Moralität des Bösen

Moralität des Bösen

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593390215
Untertitel:
Ethik und nationalsozialistische Verbrechen
Genre:
20. Jahrhundert (bis 1945)
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 11.2009
Anzahl Seiten:
269
Erscheinungsdatum:
2009
ISBN:
978-3-593-39021-5

Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust

Adorno sprach von einem neuen kategorischen Imperativ nach Auschwitz der Holocaust erfordert demnach eine veränderte Ethik und Moral. Wie soll die gegenwärtige Moralphilosophie auf die historische Erfahrung des Holocaust reagieren? Können moralische Grundsätze eine Folge historischer Erfahrung sein? Im neuen Jahrbuch werden diese Fragen zur Diskussion gestellt. Daneben wird verdeutlicht, wie die nationalsozialistischen Verbrechen durch Versatzstücke moralischer und ethischer Theorien gerechtfertigt wurden, etwa in Konzepten von Carl Schmitt und Martin Heidegger. Die Beiträge zeigen, inwiefern man von einer nationalsozialistischen Moral sprechen kann und welche Echos dieser besonderen Moral sich bis in die Gegenwart vernehmen lassen.

Vorwort
Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust

Autorentext
Der Band enthält Beiträge renommierter Philosophen, Politologen und Historiker, wie Ernst Tugendhat, Gesine Schwan und Jean-Pierre Faye. Das Jahrbuch wird herausgegeben von Werner Konitzer und Raphael Gross.

Klappentext
Adorno sprach von einem neuen kategorischen Imperativ nach Auschwitz - der Holocaust erfordert demnach eine veränderte Ethik und Moral. Wie soll die gegenwärtige Moralphilosophie auf die historische Erfahrung des Holocaust reagieren? Können moralische Grundsätze eine Folge historischer Erfahrung sein? Im neuen Jahrbuch werden diese Fragen zur Diskussion gestellt. Daneben wird verdeutlicht, wie die nationalsozialistischen Verbrechen durch Versatzstücke moralischer und ethischer Theorien gerechtfertigt wurden, etwa in Konzepten von Carl Schmitt und Martin Heidegger. Die Beiträge zeigen, inwiefern man von einer nationalsozialistischen Moral sprechen kann und welche Echos dieser besonderen Moral sich bis in die Gegenwart vernehmen lassen.

Leseprobe
Die moralische Ordnung des Nationalsozialismus Zum Zusammenhang von Philosophie, Ideologie und Moral Wolfgang Bialas Moralphilosophische Überlegungen zur Analyse der moralischen Ordnung des Nationalsozialismus Assoziiert mit Konzentrations- und Vernichtungslagern, Euthanasie und Holocaust gilt der Nationalsozialismus zu Recht als Inbegriff der Unmoral schlechthin. Dass die Nationalsozialisten in ihrer Rechtfertigung von Judenverfolgung und Holocaust als moralisch richtig und notwendig, als etwas, das aus guten Gründen getan werden musste, für sich in Anspruch nahmen, in ihrer Vernichtungspolitik moralischen Prinzipien zu folgen, scheint absurd. Die Annahme einer eigenständigen nationalsozialistischen Moral widerspricht der intuitiven Unterstellung, bei einer Moral handle es sich immer um nachvollziehbare Begründungen eines Verhaltens fairer Gegenseitigkeit zwischen Menschen, denen ihr durch spezifische Gruppenzugehörigkeiten bedingtes, vor allem aber auch ihr individuelles Anderssein als selbstverständliches, wechselseitig anerkanntes Menschenrecht zugestanden werde. Wohl auch deshalb stehen Forschungen zur nationalsozialistischen Moral erst am Anfang. Haben auch die nationalsozialistischen Täter im Horizont einer eigenen moralischen Ordnung in ihrem Selbstverständnis moralisch und mit dem guten Gewissen, das Richtige zu tun, gehandelt? Sie behaupteten, frei von eigennützigen Motiven im Interesse des Gemeinwesens, der deutschen Volksgemeinschaft oder auch der Durchsetzung höherer Werte zu handeln. Für ihre Verbrechen suchten sie Rechtfertigungsgründe in einer Gemengelage aus historischen Konstellationen und ideologischen Begründungen. Aus ihrer Sicht war ihr Handeln moralisch gerechtfertigt und erlaubt, ja sogar geboten. An ihrem Handeln und ihrem Selbstverständnis zeigt sich, dass monströse Taten nicht nur von moralischen Monstern oder pathologischen Kriminellen begangen werden können, sondern auch von in ihrer Charakterstruktur und Biografie durchschnittlichen, normalen Menschen, die unter anderen Umständen weder die Gelegenheit gehabt hätten noch in Versuchung gekommen wären, sich an Verbrechen und Massenmord zu beteiligen. Die moralische Verfassung der Täter ist Schnittpunkt zahlreicher Einflüsse, die sie nicht lediglich geformt, sondern auf die sie in je spezifischer Weise mit der Ausbildung eines eigenen Gerüsts moralischer Werte und Rechtfertigungen reagiert haben. Ihre Motive und Beweggründe waren ebenso entscheidend für ihr Handeln wie die ihr Leben bestimmenden soziokulturellen Umstände, die sie unhinterfragt akzeptierten oder als unproblematisch unterstellten. In dieser Konstellation ergeben sich eine Reihe von Fragen: Brauchen Täter in einer ideologisch formierten Gesellschaft persönliche Beweggründe, um so zu handeln, wie es von ihnen erwartet wird? Oder reicht es aus, wenn sie ideologische Vorgaben akzeptieren, auf die sie dann zurückgreifen können, wenn es darum geht, ein Handeln zu rechtfertigen, das aus dem Rahmen trotz des ideologischen Umbaus der Gesellschaft noch immer geltender moralischer Grundannahmen fällt? Kann es in solchen Gesellschaften den Menschen überlassen werden, worin ihre Beweggründe für systemkonformes Handeln bestehen, solange sie nur bereit sind, im Sinne der vom System nachdrücklich gesetzten Erwartungen zu agieren? Menschliches Handeln unterliegt keiner naturgesetzlich zwingenden Logik, sondern findet immer in einem Spektrum möglicher Optionen statt. Es hat Ursachen und Beweggründe, folgt Interessen und moralischen Überlegungen und stellt die Menschen noch in der Abwägung aller Umstände und möglichen Konsequenzen ihres Handelns doch immer wieder vor die Entscheidung, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten. Die Annahme eines Reichs der Zwecke, in dem die Menschen einander nur als moralische Subjekte begegnen, ist ebenso fiktiv wie die Unterstellung einer zweckrationalen Verkehrsform, in der moralische Überlegungen überhaupt keine Rolle spielen. Kants moderate Annahme, es sei möglich, dass Menschen sich in einer Weise begegnen, in der sie sich nicht nur gegenseitig als Mittel zur Realisierung ihrer eigennützigen Interessen und Zwecke benutzen, ist da weitaus realistischer. Statt die Vision einer rein moralischen Gesellschaft zu verfolgen, wirft sie die Frage auf, in welcher Weise moralische Überlegungen im Zusammenhang einer Vielzahl anderer Handlungsmotive und -gründe eine Rolle spielen, spielen können oder spielen sollten. Moralisches Handeln zielt in Hannah Arendts Verständnis auf die Schaffung eines symbolischen Raums der zweckfreien Begegnung von Menschen. In diesem Raum konstituiere sich ein atmosphärischer Grund gegenseitiger Verpflichtung von Menschen, die sich wechselseitig in ihrer Differenz akzeptieren. Die Moral ist für Arendt keine Handlungsart unter anderen, sondern eine Haltung, die auf die Ganzheitlichkeit menschlichen Verhaltens zielt. Als eigene Handlungsart verselbstständigt sich die Moral zu einer Hochkultur der guten Absichten und höheren Zwecke, in der die Bedeutungen menschlichen Handelns durch eine Rationalität des Außeralltäglichen bestimmt werden. Aus der Ausnahmesituation des Handelns in der außeralltäglichen Bewährung am Maßstab höherer Ideen und Werte wird moralisches Handeln in dieser konzeptionellen Moderation zu einer Komponente der alltäglichen Lebenswelt durchschnittlicher Menschen. Diese sind nun selbst verantwortlich für die situative Ausbalancierung ihrer inneren und äußeren Beweggründe, die sie befähigt, sich in einer für sie schlüssigen, ihre Mitmenschen einbeziehenden und ihnen zumutbaren Weise zu verhalten. Wie auch immer sich Menschen schließlich entscheiden, ob sie für das Naheliegende oder aber das Abwegige optieren, immer hätten sie sich auch anders entscheiden können. Auch diejenigen, die sich aktiv an der Planung und Durchführung nationalsozialistischer Verbrechen beteiligt haben, hätten anders handeln können, als sie gehandelt haben, und tragen ebendeshalb die Verantwortung für ihr Handeln auch dann, wenn ihnen selbst gar nicht bewu…


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