Kriege

Kriege

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593399782
Untertitel:
Eine Gesellschaftstheorie gewaltsamer Konflikte
Genre:
Soziologische Theorien
Autor:
Barbara Kuchler
Herausgeber:
Campus
Auflage:
2. Auflage
Anzahl Seiten:
413
Erscheinungsdatum:
30.09.2013
ISBN:
978-3-593-39978-2

Wir wissen heute viel über die Umstände einzelner Kriege. Aber eine umfassende Einordnung von Kriegen in die Gesellschaft, in der sie stattfinden, steht noch aus. Wie hängen etwa die Muster der Rekrutierung von Kämpfern mit der Gesellschaftsform zusammen, in der sie leben? Wo ist die Kontrolle der bewaffneten Truppen angesiedelt? Inwieweit werden Rollenkontexte durch Kriege beschädigt und wie werden sie geschützt? Wie wird über Kriegsanfang und Kriegsende entschieden? Auf der Basis der soziologischen Gesellschaftstheorie analysiert Barbara Kuchler Zusammenhänge zwischen Kriegsformen und gesellschaftlichen Differenzierungsformen seit der Antike bis heute. Sie arbeitet dabei das typische Profil moderner Kriege heraus, das sich jenseits aller Unterschiede zwischen "alten" und "neuen", regulären und irregulären Kriegen beobachten lässt.

»Die Autorin geht grundlegenden Fragen nach, um die Rolle des Krieges in der Gesellschaft bestimmen zu können mit wertvollen Ergebnissen, die überraschen dürften.« Thomas Speckmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.11.2013

Autorentext
Barbara Kuchler, PD Dr.phil., war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld. 2021/22 hatte sie die Vertretungsprofessur am Lehrstuhl für Geschlechtersoziologie an der Universität Tübingen inne.

Klappentext
Wir wissen heute viel über die Umstände einzelner Kriege. Aber eine umfassende Einordnung von Kriegen in die Gesellschaft, in der sie stattfinden, steht noch aus. Wie hängen etwa die Muster der Rekrutierung von Kämpfern mit der Gesellschaftsform zusammen, in der sie leben? Wo ist die Kontrolle der bewaffneten Truppen angesiedelt? Inwieweit werden Rollenkontexte durch Kriege beschädigt und wie werden sie geschützt? Wie wird über Kriegsanfang und Kriegsende entschieden? Auf der Basis der soziologischen Gesellschaftstheorie analysiert Barbara Kuchler Zusammenhänge zwischen Kriegsformen und gesellschaftlichen Differenzierungsformen seit der Antike bis heute. Sie arbeitet dabei das typische Profil moderner Kriege heraus, das sich jenseits aller Unterschiede zwischen "alten" und "neuen", regulären und irregulären Kriegen beobachten lässt.

Leseprobe
Das 20. Jahrhundert ist als das gewalttätigste und kriegerischste Jahrhundert überhaupt bezeichnet worden (so William Golding, zit. in Kruse 2009: 198), und wie das 21. Jahrhundert in dieser Hinsicht abschneiden wird, ist noch nicht abzusehen. In Aussagen wie diese ist eine normative Wertung so tief eingelassen, dass sie uns normalerweise gar nicht auffällt - unausgesprochen mitgeführt wird eine Negativbeurteilung von Kriegen, die Klage über das dadurch verursachte Leid zahlloser Menschen und die Hoffnung, es in Zukunft reduzieren zu können. Dem Soziologen muss, anders als dem Alltagsbeobachter, eine solche latent mitgeführte Wertung auffallen, denn er hat die Aufgabe, hinter die gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten zu schauen und sie zu "erklären" oder jedenfalls auf dahinterliegende Strukturgesetzlichkeiten durchsichtig zu machen. Bei einem zweiten Blick wird man denn auch relativ schnell bemerken, dass die uns so geläufige Einschätzung von Krieg als etwas Schrecklichem historisch ziemlich jung ist und Kriegführung über den größten Teil der Geschichte vielmehr als ehrenvolles und nützliches Tätigkeitsfeld galt. Autoren, die sich mit Krieg befassen, stellen nahezu die ganze Geschichte hindurch vorzugsweise die Frage, wie man Kriege gewinnen kann, und nicht - wie heute verbreitet - wie man sie vermeiden, verkürzen oder gar abschaffen kann (Deutsch 1957: 200; Wright 1968: 463). Warum ist die Wertung, dass Krieg etwas Schlechtes sei, in der heutigen Gesellschaft so alternativlos? Und alternativlos ist sie - Abweichungen von der Regel, dass "wir alle Pazifisten sind" (Hall 1985: 140f.), gibt es nur in zwei Formen, die beide die Regel bestätigen. Entweder man propagiert Kriege in instrumenteller Einstellung als kleineres Übel gegenüber dem, was sonst geschehen würde (faschistische Eroberungszüge oder ungehemmte Entfaltung brutaler Regimes), mithin als Mittel zu einem für wichtig gehaltenen Zweck, nicht aber als Sache selbst. Oder man schätzt Krieg in egoistisch-partikularistischer Einstellung, wenn man - etwa als "Kriegsherr" - Profite davon zu erwarten hat, was dann aber eben ein extrem partikularer Standpunkt ist, der von praktisch allen Beobachtern verurteilt und für unmoralisch oder kriminell gehalten wird. Aus ausreichend großer Distanz lässt sich diese gesellschaftsweit etablierte Wertung auf die funktionale Differenzierung der Gesellschaft zurückführen, also auf diejenige, insbesondere von Niklas Luhmann beschriebene Strukturform der modernen Gesellschaft, die diese in ein Nebeneinander von etwa einem Dutzend Teilsystemen zerfallen lässt - Politik, Wirtschaft, Recht, Bildung, Wissenschaft usw. -, die sich für die Beteiligung (Inklusion) prinzipiell aller Menschen offenhalten. Inklusion bedeutet zum einen, dass neue Formen für die Teilnahme von Menschen an Kriegen entstehen: die allgemeine Wehrpflicht, aber auch die Möglichkeit der Selbstrekrutierung für Guerillakriege, die Möglichkeit der Mobilisierung im Rahmen einer "Heimatfront" und die Möglichkeit der planvollen Viktimisierung (Tötung, Vertreibung, Vergewaltigung usw.) einer politisch unliebsamen Bevölkerung. Kriege erwerben damit ein Potenzial für ausufernde Betroffenheiten und Destruktionswirkungen - was aber allein noch keine hinreichende Ursache für die sich durchsetzende Negativwertung von Krieg sein kann, da es extrem grausame und verlustreiche Kriege, wie jeder Historiker bestätigen wird, die ganze Geschichte hindurch gab. Darüber hinaus hat der Inklusionstrend der modernen Gesellschaft aber zur Folge, dass der Beobachterstandpunkt für gesamtgesellschaftlich vertretbare Wertungen sich zunehmend auf die Position der Inklusionsrolle verschiebt: die Politik arbeitet gut, wenn sie die Bürger zufriedenstellt, die Schulen arbeiten gut, wenn die Schüler viel lernen, die Wirtschaft arbeitet gut, wenn allgemeine Wohlstandszuwächse zu verzeichnen sind, usw. Auch Kriege werden - und das ist das historisch Neue - zunehmend aus der Perspektive der Zivilisten, der unschuldig leidenden Opfer oder indirekt Betroffenen beurteilt (statt aus der Perspektive der Kriegführenden oder Kriegsverantwortlichen); und unter dieser Prämisse ist die Negativwertung von Kriegen in der Tat unausweichlich. Dieser Wertung soll mit dem vorliegenden Buch natürlich keineswegs widersprochen werden; es kann nicht darum gehen, jetzt wieder die positiven Seiten von Krieg - worin immer diese gesehen werden mögen - herauszustellen. Es ist auch klarzustellen, dass die Autorin als Mensch diese Wertung ebenfalls teilt, ebenfalls Krieg schlecht und Frieden gut findet (zur Prämisse "that peace is good and war is bad" Beer 1981: xxii; vgl. auch Malinowski 1941: 22; Bock 1955: 109; Mead 1968; Gantzel 1972: 31). Wissenschaftlich genügt es aber nicht, solche Wertstandpunkte einzunehmen, sondern wissenschaftlich muss man sich zunächst möglichst weit von seinem Gegenstand distanzieren, um ihn dann mit desto größerem Erkenntnisgewinn durchleuchten zu können (so auch Helbling 2006). Das ist die Absicht dieses Buches: das Phänomen Krieg auf der Grundlage einer leistungsfähigen soziologischen Theorie - der Systemtheorie und speziell der Theorie funktionaler Differenzierung - zu analysieren und damit das Feld der Kriegssoziologie um eine theoretisch durchgearbeitete Beschreibung zu bereichern. Der eben skizzierte Zusammenhang zwischen moderner Inklusionstendenz und prinzipieller Negativwertung von Kriegen ist nur ein Beispiel für diesen Typ von Analyse, das hoffentlich Appetit auf mehr macht. Schließlich ist, so Klaus Schlichte (2006a: 124), "eine Theorie des Krieges ohne eine Theorie der Gesellschaft nicht zu hab…


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