Über Governance

Über Governance

Einband:
Paperback
EAN:
9783593388922
Untertitel:
Institutionen und Prozesse politischer Regelung
Genre:
Politische Ideengeschichte & Theorien
Autor:
Renate Mayntz
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 02.2009
Anzahl Seiten:
171
Erscheinungsdatum:
28.02.2009
ISBN:
978-3-593-38892-2

Politische Steuerung und Governance sind zentrale Themen in der Arbeit von Renate Mayntz. Die hier versammelten, teilweise unveröffentlichten Aufsätze beleuchten die Entwicklung, die wesentlichen Merkmale und die Unterschiede zwischen diesen beiden Paradigmen. Es geht dabei sowohl um Probleme der Handlungsfähigkeit von Nationalstaaten als auch um Fragen von Governance in politischen Mehrebenensystemen. Renate Mayntz wendet die Governance-Theorie auf sehr unterschiedliche Politikfelder an, wie die pharmazeutische Industrie, die Elektrizitätsversorgung oder die Terrorismusbekämpfung. Damit gelingt ihr die schrittweise Unterscheidung eines analytischen Ansatzes, der an der Unbestimmtheit seiner zentralen Kategorie »Governance « leidet.

Autorentext
Renate Mayntz war Gründungsdirektorin des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln, das sie bis zu ihrer Emeritierung 1997 gemeinsam mit Fritz W. Scharpf leitete. Renate Mayntz lehrte an der Freien Universität Berlin und der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, der Universität zu Köln sowie in New York, Edinburgh, Santiago de Chile und an der Stanford University. Sie erhielt Doktorgrade honoris causa von den Universitäten Uppsala und Paris und vom Europäischen Hochschulinstitut und wurde unter anderem mit dem Schader-Preis, dem Bielefelder Wissenschaftspreis und dem Ernst- Hellmut-Vits-Preis der Universität Münster ausgezeichnet.

Leseprobe
Der Gegenstand des folgenden kritischen Arguments ist ein relativ eng umrissener Bereich innerhalb der politischen Wissenschaft, nämlich die Theorie politischer Steuerung. Im englischen Sprachbereich, wo eher von governance als etwa von steering die Rede ist, entspricht dem das weniger scharf umrissene (und ins Gebiet der policy studies übergehende) Feld der theory of the policy process. Der Kern dieser Theorie wird von Paul Sabatier im ersten Satz des von ihm kürzlich herausgegebenen Buches Theories of the Policy Process wie folgt gekennzeichnet: The process of public policymaking includes the manner in which problems get conceptualized and brought to government for solution; governmental institutions formulate alternatives and select policy solutions; and those solutions get implemented, evaluated, and revised. (Sabatier 1999: 3) Ähnlich äußert sich die Politikwissenschaftlerin Renate Martinsen: Im Zentrum der mit policies beschäftigten politikwissenschaftlichen Ansätze habe seit den Achtzigerjahren "die Konzeptualisierung des Politischen als Problembear beitungsprozess durch die politisch-administrativen Instanzen" (Martinsen 2000: 3) gestanden. Beiden Autoren ist zuzustimmen: Politische Steuerung beziehungsweise policymaking zielt auf Problemlösung, und zwar, wie wohl von beiden Autoren stillschweigend unterstellt wird, auf die Lösung im weitesten Sinne gesellschaftlicher Probleme (zu denen natürlich auch wirtschaftliche Probleme gehören). Der methodologische Status dieser Feststellung ist dabei nicht nur ein defi nitorischer, sondern ein inhaltlicher: Es wird nicht etwa nur gesagt, dass wir beobachtbare Versuche politischer Steuerung als Problemlösungsprozesse bezeichnen wollen, sondern es wird gesagt, dass es Versuche der Lösung gesellschaftlicher Probleme sind. Ich will im Folgenden die These aufstellen und begründen, dass diese Konzeptualisierung von politischer Steuerung als Problemlösungsprozess die politische Wirklichkeit nicht korrekt erfasst, dass es sich um eine selektive und insofern verzerrende Perspektive handelt. Indem ich diese These entwickle, übe ich in gewisser Weise Selbstkritik, denn ich selber war an der Begründung und Entfaltung der Steuerungstheorie, deren Selektivität ich hier unter die Lupe nehmen möchte, beteiligt. Schon Anfang der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts, als ich zusammen mit Fritz Scharpf über die Voraussetzungen "aktiver Politik" forschte und schrieb, hatte ich jedoch im Hinterkopf den vagen Verdacht, die unsere könnte eine allzu rationalistische Sichtweise sein. Indem wir die Voraussetzungen "aktiver Politik " untersuchten, schienen wir zu unterstellen, dass "aktive Politik" zu treiben, das heißt, zielbewusst gesellschaftsgestaltend zu handeln, tatsächlich das oberste Ziel unseres Auftraggebers, der Bundesregierung, ja überhaupt jedes politischadministrativen Systems ist. "Aktive Politik" setzt Planung voraus. Also befassten wir, und nicht nur Fritz Scharpf und ich, uns damals mit Fragen der Planungsorganisation (Mayntz/Scharpf 1973). Die Steuerungssemantik wurde erst dominant, als die Planungssemantik zusammen mit der Planungseuphorie verblasste. Aber die Entwicklung des klassischen steuerungstheoretischen Paradigmas begann tatsächlich bereits in den späten Sechzigerjahren mit der - weitgehend präskriptiven - Planungstheorie. Diese erfuhr dann in den Siebzigerjahren eine empirische Wende, indem zunächst die institutionellen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Politikentwicklung, sodann die Voraussetzungen für den Einsatz unterschiedlicher Instrumente der Politik und schließlich der Implementationsprozess zum Forschungsgegenstand wurden. Damit war gegen Ende der Siebzigerjahre das steuerungstheoretische Kernparadigma vollendet. Seine Hauptelemente waren die Politikentwicklung innerhalb des politisch-administrativen Systems und die Implementation der so entwickelten Politik durch staatliche Vollzugsinstanzen. Wie bekannt und verschiedentlich ausführlich beschrieben (zum Beispiel Mayntz 1996), wurde dieses erste steuerungstheoretische Paradigma anschließend erweitert und damit zugleich revidiert. Zum einen wurde die bisherige Top-down-Sichtweise durch eine Bottom-up-Perspektive ergänzt, das heißt, das Adressatenverhalten und die strukturellen Besonderheiten verschiedener Regelungsfelder wurden in die Analyse einbezogen. In einem zweiten Schritt löste man sich von der Konzentration auf das politisch-administrative System und bezog die Mitwirkung korporativer gesellschaftlicher Akteure an der Entwicklung und Implementation von Politik mit ein. Neokorporatistische Entscheidungsstrukturen, Politiknetzwerke und die gesellschaftliche Selbstregelung in private governments zogen die Aufmerksamkeit auf sich. Am Ende dieser perspektivischen Erweiterung stand das heute dominierende Modell des kooperativen Staates. Auch der so erweiterten steuerungstheoretischen Perspektive haften jedoch ihre Geburtsfehler noch an. Sie hat erstens einen Nationalstaatsbias. Das wurde mit der zunehmenden europäischen Integration sichtbar und hat inzwischen zu einer neuen Erweiterung der steuerungstheoretischen Perspektive geführt (Mayntz 1998 bzw. Aufsatz 1 in diesem Band). Politische Steuerung im europäischen Mehrebenensystem heißt jetzt das Stichwort. Zweitens aber hat die Steuerungstheorie von Anfang an einen Problemlösungsbias gehabt. Dieses ist die spezifi sche Selektivität, mit der ich mich hier näher befassen will. Der Problemlösungsbias besteht im Kern darin, dass die Steuerungstheorie nicht fragt, ob politische Akteure primär an der Lösung gesellschaftlicher Probleme orientiert sind, sondern unterstellt, dass dieses ihr dominantes Ziel und gesellschaftliche Problemlösung die zentrale Aktivität von Politik und Verwaltung ist. Gelegentlich wird eine solche Orientierung in die Defi nition von politischer Steuerung aufgenommen; meist bleibt diese Annahme jedoch implizit. Die Unterstellung, dass der Staat - auch der kooperative Staat auf seine Weise - tatsächlich auf gesellschaftliche Problemlösung beziehungsweise die Förderung des Gemeinwohls aus ist, macht die Steuerungstheorie krypto-normativ. Der Problemlösungsbias der Steuerungstheorie hat Wurzeln, die sich bis in die klassische politische Philosophie eines Plato und eines Aristoteles zurück verfolgen lassen. Gewiss, die Klassiker sprachen nicht von "Steuerung"; aber es ging ihnen um Formen der Regierung. Bei Plato weiß der Philosophen-König, was der Allgemeinhe…


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