Gefeierte Nation

Gefeierte Nation

Einband:
Paperback
EAN:
9783593391922
Untertitel:
Erinnerungskultur und Nationalfeiertag in Deutschland und Frankreich seit 1990
Genre:
Regional- und Ländergeschichte
Autor:
Vera Caroline Simon
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 05.2010
Anzahl Seiten:
415
Erscheinungsdatum:
31.05.2010
ISBN:
978-3-593-39192-2

Am 3. Oktober 2010 jährt sich die deutsche Einigung zum 20. Mal. Erstmals untersucht Vera Caroline Simon, wie der Tag der Deutschen Einheit gefeiert wird. Der Vergleich mit dem französischen Nationalfeiertag zeigt den Wandel beider Erinnerungskulturen seit 1990. Im Nachbarland kam es zur kritischen Auseinandersetzung mit der Nationalgeschichte und zum Aufbrechen rein nationaler Deutungsmuster in der Militärparade zum 14. Juli. Anders in Deutschland: Ein neues nationales militärisches Selbstverständnis und eine affirmative Umdeutung der Nationalgeschichte stehen im spannenden Kontrast zur französischen Entwicklung.

Autorentext
Vera Caroline Simon, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sonderforschungsbereich "Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte" der Universität Bielefeld.

Klappentext
Am 3. Oktober 2010 jährt sich die deutsche Einigung zum 20. Mal. Erstmals untersucht Vera Caroline Simon, wie der Tag der Deutschen Einheit gefeiert wird. Der Vergleich mit dem französischen Nationalfeiertag zeigt den Wandel beider Erinnerungskulturen seit 1990. Im Nachbarland kam es zur kritischen Auseinandersetzung mit der Nationalgeschichte und zum Aufbrechen rein nationaler Deutungsmuster in der Militärparade zum 14. Juli. Anders in Deutschland: Ein neues nationales militärisches Selbstverständnis und eine affirmative Umdeutung der Nationalgeschichte stehen im spannenden Kontrast zur französischen Entwicklung.

Zusammenfassung
Wer sich mit dem Wandel der Nationalkulturen in Europa beschäftigt, darf dieses Buch nicht übersehen. (VSWG)

Die gelungene Arbeit von Vera Simon stellt einen wichtigen Beitrag zur Untersuchung transnationaler Erinnerungskultur
dar. (H-Soz-u-Kult, 28.04.2011)

Leseprobe
Einleitung Am deutschen Nationalfeiertag ließ Oskar Lafontaine im Jahr 1993 ein Europa-Fest ausrichten. Als damaligem Bundesratspräsidenten oblag ihm in jenem Jahr die Ausrichtung der zentralen Einheitsfeier. Lafontaine definierte den Tag der Deutschen Einheit als Tag der gesellschaftlichen Solidarität und der Völkerfreundschaft und lud Vertreter Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs dazu ein, den 3. Oktober gemeinsam mit ihren deutschen Nachbarn zu feiern. Unter der Überschrift "Pariser Lektion" empörte sich ein Journalist der Tageszeitung Die Welt, angesichts der von Oskar Lafontaine vorgegebenen Definition müsse es den anwesenden "Franzosen Jacques Delors [] geschüttelt haben". Eine solche Feier, so der aufgebrachte Journalist, wäre in Frankreich niemals konsensfähig: "Ein Politiker, der eine solche Definition in Frankreich für den 14. Juli anzubieten wagte, würde aus Paris hinausgejagt werden. Ohne Unterschied von den Sozialisten wie von den Gaullisten." Diese Studie untersucht den Tag der Deutschen Einheit und, von ihm ausgehend, Charakteristika und Veränderungen der gesamtdeutschen Erinnerungskultur. Das eingangs angeführte Zitat verdeutlicht, dass sich eine Untersuchung der deutschen Erinnerungskultur nicht auf diese allein beschränken kann, sondern sich mit ihrer Orientierung an und Abgrenzung von anderen Erinnerungskulturen befassen muss. Ebenso ist der Tag der Deutschen Einheit nicht nur im Kontext der deutschen Vereinigung und der vormaligen Zweistaatlichkeit zu verorten, sind doch die Herstellung der deutschen Einheit und die damit verbundene Veränderung der deutschen Erinnerungskultur auch Teil eines weiter reichenden Transformationsprozesses. Aus diesem Grund wird der 3. Oktober im Vergleich mit dem französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli, betrachtet und beide werden vor dem Hintergrund einer im Konstruktionsprozess befindlichen europäischen Erinnerungskultur untersucht. Als politisches Symbol soll der Nationalfeiertag die Funktion von Integration, Identifikation und Stabilitätssicherung der bestehenden Ordnung ausfüllen. Mithin spielt er für die kulturelle Produktion nationaler Vorstellungen eine bedeutende Rolle. Er soll die Nation erfahrbar und erlebbar werden lassen, welche sich durch diese Form rituellen Handelns konstruiert und konstituiert. Gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage, welche Rolle ein Ritual wie der Nationalfeiertag angesichts einer globalisierten Welt und einer sich in ihr positionierenden Europäischen Union noch spielen kann. Der im Fokus der Studie stehende Tag der Deutschen Einheit, der seit dem 3. Oktober 1990 die Vereinigung der vormals zwei deutschen Staaten feiert, wird auf die sich mit ihm verbindenden gesellschaftlichen und politischen konkurrierenden Deutungen hin analysiert. Es wird untersucht, welche Interpretationen der Vergangenheit mit dem 3. Oktober - der als neuer Nationalfeiertag den alten westdeutschen Tag der deutschen Einheit (17. Juni) ablöst und durch den erneuten Wechsel der Feiertagssymbolik bereits einen Neuanfang suggeriert - generiert und verbreitet werden. Dabei ist nicht nur nach der historischen und politischen Einordnung der DDR und der Deutung der "asymmetrisch verflochtenen Parallelgeschichte" der zwei deutschen Staaten am Tag der Deutschen Einheit zu fragen, sondern ebenso nach der Bewertung der Ereignisse von 1989/90. Im Gegensatz zur DDR konnte die alte Bundesrepublik "nahezu den gesamten Bestand ihrer politischen Rituale und Symbole einbringen". Als einziges neues Staatssymbol wurde der 3. Oktober eingeführt. Die damit aufgeworfene Frage nach der kulturellen Integration der neuen Bundesbürger stellt sich jedoch auch für den neuen Nationalfeiertag, der in seiner Datumswahl nicht an ein markantes Ereignis der so genannten friedlichen Revolution, sondern an den Staatsakt der Vereinigung erinnert. Welcher Gründungsmythos wird angesichts einer auch symbolisch "verpassten Neugründung" durch die unterlassene plebiszitäre Zustimmung zur Herstellung der deutschen Einheit propagiert und wird auf der Suche nach gesamtdeutschen Identifikationsangeboten in der Geschichte weiter, und zwar noch vor die doppelte Staatsgründung zurückgegangen? Und kann der 3. Oktober eine die "Rituale des Zwiespalts" überhöhende Deutung inszenieren, zum gesamtdeutschen Symbol avancieren und die über vierzig Jahre hinweg etablierte Abgrenzungslogik von DDR und Bundesrepublik in ihren Mythen, Inszenierungsformen und Staatssymbolen überwinden? Die antithetischen Erinnerungskulturen der ehemals zwei deutschen Staaten manifestierten sich besonders eindrücklich am Holocaustgedächtnis, das mit der Vereinigung in ein gesamtdeutsches Gedächtnis überführt werden musste. Angesichts dieser Fragen wird das Terrain der Deutungskämpfe offenkundig, deren parteipolitischen und gesellschaftlichen Ausprägungen nachgegangen wird. Zugleich ist die Interpretation der Vergangenheit mit konkreten Handlungsfragen verbunden, da außenpolitische Handlungsräume neu bestimmt werden mussten, für deren Formulierung die jeweilige Interpretation der Vergangenheit, die Legitimität eines neuen deutschen Nationalstaates und der Wert der Nation nach 40 Jahren deutscher Zweistaatlichkeit eine bedeutende Rolle spielten. Somit tritt neben die Binnenfunktion die Außendarstellung der politischen Symbole. Die im In- und Ausland geführten Debatten um die Gefahren eines "Vierten Reichs" einerseits, sowie die Erwartungen, die dem souveränen deutschen Nationalstaat andererseits angetragen wurden, lassen erahnen, in welch vielfältige Kommunikations- und Deutungszusammenhänge der Tag der Deutschen Einheit eingebettet ist und in welchem Spannungsfeld sich der neue Nationalfeiertag mithin bewegt. Ein Vergleich mit dem 14. Juli und der französischen Erinnerungskultur, die einen weiteren derartigen Deutungszusammenhang des 3. Oktober darstellen, ist in mehrfacher Hinsicht lohnend: Grundsätzlich sollte eine Studie, die sich mit der kulturellen Produktion nationaler Vorstellungsinhalte befasst und somit einem konstruktivistischen Ansatz folgt, vergle…


billigbuch.ch sucht jetzt für Sie die besten Angebote ...

Loading...

Die aktuellen Verkaufspreise von 6 Onlineshops werden in Realtime abgefragt.

Sie können das gewünschte Produkt anschliessend direkt beim Anbieter Ihrer Wahl bestellen.


Feedback