Neue Wege in ein neues Europa

Neue Wege in ein neues Europa

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783593389004
Untertitel:
Geschichte und Verkehr im 20. Jahrhundert
Genre:
Kulturgeschichte
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Auflage:
1. Aufl. 04.2009
Anzahl Seiten:
555
Erscheinungsdatum:
30.04.2009
ISBN:
978-3-593-38900-4

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fügt sich Europa neu zusammen. Europa ist aber nicht nur ein Raum von Werten und Ideen, sondern auch ein Verkehrsraum. Das geteilte Europa war bestimmt von zerschnittenen Verkehrswegen, mit Endstationen an den Grenzen zwischen West und Ost. 1989 begann man, gerissene Linien wieder in Betrieb zu nehmen. Ohne einen einheitlichen und modernisierten Verkehrsraum kann es ein neues und vereintes Europa nicht geben. Entfernung und Nähe, Versorgung und Verteilung von Gütern, Ideen und Menschen sind ohne das Medium des Verkehrs nicht denkbar. Die 25 Autorinnen und Autoren greifen zentrale Aspekte des komplexen Themas Verkehr und dessen Bedeutung für eine moderne Geschichtsschreibung auf und zeigen, wie Europa im 20. Jahrhundert durch Verkehr und Mobilität gestaltet wurde.

Autorentext
Ralf Roth ist Privatdozent am Historischen Seminar der Universität Frankfurt am Main. Karl Schlögel war Professor für Geschichte Osteuropas an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder).

Leseprobe
Einleitung: Geschichte und Verkehr im 20. Jahrhundert Ralf Roth und Karl Schlögel Problemaufriss Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs fügt sich Europa neu zusammen. Die zwei Hälften Europas, Resultat des Kalten Krieges, bewegen sich seit zwanzig Jahren wieder aufeinander zu. Europa ist nicht nur ein Raum von Werten und Ideen, sondern auch ein Verkehrsraum. Das geteilte Europa war bestimmt von zerschnittenen Verkehrswegen, Endstationen an der Grenze. Europa nach 1989 hat begonnen, gerissene Linien wieder in Betrieb zu nehmen. Es ist offensichtlich, dass es ein neues und vereintes Europa ohne einen einheitlichen und modernisierten Verkehrsraum nicht geben kann. Verkehr und Logistik, Fortbewegung und Infrastruktur sind, obwohl sie das Alltagsleben von Abermillionen von Menschen und ganzer Gesellschaften bestimmen, bisher nur am Rande als geschichtsmächtige Kräfte und Faktoren zur Kenntnis genommen und erforscht worden. Dabei ist offensichtlich, dass Entfernung und Nähe, Versorgung und Verteilung von Gütern, Ideen und Menschen ohne das Medium des Verkehrs nicht denkbar sind. Verkehr und Mobilität haben den globalen Raum, in dem wir uns bewegen, erst möglich gemacht. Verkehr ist keine Konstante, sondern eine äußerst dynamische Relation in den vielfältigen gesellschaftlichen Beziehungen. In den letzten 200 Jahren sind extrem effiziente Transportsysteme und -netze entstanden, die nicht nur die Möglichkeiten grenzüberschreitender Verkehre stark ausgeweitet haben, sondern auch die transnationale und interkontinentale Mobilität. Mit der Verbilligung aller Transportleistungen, dem Sinken der Transport- und Reisezeiten sowie der enormen Ausweitung der Transportkapazitäten von Schiff, Eisenbahn, Flugzeug und Lastkraftwagen - und nicht zu vergessen der Nachrichten- und Kommunikationsnetze - veränderten sich nicht nur die europäischen, sondern insgesamt die globalen Beziehungen. Das hat Auswirkungen auf die Geschichtsschreibung. In den letzten beiden Jahrzehnten erleben die transnationale, die europäische und die Weltgeschichte einen großen Aufschwung und man kann mit gutem Grund von einer Renaissance der Universalgeschichte sprechen, nachdem sie in der Hochzeit der Nationalgeschichtsschreibung de facto untergegangen war. Was kann aber eine sinnvolle transnationale, ja europäische Geschichte sein, womit soll sie sich jenseits der variierenden nationalen und kulturellen Besonderheiten der Staaten und Länder dieses Kontinents beschäftigen? Leopold Ranke hat in seiner Vorrede zu seinem Weltgeschichtefragment einen wichtigen Hinweis gegeben: "Die Aufgabe der welthistorischen Wissenschaft" bestehe darin, den "Zusammenhang zu erkennen, den Gang der großen Begebenheiten, welche alle Völker verbindet und beherrscht, nachzuweisen." Man solle also nicht nach dem Trennenden, sondern nach dem Suchen, was die Völker und Nationen miteinander verbindet. Diese Einschätzung teilt ein beträchtlicher Teil der heutigen Historiker, die sich mit transnationaler oder Weltgeschichte beschäftigen. Einen großen Einfluss erzielten in diesem Kontext die Studien von John and William McNeill. Beide argumentieren, dass es in jeder Epoche wichtige Einflüsse über die politischen Grenzen hinweg gegeben habe, und dass gerade die "Kontakte" mit fremden Kulturen eine Schlüsselrolle für den ökonomischen, sozialen, politischen und militärischen Fortschritt jeder Zivilisation, jedes Staates gespielt hätten. Diese Argumentation erwies sich als außerordentlich fruchtbar und inspirierte zahlreiche Forschungen auf dem Gebiet der transnationalen Beziehungen und insbesondere auch der transnationalen "communication networks". Tatsächlich lassen Untersuchungen auf dem Feld der Verbindungen zwischen den Staaten, Ländern und Kontinenten im 20. Jahrhundert reichhaltigere Ergebnisse erwarten als eine Konzentration auf die Barrieren und Hürden oder Separierung und Absonderung, obwohl auch dies sicher zu einer Geschichte der großen Räume gehört. Wenn wir auf die letzten 200 Jahre zurückblicken, sprechen die zahlreichen Prozesse der Kommunikation und des Austauschs, der Überwindung der kontinentalen und maritimen Räume aber eine eindeutige Sprache. Nur mit Blick auf sie lassen sich die internationale Arbeitsteilung und ihre Folgen, die weltweiten Kapitalflüsse sowie der internationale kulturelle Austausch verfolgen. Das legt nahe, dass Kommunikation, Verkehr, Mobilität, Migration, Transfer und Austausch Schlüsselbegriffe für eine Geschichtsforschung sind, die große Räume - den europäischen, kontinentale wie globale - beschreiben und interpretieren will. Europäische Geschichte und die Rolle des Verkehrs Warum wurde das große Thema des Verkehrs und der Kommunikation in der Europäischen Geschichte bisher so stiefmütterlich behandelt? Das hat vor allem eine Ursache: Die Revolutionierung des Verkehrs war eindeutig ein Kind des 19. Jahrhunderts und setzte sich parallel zum Aufstieg des Nationalstaats durch. Deshalb wurde Verkehr im Allgemeinen und insbesondere der Eisenbahn- und Schiffsverkehr nach Ländern getrennt - sozusagen als nationale Aufgabe - untersucht und beschrieben. Damit bekam jede Studie immer nur einen Teil der weltweiten Netze zu fassen und konnte nur einen Teil der Auswirkungen berücksichtigen. Im Ergebnis zerfiel die Vorstellung von dem Ganzen in zahllose Splitter und Fragmente. Das Bewusstsein von dem Zusammenhang, das am Beginn des 19. Jahrhunderts durchaus vorhanden war, ging verloren. Aber jedes Infrastrukturnetzwerk ist mehr als die Summe seiner Teile und das bedeutet, dass historische Untersuchungen über die nationalen Verkehrsnetzwerke von Deutschland, Portugal oder Russland und so weiter kein Verständnis für die europäische oder die europaweite Kommunikationsstruktur liefern - insbesondere dann, wenn der auf der Hand liegende Umstand, dass sich die Eisenbahnstrecken und Schifffahrtslinien jenseits der nationalen Grenzen fortsetzen, nur selten problematisiert wurde. Das ist ein bemerkenswertes Defizit, denn es ist ja nicht zu übersehen, in jedem Land waren die Verkehrsverbindungen ein offenes System mit zahlreichen Verbindungen in die benachbarten Staaten. Handelskarawanen überschritten seit alters her jegliche Grenzen, die Postgesellschaften bauten ihre Netze grenzüberschreitend auf und auch bei den Eisenbahnen gab es von Anfang an oft mehrere Grenzen passierende Durchgangszüge. Weil dies zu wenig Berücksichtigung fand, kann man in der Konsequenz auf vielen Feldern Vereinseitigungen und Beschränkungen feststellen. Bei näherem Nachdenken finden sich noch mehr transnationale Aspekte und Eigenschaften. Wie soll man mit einer national beschränkten Sicht etwa den Prozess des technologischen Fortschritts im Verkehrsbereich erklären, der nur in wenigen Fällen auf den nationalen Eigenleistungen nur eines Landes beruhte. Gerade die Tätigkeit der Ingenieure war international ausgerichtet, ihr Wissen bezogen sie aus einem…


billigbuch.ch sucht jetzt für Sie die besten Angebote ...

Loading...

Die aktuellen Verkaufspreise von 6 Onlineshops werden in Realtime abgefragt.

Sie können das gewünschte Produkt anschliessend direkt beim Anbieter Ihrer Wahl bestellen.


Feedback