Pionierarbeit

Pionierarbeit

Einband:
Paperback
EAN:
9783593503011
Untertitel:
Die ersten Professorinnen für Frauen- und Geschlechterforschung an deutschsprachigen Hochschulen 1984-2014
Genre:
Feminismus & Geschlechterforschung
Autor:
Ulla Bock
Herausgeber:
Campus
Anzahl Seiten:
325
Erscheinungsdatum:
30.04.2015
ISBN:
978-3-593-50301-1

Politik der Geschlechterverhältnisse

Die Frauen- und Geschlechterforschung ist noch relativ jung. Ulla Bock hat Wissenschaftlerinnen der Jahrgänge 1934 bis 1949 befragt, die die ersten Professuren für Frauen- und Geschlechterforschung innehatten. Die Interviews beleuchten Prozesse der Institutionalisierung von Geschlechterforschung an den Hochschulen ebenso wie Handlungsimpulse, Entwicklungslinien und Brüche: ein Stück Wissenschaftsgeschichte und ein Beitrag zum Dialog zwischen den Generationen.

»Inhaltlich beeindruckend ist die häufig intensive Involvierung der Protagonistinnen in Frauen- und soziale Bewegungen, ihre Einsichten in die Bedeutung von Mentor_innen, Vorbildern, Netzwerken und Verbündete sowie erfahrene Anerkennung und Ablehnung.«, WeiberDiwan, 06.07.2016

Autorentext
Ulla Bock, Dr. phil., ist Geschäftsführerin der Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen-und Geschlechterforschung an der FU Berlin.

Leseprobe
Die Einrichtung von Professuren mit einer Voll- oder Teil-Denomination für Frauen- und Geschlechterforschung seit Anfang der 1980er-Jahre hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Frauen- und Geschlechterforschung als ein neues wissenschaftliches Feld entwickeln und ausdifferenzieren konnte. Heute ist dieser Forschungsbereich aus den Einleitung
Die Einrichtung von Professuren mit einer Voll- oder Teil-Denomination für Frauen- und Geschlechterforschung seit Anfang der 1980er-Jahre hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Frauen- und Geschlechterforschung als ein neues wissenschaftliches Feld entwickeln und ausdifferenzieren konnte. Heute ist dieser Forschungsbereich aus den Hochschulen nicht mehr wegzudenken. Die Genderprofessuren bilden Knotenpunkte in den disziplinären wie interdisziplinären Netzwerken der Frauen- und Geschlechterforschung, in denen wissenschaftstheoretische und wissenschaftspolitische Informationen ausgetauscht und strategische Diskussionen über die institutionelle Verankerung des Forschungsgebiets in der Wissenschaft geführt werden.
In der vorliegenden Studie stehen Wissenschaftlerinnen im Mittelpunkt, die als "erste sichtbare Generation" (Kahlert 2006: 107) eine Professur mit einer Voll- oder Teildenomination für Frauen- und Geschlechterforschung innehatten. Die Älteste unter ihnen ist Jahrgang 1934 und die Jüngsten wurden 1949 geboren; sie sind - mit wenigen Ausnahmen - mittlerweile emeritiert bzw. pensioniert. Diese Hochschullehrerinnen mussten sich mit Vorurteilen und Widerständen auseinandersetzen, die sich oft gegen Frauen im Wissenschaftsbetrieb überhaupt, insbesondere aber gegen die von ihnen behandelten Themen richteten. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, Frauen als Forschende und Lehrende in der Wissenschaft sichtbar zu machen und die Frauen- und Geschlechterforschung in den Hochschulen institutionell zu verankern. Als Wegbereiterinnen für nachfolgende Generationen haben sie Pionierarbeit geleistet.
Mit 38 dieser insgesamt 65 Genderprofessorinnen an deutschsprachigen Hochschulen wurden zwischen Februar 2012 und September 2013 Interviews geführt. Die Aussagen der Gesprächspartnerinnen wurden thematisch geordnet und auszugsweise in einen kontextualisierenden Fließtext eingebunden. Zudem wurden wichtige Informationen der wissenschaftlichen Biografie jeder Einzelnen zu Kurzporträts zusammengefasst, die im Anhang abgedruckt sind.
Als Pool für die Auswahl der Interviewpartnerinnen diente die Berliner "Datenbank für Professuren mit einer Voll- oder Teil-Denomination für Frauen- und Geschlechterforschung an deutschsprachigen Hochschulen" (kurz: "Berliner Datenbank Genderprofessuren"). Die Gespräche wurden mithilfe eines zweigeteilten Interviewleitfadens strukturiert. Im ersten Teil des Interviews ging es darum, wie sich die Befragten die eigene akademische Laufbahn im Rückblick vergegenwärtigen und wie sie sich im Sinne Pierre Bourdieus im Feld der Wissenschaft positionieren konnten: Hatten sie bereits zu Beginn ihres Studiums bzw. ihrer wissenschaftlichen Qualifikationsphase Ziele, auf die sie hinarbeiten wollten? Gab es (weibliche) Vorbilder, die ihnen eine Orientierung geben konnten, und Personen oder Institutionen und Förderprogramme, durch die sie konkrete Unterstützung erfahren haben? Welche Motive lagen ihrer Bewerbung auf eine Frauenforschungs- bzw. Genderprofessur zugrunde? Inwieweit war diese Professur im unmittelbaren Fachkollegium und darüber hinaus in der Scientific Community eingebettet und angesehen? Haben sie für ihre wissenschaft-liche Leistungen Anerkennung und Wertschätzung erfahren? Welche Ein-schränkungen und Behinderungen haben sie erlebt? Welche Bedeutung messen sie den Frauennetzwerken inner- und außerhalb der Hochschulen bei, die sie zum Teil selbst mit aufgebaut haben? Am Ende dieses berufs-biografischen ersten Gesprächsteils stand die Frage, ob die jeweilige Interviewpartnerin im Rückblick auf ihre Hochschultätigkeit ihren beruflichen Weg noch einmal so gehen würde, genauer: ob sie sich noch einmal auf eine Professur mit einer Denomination für Frauen- und Geschlechterforschung bewerben würde.
Die berufliche Laufbahn der Genderprofessorinnen ist eng mit ihrem Engagement verbunden, die Frauen- und Geschlechterforschung als ein neues Forschungsfeld in den Hochschulen zu konturieren und institutionell zu verankern. Im zweiten Teil des Gesprächs wurden die Interviewpartnerinnen deshalb gebeten, vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Erfahrungen und Expertise sowohl die wissenschaftliche als auch die politische Bedeutung der Genderprofessuren an deutschsprachigen Hochschulen einzuschätzen: Haben diese Professuren die Entwicklung der Frauen- und Geschlechterforschung maßgeblich mit vorangebracht und damit die Sichtbarkeit und Akzeptanz dieses Forschungsfelds erhöht? Reicht die Anzahl der derzeit vorhandenen Genderprofessuren im deutschsprachigen Raum ihrer Ansicht nach aus, um Frauen- und Geschlechterforschung theoretisch weiterentwickeln und mit entsprechenden Forschungs- und Infrastrukturprojekten strukturell verankern zu können? Wie steht es gegenwärtig um die Bereitschaft der Hochschulen, freiwerdende Genderprofessuren neu zu besetzen oder auch zusätzliche Genderprofessuren zu schaffen? Was ist davon zu halten, dass das Konzept der Vielfalt (Diversity) derzeit viel Aufmerksamkeit erhält und dass Frauen- und Geschlechterforschung bzw. Gender Studies zunehmend mit Diversity Studies eng verbunden werden? Sollten (mehr) Männer auf Genderprofessuren tätig sein? Besteht ein Unterschied zwischen der älteren Generation von "Genderforscherinnen", die inzwischen die Hochschulen verlassen haben, und der jüngeren Generation, die zurzeit an den Hochschulen aktiv diesen Forschungsbereich vertritt und zu der inzwischen auch männliche Kol-legen gehören? Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen Unterschieden und den veränderten Rahmenbedingungen an den Hochschulen?
Angesichts der Tatsache, dass die Gruppe der Befragten mit 38 Personen eher klein ist, liegt der Einwand nahe, dass ihre Erfahrungen und Einschätzungen nicht generalisierbar und deshalb nicht aussagekräftig sind. Zumindest vordergründig wird dieser Einwand noch verstärkt durch die deutlich erkennbaren Unterschiede zwischen den Interviewpartnerinnen im Hinblick auf persönliche Lebensentwürfe und konkrete Lebenswege. Sie gehen nicht nur auf Unterschiede in der familiären Herkunft und die damit verbundenen Sozialisationserfahrungen, sondern auch auf die Arbeitsbedingungen an den jeweiligen Hochschulen zurück, die wiederum in engem Zusammenhang mit der Hochschulpolitik der (Bundes )Länder stehen. Hinzu kommt, dass auch die Fachdisziplinen, die von den Gesprächspartnerinnen vertreten werden, Denkstil, Sicht- und Handlungsweisen beeinflussen. Führt man sich jedoch das gesamte Material aus den Interviews vor Augen, ist über alle Unterschiede hinweg gleichwohl Vergleichbares erkennbar: Was diese Generation von Frauen verbindet, ist die übe…


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