Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat

Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat

Einband:
Paperback
EAN:
9783593387239
Untertitel:
Die öffentliche Debatte über die RAF in den 70er Jahren
Genre:
Zeitgeschichte (1946 bis 1989)
Autor:
Hanno Balz
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Auflage:
1. Aufl. 10.2008
Anzahl Seiten:
349
Erscheinungsdatum:
31.10.2008
ISBN:
978-3-593-38723-9

Aktuelle Studien zur Zeitgeschichte

In den 70er Jahren war die RAF zentrales Thema in den bundesdeutschen Medien. Die Presse prägte das Bild des Terroristen. In Angriffen gegen linke Intellektuelle wie Heinrich Böll wurde zudem ein Umfeld von Sympathisanten benannt. Nicht zuletzt schürten die Medien die Vorstellung, dass jeder ein Opfer der RAF werden könne. Anhand dieser und weiterer Themen zeigt Hanno Balz, dass der Terrorismus bei aller realen Gefahr auch ein von den Medien »gemachtes« Phänomen war und ist.

Autorentext
Hanno Balz, Dr. phil., ist Kulturwissenschaftler und Historiker an der Universität Bremen.

Leseprobe
Im Jahr 2007 jährte sich der oftmals als zeitgeschichtliche Zäsur wahrgenommene "Deutsche Herbst" zum 30. Mal. Derartige Jubiläen finden ihren Niederschlag naturgemäß in den deutschen Medien, aber auch in der Politik: Bereits zum 25. Jahrestag des Attentats auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback wurde dieser am 7. April 2002 mit einem Staatsakt geehrt, was, ob der Ungewöhnlichkeit der Re-Inszenierung eines Staatsaktes, eine breite Rezeption in der deutschen Presse fand. Schon zu Beginn des Jahres 2007 beherrschte die Auseinandersetzung mit der Geschichte der RAF die Schlagzeilen, BILD titelte beispielsweise aus Anlass der Freilassung von Brigitte Mohnhaupt: "Schlimmste Terroristin frei!" Die Frage nach einer möglichen Begnadigung Christian Klars durch Bundespräsident Köhler polarisierte die mediale Öffentlichkeit in einem Ausmaß, das Erinnerungen an die gesellschaftlichen Konfrontationen während des "Deutschen Herbstes" 1977 weckte. Die heutige Betrachtung der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der siebziger Jahre in der Bundesrepublik konzentriert sich meist auf die Auseinandersetzung zwischen Staat und "Rote Armee Fraktion". Diese Zuspitzung ist nicht zuletzt durch eine mediale und kulturelle Aufbereitung der damaligen spektakulären Ereignisse in den letzten Jahren zu erklären, die allerdings den "Terrorismus"-Diskurs der siebziger Jahre in Vielem lediglich reproduziert. Eine teleologisch reduzierte Betrachtung, die vom Ende der RAF beziehungsweise von der Zäsur nach dem Deutschen Herbst ausgeht, kann jedoch der Rolle, welche der "Terrorismus" für die bundesdeutsche Gesellschaft der siebziger Jahre einnahm, nur zum Teil gerecht werden. Vielmehr wird nach wie vor von einer allgemeinen "Hysterie" in jener Zeit des "Deutschen Herbstes" gesprochen, die maßgeblich auch die staatlichen Reaktionen geprägt habe. Dass hierbei die Massenmedien entscheidenden Anteil hatten, wird immer wieder betont. Wie sich allerdings genau eine "Hysterie" äußerte und vielmehr noch wie sie sich entwickelte, was ihre Strukturelemente und Entstehungsbedingungen ausmachte und ob am Ende überhaupt von einer eigentlichen "Hysterie" in Debatte und politischer Praxis gesprochen werden kann, ist Thema dieses Buches. Spätestens seit der Auflösungserklärung der RAF im März 1998 wurde immer wieder die gesellschaftliche Aufarbeitung des deutschen "Terrorismus" gefordert. Zudem ist seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten und auch in der Bundesrepublik eine allgemeinere "Terrorismus"-Debatte neu belebt worden. Unter deren Vorzeichen transformiert sich auch die Erinnerungspolitik im Bezug auf den "Deutschen Herbst". Umso mehr muss es daher erstaunen, dass unter dem Eindruck der massiven Verheerungen von 9/11 und des folgenden "War against Terror" das Bild von der RAF im kollektiven Gedächtnis angesichts der Dimension der weltweiten Attacken nicht relativiert wird. Welche Tradierungen zeigen sich in der Meinung von BILD, Brigitte Mohnhaupt sei nach 24 Jahren im Gefängnis noch immer die "schlimmste Terroristin"? In den siebziger Jahren war die Auseinandersetzung mit der RAF ein Paradigma für die zunehmende politische Polarisierung der Kommunikationsprozesse innerhalb der bundesdeutschen Gesellschaft. Schließlich war die "Terrorismus"-Debatte vor allem eine Auseinandersetzung über den Zustand der Republik, waren die diskursiven, politischen und moralischen Grenzen heftig umkämpft. Die siebziger Jahre und mit ihnen die Genese des deutschen "Terrorismus" geraten in den letzten Jahren verstärkt in das Blickfeld der (Kultur-)Geschichte. Dabei steht die Chiffre "1977", wie auch "1968", zunächst für einen Einschnitt innerhalb der bundesrepublikanischen Gesellschaft: Die Ereignisse, die politischen Entscheidungen und die Medienberichterstattung haben die deutsche Gesellschaft nachhaltig geprägt und wirken in

Inhalt
Einleitung Material und Fragestellungen Forschungsstand und Begriffsklärungen 1. Mediendiskurse, deutsche Presse und Öffentlichkeit Mediendiskurse Öffentlichkeit und bundesdeutsche Presse BILD Der Spiegel Die Welt Süddeutsche Zeitung 2. Selbstverständnis und mediale Strategien der RAF Die programmatische Provokation Das Reden vom "Primat der Praxis" "Terror" als Kommunikation und Choreographie Eine Revolte mit den und gegen die Medien 3. Von "Sympathisanten" zu "Helfershelfern" Heinrich Bölls "6 gegen 60 Millionen" "Pfarrer und ein Professor halfen der Meinhof-Bande" "Das stille Reserveheer des Terrorismus" Die "Klammheimlichen" Zuspitzungen im Herbst 1977 4. Das Dispositiv Stammheim Typologisierungen von "Linksanwälten" "Terroristen-Anwälte" und "Anwälte des Terrors" Körperdiskurse Langer und "kurzer" Prozess 5. Moral Panic : Der gefühlte Ausnahmezustand Zum Begriff der Moral Panic Dis diskursive Konstruktion von Unsicherheit Entgrenzungen: Giftgas und Atombombe 6. Das Feindbild der "bewaffneten Mädchen" Begehrenswerte Mädchen, gescheiterte Mütter Tradierte Feindbilder "Verweiblichte" Männer Wer verführt wen? Feministisches Selbstverständnis in der RAF? Erklärungsversuche 7. "Hitlers Kinder"? Die "falschen Väter" Familien-stories Tradierungen "Hitlers Kinder" 8. Die Eskalation 1977 News-Management und Zensur Mobilisierungen Todesstrafe Kriegserklärungen Opfer und Helden Die Rückkehr des autoritären Staates Der "hässliche Deutsche" Ein vorläufiges Ende Schluss: Gesellschaftsformierung durch Abgrenzung Literatur Gedruckte Quellen Danke an ...


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