Österreichisches Judentum zwischen Ost und West

Österreichisches Judentum zwischen Ost und West

Einband:
Paperback
EAN:
9783593391915
Untertitel:
Die Israelitische Allianz zu Wien 1873-1938
Genre:
Regional- und Ländergeschichte
Autor:
Björn Siegel
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 05.2010
Anzahl Seiten:
328
Erscheinungsdatum:
31.05.2010
ISBN:
978-3-593-39191-5

Die Israelitische Allianz zu Wien spiegelt den Geist des habsburgisch-deutschen Judentums im 19. Jahrhundert wider. Anhand bisher unveröffentlichter Quellen skizziert Björn Siegel die Geschichte dieser einzigartigen jüdischen Organisation vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Gegensatzkonstruktion des "Westens" und "Ostens" - und beleuchtet damit einen wichtigen Aspekt des europäischen Judentums.

Autorentext
Björn Siegel, Dr. phil., promovierte an der Universität München und wurde 2006/2007 mit dem Leo Baeck Fellowship ausgezeichnet.

Leseprobe
1938 endete ein Entwicklungsprozess, der knapp 150 Jahre zuvor begonnen hatte. Zurückgehend auf das Jahr 1781, welches durch die Veröffentlichung der Schrift von Christian Wilhelm von Dohm und das Judenedikt von Kaiser Joseph II. zu einem zentralen Wendepunkt in der jüdischen Geschichte wurde, erhielten die aufgeklärte Vision des staatsnützlichen und produktiven jüdischen Bürgers und die Emanzipations- und Assimilationsprozesse entscheidende Impulse. Die Veränderungen der politisch-kulturellen Rahmenbedingungen ermöglichten den Juden, die bisherige gesellschaftliche Sonderstellung zu verlassen und Teil der "Nation" zu werden. Vor dem Hintergrund der beginnenden Integration der Juden in die Gesellschaft entstand ein einzigartiges österreichisch-jüdisches Selbstverständnis in Wien. Dieses basierte auf einer engen Assimilation an die deutsche Kultur und ließ die erst 1832 anerkannte IKG Wien zu einem bedeutenden Zentrum dieses kulturellen Selbstverständnisses werden. Eng verbunden mit dieser sprachlich-kulturellen Affinität war die religiöse Entwicklung in Wien. Ausgehend von Isaak Noa Mannheimer, der sich intensiv mit den Ideen der religiösen Reform auseinandersetzte, entstand die religiöse Kompromissformel des "Wiener Ritus". Dieser beinhaltete die Beibehaltung von traditionellen religiösen Strukturen und die Einführung gemäßigter Veränderungen, wie zum Beispiel die Zulassung der deutschen Predigt. Die Balance zwischen orthodoxem Traditionalismus und reformorientierter Fortschrittlichkeit bestimmte von da an die jüdische Sphäre der Donaumetropole. Auch Adolf Jellinek folgte diesem Vorbild und versuchte, durch die Vorstellung des "jüdischen Stammes" eine Auflösung der zeitgenössisch so empfundenen religiösen Gegensätze zu erreichen. Der Wunsch nach einer homogenen kulturellen Assimilation, einer religiösen Einheit und einer übergreifenden Wohlfahrt bestimmte auch die Politik Moritz Güdemanns und zeugte davon, dass alle drei Rabbiner Wiens den religiösen Bereich inhaltlich ähnlich besetzten und damit den Rahmen für die Etablierung der "Wiener Kultur" schufen. Die unterschiedlich verlaufenden Entwicklungsprozesse in "West" und "Ost" hatten somit aus zeitgenössischer Sicht Gegensätze entstehen lassen. In Österreich bzw. Österreich-Ungarn hatte sich aufgrund der "Wiener Kultur" und der damit verbundenen Assimilations- und Emanzipationsprozesse das Selbstverständnis herausgebildet, Teil des "Westens", des Fortschritts und der Moderne zu sein. Hatte sich die österreichisch-jüdische Elite klar als Teil des "Westens" definiert, führte dies folgerichtig zur Konstruktion des Gegenbildes des "Ostens". Im Verbund mit dem neu aufkommenden Gedankengut der Philanthropie entstanden weitere Voraussetzungen für die Transferprozesse, die die IAzW beginnen sollte.

Inhalt
Inhalt 1. Einleitung 1.1 Theoretische und methodische Einführung in das Thema 1.2 Fragestellung und Quellenlage 2. "West" und "Ost" - Die Etablierung eines Gegensatzes 2.1 Die Aufspaltung Europas: Emanzipations- und Assimilationsprozesse im westlichen Europa 2.2 Jüdisches Selbstverständnis zwischen Nation und Assimilation: Die kulturelle und politische Verortung der jüdischen Elite Wiens 2.3 Antisemitismus und die jüdische Solidarität: Die Gründung der Alliance Israélite Universelle und die Folgen 2.4 Die Polarisierung der Gesellschaften und der Führungsanspruch des Westens: Die Konferenz von Brüssel 1872 3. Zwischen den Gegensätzen 3.1 Nationalismen im Universalismus: Die Gründung der Israelitischen Allianz zu Wien 3.2 Zwischen Vision und Realität: Die ersten Projekte des Vereins und deren Entwicklung 3.3 Die Zivilisierung des Ostens: Der Berliner Kongress 1878 und der Versuch der europäischen Emanzipation 3.4 Die Brody Affäre 1881/82: Die IAzW als internationaler Partner 4. "Une mission civilisatrice autrichienne" 4.1 Rückständig, bildungslos und degeneriert?: Das osteuropäische Judentum und die IAzW 4.2 Von Krakau bis nach Suczawa: Die Gründung des Schulnetzwerkes in Galizien und der Bukowina 4.3 Religiöse Konzepte im Konflikt: Die galizische Orthodoxie und der Gegensatz zur IAzW 4.4 Die Gründung der Baron Hirsch-Stiftung (1891): Eine Bildungs- und Kulturmission für Galizien und die Bukowina 4.5 Konflikte im nationalen und internationalen Rahmen: Spannungsfelder der IAzW mit ihren Partnervereinen 5. Das jüdische Selbstverständnis der IAzW im Konflikt 1890-1914 5.1 Internationale Kulturarbeit und das Eigenbild der IAzW: Gegen Antisemitismus in Rumänien und Russland 5.2 Die Nationalisierung und Politisierung der "Masse": Neue Initiativen der IAzW in Österreich-Ungarn 5.3 Von Europa in die Welt: Migrationsarbeit und die Massenauswanderung aus Osteuropa 5.4 Religiöse und kulturelle Konzepte des Judentums im Konflikt: Das zionistische Selbstverständnis und die IAzW 6. Die Auflösung des Gegensatzes 1914-1918 6.1 Der Kampf für die Glaubensbrüder im "Osten": Der Beginn des Ersten Weltkriegs 6.2 Von Flüchtlingen, Lagern und Hilfsmaßnahmen: Russische Eroberungen in Galizien und der Bukowina und deren Folgen 6.3 Hilfe, Aufbau und Rekonstruktion: Die neuen Aufgaben der IAzW 6.4 Von der Kooperation zur Isolation: Die Beziehungen der IAzW zu den internationalen Partnern 6.5 1918 als Wendepunkt: Der Zusammenbruch der Donaumonarchie und der IAzW 7. Nicht "West", nicht "Ost" 1918-1938 7.1 Von der internationalen Organisation zum Wiener Verein: Die IAzW und die Gründung der österreichischen Republik 7.2 Von der Republik zur "Ostmark": Die IAzW und der Kampf um die eigenen Ideale 8. Schlussbetrachtung Anhang Bildergalerie Personalia Abkürzungen Literatur


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