Who wants to live forever?

Who wants to live forever?

Einband:
Paperback
EAN:
9783593394794
Untertitel:
Postmoderne Formen des Weiterwirkens nach dem Tod
Genre:
Volkskunde
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 09.2011
Anzahl Seiten:
336
Erscheinungsdatum:
30.09.2011
ISBN:
978-3-593-39479-4

Bestattungen im Friedwald, Plastination oder der Versuch, durch Einfrieren den Leichnam zu konservieren: All dies sind neue Phänomene der Bestattungs- und Erinnerungskultur, die in diesem Band diskutiert werden. Der Tod, so die These, soll durch den gezielten Einsatz des eigenen toten Körpers gefügig gemacht und durch eine spezifische Vorstellung von Unsterblichkeit umgangen werden.

Autorentext
Prof. Dr. D. Groß ist Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen. Prof. Dr. B. Tag lehrt an der Rechtswiss. Fakultät der Uni Zürich. C. Schweikardt, PD Dr. med., ist wiss. Mitarbeiter an der RWTH Aachen.

Leseprobe
Der Mensch des 21. Jahrhunderts denkt sich seinen Tod und seine postmortale (Weiter-)Existenz neu. Damit verbunden ist eine zunehmende Abkehr von christlichen Bestattungsritualen und vom Friedhof als herkömmlichem Ort des Leichnams und der "letzten Ruhe". An ihre Stelle treten neue, säkulare Deutungsmuster des Todes, andere Umgangsformen mit dem (eigenen) Leichnam, aber auch neuartige Versuche, den Tod mithilfe des konkreten, materiellen Leichnams zu relativieren oder gar zu überwinden. Der vorliegende Band richtet den Blick auf eben diese rezenten Bestrebungen, den eigenen toten Körper oder den nahestehender Menschen für die Zeit nach dem Tod zu funktionalisieren beziehungsweise für persönliche Ziele dienstbar zu machen. Hierbei finden sich mannigfaltige Versuche, mit Hilfe des toten Körpers den persönlichen Handlungsspielraum über den Tod hinaus auszudehnen und der eigenen Autonomie und dem persönlichen Gestaltungswillen auch für die Zeit nach dem "eigentlichen" Tod Ausdruck zu verleihen: Die erste Form und Ausprägung dieses persönlichen, postmortalen Gestaltungswillens ist im ausgeprägten Trend zur individualisierten Bestattung greifbar. Über viele Jahrhunderte hinweg dominierte in unseren Breiten die Inhumation (Erdbestattung). Insbesondere in ländlichen und katholisch geprägten Regionen wurde den Kirchen in Deutschland bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eine Deutungshoheit in Bezug auf die Form der Bestattung des menschlichen Leichnams zugestanden, und diese stand einer flächendeckenden Einführung der Kremation (Feuerbestattung) ebenso entgegen wie einer Individualisierung und Pluralisierung der Bestattungsformen. Am Anfang des 21. Jahrhundert stellt sich diese Situation völlig anders dar: So stehen zwischenzeitlich - je nach Zählart - mehr als 20 beziehungsweise mehr als 30 Formen der Bestattung zur Wahl - von der Einarbeitung der Asche in ein Amulett bis zur Beisetzung im Lavastrom, von der Almwiesen- und Felsverstreuung bis zur Beisetzung im Korallenriff, von ökologischen Bestattungen bis zu Bestattungen im Weltraum, von der Inhumation in einem Gräberfeld für Fußballfans bis zur Transformation zu einem Erinnerungsdiamanten. Weitere Beispiele für die zunehmende Diversifizierung des Umgangs mit dem eigenen Tod sind zu Lebzeiten individuell gestaltete Totenkleider, Sargformen oder Sargbemalungen. Die Pluralisierung der Bestattung ist hierbei nicht allein Ausdruck allgemeiner gesellschaftlicher Individualisierungstendenzen und postmortalen Gestaltungswillens, sondern zugleich Zeichen einer persönlichen "Erinnerungsvorsorge". Kerstin Gernig weist in diesem Band zu Recht darauf hin, dass sich der Mensch unserer Tage die Freiheit nehme, "ein letztes individuelles, diesseitiges Ausrufezeichen zu setzen, das durch die Beisetzungsart das eigene Leben zugleich spiegelt." Die Verfügung über die eigene Asche setze dabei "ein Zeichen, das den Bezug des Menschen zu seinen Angehörigen charakterisiert. Er möchte auf eine bestimmte Art und Weise erinnert werden, sei es in Form von materiellen Erinnerungszeichen, sei es auch gerade unabhängig von allen sichtbaren Zeichen." Tatsächlich kann der eigene Leichnam auf verschiedene Weise "programmatisch" funktionalisiert werden - etwa indem die Betreffenden die Bestattung unter ein besonderes "Lebensmotiv" stellen (Beispiele: Bestattung von Fußballfans auf vereinseigenen Gräberfeldern, Seebestattung bei Seeleuten), indem sie eine besondere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zeigen (zum Beispiel durch eine ökologische, rückstandsfreie Bestattung) oder eine enge Verbundenheit mit der Natur (etwa durch eine Naturverstreuung) demonstrieren. Auch die Diamantierung, bei der Teile der sterblichen Überreste zu einem Diamanten transformiert werden, ist im einfachsten Fall an das Ziel geknüpft, nach dem Ableben erinnert zu werden. Sie kann aber auch als Ausdruck einer neuen Sehnsucht nach dauerhafter materieller Repräsentation interpretiert werden. Gleichzeitig ermöglicht sie eine Ästhetisierung der Erscheinungsform - steht der zeitlos funkelnde Diamant doch in harschem Gegensatz zum Zerfall und zur Zersetzung erdbestatteter Leichname. In allen hier beschriebenen Bestattungsformen wird die Leiche dienstbar gemacht mit dem Ziel, den persönlichen Interessen auch post mortem Geltung zu verschaffen und durch eine besondere Form der Inszenierung nachzuwirken. Die zweite Form postmortalen - oder hier vielmehr: transmortalen - Gestaltungswillens zeigt sich in dem Bestreben, den Tod mithilfe des konkreten, materiellen Leichnams zu relativieren oder zu überwinden: Das scheinbar Unverfügbarste, der Tod, soll durch den gezielten Einsatz des eigenen toten Körpers verfügbar gemacht werden, um so eine bestimmte Form des Weiterlebens oder eine spezifische Vorstellung von Unsterblichkeit zu erreichen. Eine bereits vor einigen Jahrzehnten etablierte Möglichkeit, ein "partielles Weiterleben" zu erwirken, wurde mit der Transplantationsmedizin geschaffen: Sie verdankt sich der technischen Möglichkeit, den Kreislauf bei hirntoten Menschen apparativ aufrechtzuerhalten. Hierdurch besteht die - für einen Teil der Organspender beziehungsweise deren Angehörige durchaus tröstliche - Option, im Falle des Hirntodes nicht in toto dem Verfall preisgegeben zu sein, sondern bei einer erfolgreich verlaufenden Transplantation ein (partielles) Weiterleben in der Person des Organempfängers zu erreichen. Einen Hinweis auf ein derartiges Denkmuster gibt die folgende Todesanzeige, in welcher das Schicksal eines tödlich verunglückten 41-Jährigen wie folgt mitgeteilt wird: "Sein Herz schlägt jetzt in einem anderen Menschen weiter." Auch die Plastination wird von Einzelnen als Form der materiellen Fortexistenz oder gar als "technische Wiederauferstehung" begriffen. Der Wunsch, den eigenen Leichnam posthum in ein Plastinat überführen zu lassen, kann in der individuellen Perspektive durchaus unterschiedlich motiviert sein: Die Plastinierung kann dem Ziel dienen, post mortem erinnert zu werden, also ein Weiterleben im Blick anderer zu erreichen. In diesem Fall steht der Wunsch, der Verwesung, dem materiellen Verfall entrissen zu werden - das heißt, die Sterblichkeit im Sinne von Vergänglichkeit aufzuheben -, im Mittelpunkt. Die eigene Plastinierung kann aber auch an den Wunsch gekoppelt sein, zu "überleben" im Sinne eines "materiellen Überdauerns". Verstärkt wird diese Interpretation möglicherweise durch die in den Plastinations-Ausstellungen bewusst gewählte "Ästhetik der Lebensnähe" - etwa, indem Plastinate in Vitalität suggerierende, dynamische Posen eingerückt und zudem als Individuen inszeniert werden (zum Beispiel als "Der Läufer" oder "Der Schachspieler").

Inhalt
Inhalt Einführung Alternative Bestattungsformen und postmortales Weiterwirken im 21. Jahrhundert - eine thematische Einführung Dominik Groß, Brigitte Tag und Christoph Schweikardt 11 I. Zum Umgang mit dem Tod in der Postmoderne Der populäre Tod? Obduktion, Postmoderne und die Verdrängung des Todes Hubert Knoblauch 27 Physik der Unsterblichkeit: Nahtod-Forschung und Überlebenshypothesen Ina Schmied-Knittel 55 Wege des Weiterwirkens der Toten durch …


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