Jüdischer Adel

Jüdischer Adel

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593397757
Untertitel:
Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts
Genre:
Neuzeit bis 1918
Autor:
Kai Drewes
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 08.2013
Anzahl Seiten:
467
Erscheinungsdatum:
07.11.2013
ISBN:
978-3-593-39775-7

Kaum bekannt ist, dass es im 19. Jahrhundert auch Adlige jüdischen Glaubens gab. Kai Drewes untersucht diesen blinden Fleck in der Bürgertumsforschung für Preußen, Österreich und Großbritannien. Er fragt nach der Attraktivität staatlich-monarchischer Auszeichnungen, der Zugänglichkeit von Adelstiteln für Juden und dem Titeltransfer über Ländergrenzen hinweg. Gezeigt wird: Die Nachfrage nach Adelstiteln war noch um 1900 in ganz Europa hoch, auch bei Juden. Der facettenreiche Einblick in Selbst- und Fremdwahrnehmung jüdischer Großbürger mit Adelswunsch berichtigt und ergänzt die Bürgertums- und Adelsforschung wie auch die jüdische Geschichte.

"Inhaltlich trägt Drewes mit seiner umfangreichen und gründlichen Arbeit zur Aufklärung und Differenzierung des Gesamtbildes zum 'jüdischen Adel' bei, so dass das Werk eine Forschungslücke schließt und im Bereich der Adelsforschung neue Details offenbart.", Nobilitas - Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, 12.11.2013

Autorentext
Kai Drewes, Dr. phil., Historiker und Bibliothekar, lebt in Göttingen.

Klappentext
Kaum bekannt ist, dass es im 19. Jahrhundert auch Adlige jüdischen Glaubens gab. Kai Drewes untersucht diesen blinden Fleck in der Bürgertumsforschung für Preußen, Österreich und Großbritannien. Er fragt nach der Attraktivität staatlich-monarchischer Auszeichnungen, der Zugänglichkeit von Adelstiteln für Juden und dem Titeltransfer über Ländergrenzen hinweg. Gezeigt wird: Die Nachfrage nach Adelstiteln war noch um 1900 in ganz Europa hoch, auch bei Juden. Der facettenreiche Einblick in Selbstund Fremdwahrnehmung jüdischer Großbürger mit Adelswunsch berichtigt und ergänzt die Bürgertums- und Adelsforschung wie auch die jüdische Geschichte.

Leseprobe
1 Einleitung Die Zeit war damals strenge, wie man weiß. Aber sie erkannte Ausnahmen an und liebte sie sogar. Es war einer jener wenigen aristokratischen Grundsätze, denen zufolge einfache Bürger Menschen zweiter Klasse waren, aber der und jener bürgerliche Offizier Leibadjutant des Kaisers wurde; die Juden auf höhere Auszeichnungen keinen Anspruch erheben konnten, aber einzelne Juden geadelt wurden und Freunde von Erzherzögen; die Frauen in einer überlieferten Moral lebten, aber diese und jene Frau lieben durfte wie ein Kavallerieoffizier. (Es waren jene Grundsätze, die man heute "verlogene" nennt, weil wir so viel unerbittlicher sind; unerbittlich, ehrlich und humorlos.) Joseph Roth, Radetzkymarsch (1932) Thema und Fragestellung Rastlos arbeitete Theodor Herzl 1895 in Paris an seinem Judenstaat. Unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre stellte er auch in seinem Tagebuch und bis ins Detail Pläne für einen jüdischen Staat an. Am 10. Juni notierte er: Auch werde ich durch Adelsverleihung grosse persönliche Opfer geleistet bekommen. Für Geld darf bei uns weder Adel, noch Orden zu haben sein. Ich werde die bis zur Reichsgründung anderwärts erworbenen, ohne Rücksicht auf ihre Erlangung nostrificiren. Später nur mehr die auch anderwärts auf wirklich adelswürdige Weise. Ein Jude wird sich nicht das portugiesische Marquisat kaufen, und bei uns nostrificiren können. Aber wenn er in Portugal für glänzende Themen (die ja auch auf uns zurückstrahlen) geadelt wird, erkenne ich ihn daheim an. Immer wird das vom Adelsamt genau zu prüfen sein, individualisiren. Bemerkenswert hieran sind weniger Herzls Allmachtsphantasien als die Selbstverständlichkeit, mit der er für ein jüdisches Staatswesen außerhalb Europas das vertraute System persönlicher und erblicher Auszeichnungen berücksichtigte: ein Adelsamt für den Judenstaat. In der Frühphase der zionistischen Bewegung war es sogar Herzls Absicht, den neuen Staat als konstitutionelle Monarchie zu verfassen, wenn auch als Zugeständnis in Form einer Wahlmonarchie. Die Fürstenwürde antragen wollte Herzl der Familie Rothschild als sozusagen ungekrönter jüdischer Königsfamilie Europas (was manches ihrer Mitglieder ganz genauso sah ). Sein Konzept einer Rede an die Rothschilds, woraus der Judenstaat hervorging, sah noch die werbenden Sätze vor: Wir machen Sie gross [sic], denn wir nehmen unseren ersten Wahlfürsten aus Ihrem Hause. Das ist die glänzende Laterne, die wir auf den beendigten Eiffelthurm Ihres Vermögens setzen. Der ganze Thurm wird in der Geschichte aussehen, als wäre er darauf angelegt gewesen. Herzls Meinung von den tatsächlichen jüdischen Adligen seiner Zeit wie Lord Rothschild in London, Baron de Rothschild in Paris und Baron Moritz von Hirsch sollte sich allerdings bald drastisch verschlechtern, da diese sich unempfänglich für seine weitreichenden Pläne zeigten. Auch musste Herzl erkennen, dass wichtigen Mitstreitern in der zionistischen Bewegung die Idee einer "Verpflanzung des Adels missfiel", so dass er am 18. August 1895 die Konsequenz zog: "Ich werde also den Adel fallen lassen". Doch nur drei Monate später heißt es im Tagebuch begeistert über die Töchter des mit Herzl sympathisierenden britisch-jüdischen Obersten Goldsmid (welcher mit der jüdischen Adelsfamilie dieses Namens entfernt verwandt war): "Schon hatte ich die jüdischen Aristokratinnen der kommenden Zeit vor mir. Feine Wesen, mit einem orientalischen Zug, sanft und träumerisch." Und im Abschnitt "Verfassung" des Judenstaats (1896) sprach Herzl sich auch öffentlich als "überzeugter Freund monarchistischer Einrichtungen" für eine "aristokratische Republik" nach venezianischem Vorbild aus. Denn die von ihm favorisierte "demokratische Monarchie" könne auf Grund der so lange ausgesetzten jüdischen Staatlichkeit nicht an das antike Königtum anknüpfen. Herzl, der selbst zu gern "ein preußischer Altadeliger" gewesen wäre , mochte also für sein jüdisches Utopia nicht, wenn auch in der von ihm ins Leben gerufenen Bewegung nicht unwidersprochen, auf ein klassisches Adels- und Auszeichnungssystem verzichten. Dies sollte nicht über Gebühr verwundern: Die Monarchie war in Europa um 1900 noch immer die klar vorherrschende Staatsform, wenn auch zusehends durch Verfassungsbestimmungen und institutionelle Gegengewichte eingehegt. Das ganze 19. Jahrhundert über waren die Gründungen neuer Staaten fast ausnahmslos mit der Errichtung von Monarchien einhergegangen, in den wenigsten Ländern stand vor dem Ersten Weltkrieg eine Abschaffung von Monarchie und Adel ernsthaft zur Debatte. Das deutsche Kaiserreich als verfassungsmäßiger Sonderfall umfasste sogar 22 eigenständige Monarchien, darunter vier Königreiche. Überall in Europa gab es noch immer - je nach Land sowie innerhalb der einzelnen Gesellschaften stark ausdifferenziert - den Adel als einen gesellschaftlich, teils auch gesetzlich herausgehobenen Stand. Da "das 19. Jahrhundert eine Art von Goldenem Oktober des europäischen Adels, vor allem seiner höheren Ränge" war (Jürgen Osterhammel) , konnten "Männer mit Kapital [] Status und Ehre immer noch nur dann erreichen, wenn sie sich den Einfluss mit Königen, Aristokraten, Landbesitzern und Bürokraten teilten []" (Christopher Bayly). Was auch für jüdische Großbürger galt. Nun mögen Judentum und Adel jeweils sehr vielgestaltig gewesen sein, nichts aber liegt aus deutscher Perspektive ferner, als eine jüdisch-adlige Schnittmenge zu vermuten. Dies umso weniger für das Kaiserreich mit seinem starken bürokratischen Antisemitismus. Wobei der (preußische) Adel bis 1918 und teils noch darüber hinaus eine führende Rolle in der Leitung von Staat und Militär zu behaupten verstand, Judenfeindschaft von oben also nicht zuletzt von adligen Verwaltungsspitzen und Offizieren ausging. Fritz Stern äußert in seiner Doppelbiographie über Bismarck und Gerson (seit 1872 von) Bleichröder denn auch angesichts des zunehmenden Antisemitismus im Kaiserreich völliges Unverständnis für das Streben des jüdischen Bankiers nach Auszeichnungen…


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