Tropenliebe

Tropenliebe

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593502878
Untertitel:
Schweizer Naturforscher und niederländischer Imperialismus in Südostasien um 1900
Genre:
Geschichts-Lexika
Autor:
Bernhard C. Schär
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Anzahl Seiten:
374
Erscheinungsdatum:
11.05.2015
ISBN:
978-3-593-50287-8

Globalgeschichte

»Tropenliebe« erzählt die Geschichte von Paul und Fritz Sarasin, zweier reicher Patriziersöhne und Naturforscher aus Basel. Die Großvettern reisten um 1900 durch die asiatischen Kolonien Großbritanniens und der Niederlande, um auf tropischen Inseln fernab ihrer beengten Heimat Raum für ihre Liebe zueinanderzufinden. Zugleich verfolgten sie große wissenschaftliche Projekte: Bei ihrer Rückkehr brachten sie Hunderttausende Pflanzen, Tiere und ethnografische Objekte mit nach Basel, wo sie das »Völkerkundemuseum« gründeten. In Indonesien halfen sie den Niederländern, Celebes (heute Sulawesi), eine der größten Inseln ihres Kolonialreichs, zu erobern. In Deutschland feierte man sie als Pioniere der »Rassenforschung«. Die Geschichte von Liebe und Gewalt in Südostasien wirft ein neues Licht auf die deutsche und niederländische Kolonialgeschichte sowie auf jene der Schweiz, die lange dachte, dass sie gar keine hätte.

"höchst anregende Studie" Urs Hafner, Neue Zürcher Zeitung, 15.07.2015 »Tropenliebe is meticulously researched, well structured, entertainingly written, and enriched with numerous helpful maps and historic photographs. It has much to offer studens of colonial history, environmental history, gender and sexuality studies, the history of science, an Southeast Asian studies alike.« Hilary Howes, The Journal of Pacific History, 23.08.2016 Schärs detaillierte und behutsam argumentierende Fallstudie ist ein Glücksfall für das neue Feld der postkolonialen Wissensgeschichte der Schweiz. [] Das Buch ist zudem ausgezeichnet strukturiert und flüssig geschrieben, sodass man ihm auch viele Leserinnen und Leser ausserhalb der historischen Zunft wünscht.« Lukas Meier, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 11.05.2017 "Schweizer Geschichte ist eben auch die Geschichte von Schweizern - und sie ist damit auch Geschichte eines Europas, das nicht an Europas Grenzen endet, sondern das insbesondere im vorletzten Jahrhundert unheilvoll auf andere Kontinente übergriff. Schärs Studie gebührt das Verdienst, dies zum exakt richtigen Zeitpunkt in Erinnerung zu rufen - in einem Jahr, da der helvetischen Geschichtsdebatte eine ebenso klumpige wie nachhaltige 'Marginalisierung' droht." Fabian Renz, Tages-Anzeiger, 12.05.2015 »Auf anspruchsvolle und illustrative Weise versteht es Bernhard Schär dabei, sehr persönliche Facetten der damals tabuisierten Liebe zwischen Männern mit Aspekten der Basler Stadtgeschichte, naturwissenschaftlicher Wissensgenerierung und kolonialer Durchdringung in Asien zu verknüpfen.«, H-Soz-Kult, 08.02.2016

Autorentext
Bernhard C. Schär ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für die Geschichte der Modernen Welt an der ETH Zürich.

Leseprobe
Einleitung

"Tropenliebe". Mit diesem Wort sind zwei Dinge gemeint. Zum einen geht es um eine Liebe in den Tropen. Es handelt sich um die Liebe zwischen den beiden Basler Vettern und Patriziersöhnen Paul und Fritz Sarasin. Sie wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts in eine Gesellschaft geboren, die Liebe zwischen Männern als krankhaft und unchristlich betrachtete. Um ihre Liebe zu leben, investierten die beiden Freunde ihren geerbten Reichtum in eine Karriere als wissenschaftliche Tropenreisende. Diese führte sie für mehrere Jahre nach Ceylon (das heutige Sri Lanka) und Celebes (das heutige Sulawesi in Indonesien). Fernab der Zwänge ihrer Heimat fanden sie dort Raum zur Entfaltung ihrer Liebe. Zugleich erwarben sie mit der Erforschung dieser Inseln große internationale Anerkennung. 1896 kehrten sie als Stars in die Schweiz zurück, wo sie alsbald zu den einflussreichsten Naturwissenschaftlern des Landes aufstiegen.
Die Geschichte der Sarasins handelt aber auch von einer Liebe für die Tropen. "Die ganze Umgebung ist wunderbar schön", schrieb beispielsweise Fritz Sarasin im Sommer 1893 aus Celebes an seine Mutter nach Basel: "eine Vegetation, wie wir sie kaum je gesehen haben, prachtvolle Ausblicke auf die See und auf die riesigen waldbedeckten Vulkane." Eine besondere Freude bereiteten den Sarasins die Menschen (nicht zuletzt die Knaben) im "Herzen der tropischen Urwälder". Diese seien von der "Cultur" noch völlig unberührt, "nackt, monogam, naiv und unschuldig, ohne bestimmte Religionsform, ohne Erkenntnis des Guten und Bösen, also ohne höhere Einsichten, ohne Ackerbau, sich mühelos von den Früchten der Bäume nährend".
Die Liebe für tropische Naturobjekte und für "Naturvölker", die in diesen Zitaten zum Ausdruck kommt, war tief verankert in der europäischen Kulturgeschichte. Mit dem Begriff der Tropen wurde seit dem späten 18. Jahrhundert alles Exotische, Wilde, Ursprüngliche und Üppige bezeichnet, das dem Vertrauten, Geordneten, Zivilisierten und Gemäßigten, kurz: dem Europäischen, entgegengesetzt schien. Der Historiker David Arnold spricht davon, dass die europäische Eroberung der Welt ab dem 18. Jahrhundert zu einer "Tropikalisierung" der Amerikas, Afrikas und Asiens in der europäischen Fantasie beigetragen habe. In diesem Sinne war die Liebe für die Tropen eine zutiefst ambivalente und zerstörerische Liebe.
So brachten die Sarasins allein aus Celebes mehr als 1000 Tiere und Pflanzen sowie rund 680 ethnografische Objekte und etwa 600 Fotografien nach Basel zurück. In Ceylon jagten sie trächtige Elefantenkühe in der Absicht, embryologische Studien an deren ungeborenem Nachwuchs vorzunehmen. Neben einer unbekannten Anzahl von Naturobjekten brachten sie auch 84 menschliche Schädel und weitere Skelettteile nach Basel zurück, die sie zu großen Teilen aus den Gräbern der Gesellschaften vor Ort entwendet hatten. Um an diese Objekte zu gelangen, die heute in den Sammlungen des Naturhistorischen und des Museums der Kulturen in Basel aufbewahrt werden, waren die Sarasins auf Unterstützung der Kolonialmacht angewiesen.
In Celebes stellte diese den Baslern Träger und Führer zur Verfügung. Über ein halbes Dutzend von ihnen bezahlte die Teilnahme an den äußerst anstrengenden Expeditionen mit dem Leben. Die Expeditionen führten durch das Hochland der Insel, das um 1900 noch nicht kolonisiert war. Die Forschungsreisen der Sarasins, die von einem niederländischen Kolonialbeamten begleitet wurden, gaben den niederländischen Kolonialbehörden erstmals Einblick in Territorien, die ihnen bis dahin verschlossen waren. So legten die wissenschaftlichen Expeditionen in Celebes den Grundstein für die militärische Invasion der Insel. Ab 1905 drang die niederländische Kolonialarmee ins Hochland vor. Dort traf sie auf mehrheitlich mit Speeren und Kurzschwertern bewaffnete Widerstandskämpfer. Während sich der Widerstand gegen die Invasion dieser schwer zugänglichen Insel, die rund doppelt so groß wie die Niederlande und die Schweiz zusammen ist, insgesamt über drei Jahre zog, dauerten die einzelnen Gefechte nur kurz. Die Kämpfer aus Celebes starben zu Hunderten im Sperrfeuer niederländischer Artillerie und Infanterie. Die Niederländer verzeichneten dagegen nur minimale Verluste. Die militärischen Gräueltaten und die darauf folgende Unterwerfung der Insel bedeuteten das Ende einer "wilden ursprünglichen Kultur", wie Fritz Sarasin Jahre später den Untergang der autonomen Gesellschaften auf Celebes kommentierte.
In den vielen Hundert Seiten, die die Sarasins nach ihrer Rückkehr in die Schweiz über Celebes schreiben sollten, äußerten sie sich kaum über die niederländischen Gewaltakte. Eine "Reihe nicht unblutiger Kriege" ist die kritischste Formulierung, die sich in den Quellen findet. Zu ihrer eigenen Involvierung in diese Gewaltakte sowie zum zerstörerischen Charakter ihrer Sammlungstätigkeit überhaupt äußerten sie sich nie. Vielleicht können jedoch ihre Karrieren in der Schweiz als stummes Eingeständnis einer verdrängten Teilverantwortung für diese Geschehnisse gedeutet werden. Gemeinsam bzw. einzeln übernahmen die Sarasins ab den späten 1890er Jahren die Leitung des Basler Naturhistorischen Museums. Sie gründeten das …


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