Hansl, Politische Vierteljahresschrift, 12.12.2016 »Eva Hausteiner legt mit ihrer Studie nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Ideengeschichte des britischen Empires vor, sie hat letztlich eine Morphologie der Imperiumslegitimation geschrieben und damit das Fundament für einen weiterführenden internationalen Vergleich gelegt.« Sönke Neitzel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.01.2016

Autorentext
Eva Marlene Hausteiner ist Politikwissenschaftlerin am Sonderforschungsbereich »Transformationen der Antike« und Lehrbeauftragte am Institut für Sozialwissenschaften der HU Berlin.

Leseprobe
1. Imperialität und Geschichte
"Ubi imperium, ibi Roma."?
Römisch ist Britannien seit zwei Jahrtausenden: Materiell verbindet Briten und Römer - die Beherrscher des ausgedehntesten Reiches der Antike und jene des langlebigsten Imperiums der Neuzeit - die Geschichte direkter Kolonisierung, die mit der römischen Invasion in Rutupiae, dem späteren Richborough, im Jahr 43 vor Christus einsetzt. Die römische Nachwirkung auf die Briten und insbesondere auf ihren imperialen Herrschaftsstil und ihre imperiale Selbstreflexion geht indes weit über direkte historische oder gar genealogische Verknüpfungen hinaus: Die Blütephase britischer Anverwandlungen römischer Motivik in imperialen Fragen fällt zusammen mit der Phase des Hochimperialismus, also rund anderthalb Jahrtausende nach dem Ende römischer Herrschaft auf Teilen der britischen Inseln. Sie vollzieht sich in systematischen Selbstvergleichen und Analogiebildungen zwischen dem Imperium Romanum und dem Imperium Großbritanniens. In den Debatten um das British Empire avanciert Rom bei imperialen Eliten zur äußerst populären Legitimationsressource. Der römische Topos wird aber auch, von innen wie von außen, als Waffe der Imperiumskritik ins Feld geführt: Genau zur Jahrhundertwende, am 1. Januar 1900, fällt der holländische Kommentator Abraham Kuyper - wenig später Premierminister seines Landes - in der französischen Revue des Deux Mondes ein vernichtendes Urteil über den britischen Jingoismus im Umfeld des südafrikanischen Krieges gegen die Buren. Gerade England, diese beste aller Nationen, eifere als einzige den zum Despotismus degenerierten Römern nach und korrumpiere sich so selbst - "cet impérialisme est une obsession": "Il faut que l'Angleterre revienne à elle-même et renonce à son reve d'Impérialisme; sinon, l'Impérialisme finira par la perdre, comme il perdit la Rome de l'antiquité." Englands koloniale Hochkommissare seien nicht besser als römische Prokonsuln, die self-governing colonies nicht freier als die provinciae populi Romani, der urbane Luxus Londons lasse einen ähnlichen Untergang wie jenen Roms befürchten. Die römischen Motive, die der externe Beobachter gegen die Briten verwendet - Verurteilung der Provinzpolitik, Kritik des Weltherrschaftsanspruches und die Warnung vor Zerfall, jeweils gespickt mit lateinischen Zitatfragmenten unterschiedlichster Provenienz - gleichen aufs Engste jenen, die die britischen Elitenmitglieder selbst heranziehen, um bestimmte imperiumspolitische Kurse zu legitimieren. Kuypers Tirade erweckt in der Übernahme der Argumente des britischen jingoism den Eindruck einer Parodie. So flexibel der Topos Rom in der nachantiken Anverwandlung also ist: Angesichts imperiumspolitischer Ereignisse steht um die Jahrhundertwende der britische Imperialismus - in der Fremdbetrachtung, vor allem aber in der Selbstbetrachtung - im Zentrum politischer Romreflexion.
Eine systematische Untersuchung, die die Affinität britischer Imperialisten und Imperiumskritiker zu Vergleichen mit Rom als ideengeschichtliches und imperiumspolitisches Phänomen umfassend politiktheoretisch prüft, steht bislang aus. Die Reflexion imperialer Eliten über Imperiumspolitik und ihre eigene Rolle darin ist aber, wie auch die Versuche imperialer Legitimation, für Beobachter im 21. Jahrhundert - dessen Prägung durch Großmächte- und Imperialpolitik, durch die Bildung von Einflusssphären wie durch globale Interventionen zunehmend evident wird - von zentralem Interesse. In den Verweisen britischer Eliten auf das antike Imperium kondensieren nämlich zentrale Strategien und Argumente imperialer Legitimation und Problemlösungsversuche, von der Bedeutung imperialer Infrastruktur bis hin zur Stabilisierung eines ausgeprägten imperialen Exzeptionalismus selbst und gerade unter Bedingungen evidenter weltpolitischer Konkurrenz - und diese Argumente und Deutungsmuster haben seit dem Zeitalter des Hochimperialismus die politischen Debatten keineswegs verlassen. Dass imperiale Ambitionen weiterhin die politische Realität prägen, gilt nicht nur für die US-amerikanische Debatte: Giorgio Agambens Vorschlag, im Anschluss an ein Plädoyer Alexandre Kojèves aus dem Jahr 1945 ein anti-deutsches "lateinisches Imperium" zu gründen, stützt sich auf das Ideal imperialer Leistungsfähigkeit und kultureller Superiorität; und die neuen Großmachtsbestrebungen der Russischen Föderation sind geprägt von einer Rhetorik der Stärke und grenzüberschreitenden Sicherheitsgarantien.
Ziel des vorliegenden Buches ist es, die Frage nach der funktionalen Attraktivität von Geschichte in den Prozessen der Selbstreflexion, Legitimation und Politikstilentwürfe der Imperialelite zu beantworten. Imperialität als politisches Ordnungsschema geht dabei, so eine leitende These, mit der Entwicklung bestimmter argumentativer Muster einher. Die folgenden Überlegungen sollen demonstrieren, dass der Vergleichstopos Rom jenseits bloßer Ornamentik signifikante Aussagekraft besitzt - sowohl diskurshistorisch in den rund 40 Jahren vor Beginn des Ersten Weltkrieges als auch auf dem Feld der Imperientheorie. Das komplexe Diskursgewebe britischer Romverarbeitungen zu einem Zeitpunkt imperialer Maximalexpansion und gleichzeitiger Krisenstimmung erweist die politische Funktionalität historischer Referenz in dieser Konstellation; es soll im Folgenden gezeigt werden, dass angesichts konkurrierender Visionen von Imperialität der Verweis auf das unterschiedlich imaginierte Imperium der Antike den Protagonisten als Ressource dient, um eine spezifische Imperialitätsvorstellung opportun zu definieren. Ihre Konturierung bildet den Kern dieses Buches.
1.1 Reflexionen über Imperien und imperiale Reflexionen
Imperiumspolitische und imperiengeschichtliche Fragestellungen sind ein kontinuierlich an Bedeutung gewinnender Bestandteil geistes- und sozialwissenschaftlicher Forschung. Obwohl die Diagnose eines imperial turn? nicht die inhaltlichen Kontinuitäten und die beträchtliche Tradition imperiumszentrierter Forschungsgeschichte von der klassischen imperial history? bis hin zu den postkolonialen Studien verdecken sollte, ist es richtig, dass es sich bei der Konjunktur des Imperiumsfokus - wie auch bei anderen kulturwissenschaftlichen turns? - nicht nur um eine Wiederbelebung des zumindest im Politischen lange tabuisierten Imperienbegriffs handelt, sondern auch um eine tatsächliche methodisc…


billigbuch.ch sucht jetzt für Sie die besten Angebote ...

Loading...

Die aktuellen Verkaufspreise von 6 Onlineshops werden in Realtime abgefragt.

Sie können das gewünschte Produkt anschliessend direkt beim Anbieter Ihrer Wahl bestellen.


Feedback