Wilde Streiks im Wirtschaftswunder

Wilde Streiks im Wirtschaftswunder

Einband:
Paperback
EAN:
9783593384443
Untertitel:
Arbeitskämpfe, Gewerkschaften und soziale Bewegungen in der Bundesrepublik. und Dänemark
Genre:
Zeitgeschichte (1946 bis 1989)
Autor:
Peter Birke
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 11.2007
Anzahl Seiten:
376
Erscheinungsdatum:
30.11.2007
ISBN:
978-3-593-38444-3

Campus Forschung

Peter Birke beschreibt erstmals die Geschichte lokaler und in der Öffentlichkeit oft »unsichtbarer« Arbeitskämpfe seit den 1950er Jahren, wie sie sich in zwei in dieser Hinsicht überraschend verschiedenen europäischen Staaten darstellte. Er analysiert die Interaktion zwischen wilden Streiks, Gewerkschaften und neuen sozialen Bewegungen von den Kampagnen gegen Atomwaffen der 1950er bis zur »europäischen Streikwelle« der frühen 1970er Jahre. Die Studie zeigt, wie brüchig bereits damals die sozialen Kompromisse waren, für die Wohlfahrtsstaat und »Sozialpartnerschaft « standen.

Vorwort
Campus Forschung

Autorentext
Peter Birke, Dr. phil., Historiker, ist Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.

Klappentext
Peter Birke beschreibt erstmals die Geschichte lokaler und in der Öffentlichkeit oft »unsichtbarer« Arbeitskämpfe seit den 1950er Jahren, wie sie sich in zwei in dieser Hinsicht überraschend verschiedenen europäischen Staaten darstellte. Er analysiert die Interaktion zwischen wilden Streiks, Gewerkschaften und neuen sozialen Bewegungen von den Kampagnen gegen Atomwaffen der 1950er bis zur »europäischen Streikwelle« der frühen 1970er Jahre. Die Studie zeigt, wie brüchig bereits damals die sozialen Kompromisse waren, für die Wohlfahrtsstaat und »Sozialpartnerschaft « standen.

Leseprobe
Man könnte meinen, dass die "1968er" zumindest in der Bundesrepublik so gut "beforscht" sind, dass es irgendwo mal ein Projekt mit Namen "1968 in der Fabrik" gegeben haben müsste. Tatsächlich werden nicht nur die Verweigerung der Arbeit und die Proteste der Arbeiterinnen und Arbeiter, sondern das Thema "Arbeit" überhaupt in der Debatte um "1968" fast nie berührt. Selbst die Produktions- und Reproduktionsverhältnisse, die das Leben der sagenhaften "Akteure" des Aufstandes bestimmt haben müssten, kommen so gut wie nicht vor. Wilde Streiks? Ebenfalls ein "blinder Fleck" in der aktuellen Forschung. Die vorliegende Arbeit ist leider die erste systematisch zusammenfassende Studie über die "illegalen" Arbeitskämpfe in der Zeit von 1950 bis 1973. Dies ist ein Grund dafür, dass vieles, was hätte genauer ausgeführt werden müssen, im Folgenden nur skizziert wird. Ich bitte um Nachsicht und verweise auf die auch in diesem Text eingehaltene Konvention, am Ende offene Fragen zu präsentieren. Das zweite Problem liegt im Gegenstand dieser Arbeit selbst. Natürlich ist es kein Zufall, dass die meisten Menschen, denen ich in den vergangenen Jahren erzählt habe, dass ich mich mit "wilden Streiks" in der Bundesrepublik und Dänemark befasse, erstmal mit zweieinhalb Worten reagiert haben: "Gab's das?" Im Alltagsverständnis han-delt es sich bei Arbeitskämpfen nicht um "geschichtsbildende" Ereignisse; dass Zahl und Ausmaß der Streikbewegungen in der Bundesrepublik in den letzten etwa zwei Jahren erheblich zugenommen haben und Dänemark ohnehin seit langem an der Spitze der europäischen Streikstatistik steht, ändert daran nichts. Das allgemeine Bewusstsein pflegt sich langsamer umzuwälzen als die gesell-schaftlichen Verhältnisse. In Bezug auf die Geschichte der wilden Streiks geht es aber nicht nur darum, dass diese Kämpfe "vergessen" wurden. Die kollek-tiven Gedächtnislücken haben auch etwas mit den historischen Konjunkturen der Arbeitskämpfe selbst zu tun. Gerade der Blick auf den Mai 1968 bestätigt das. Die merkwürdige Verschiebung, die den Zusammenhang zwischen sozialen Bewegungen und Arbeitskämpfen in der Bundesrepublik und Dänemark prägte, zeigte sich in die-sem Monat besonders drastisch. Dass biographische Texte Marke "Rudi" oder "Dany" auf dem bundesdeutschen Buchmarkt erheblich höhere Auflagen er-zielen als Texte über soziale Konflikte, an denen hunderttausende Menschen beteiligt waren, liegt nicht allein daran, dass Ikonen interessanter sind als Konflikte. Es liegt auch daran, dass in jenem mythischen Mai die Hoffnung auf eine Ausbreitung der Streiks nach Nordeuropa enttäuscht wurde. Als die Be-schäftigten der Flugzeugwerke Sud-Aviation in Bouguenais am 14. Mai ihren Betrieb besetzten und damit den Massenstreik in Frankreich einläuteten, hatten bundesdeutsche APO-Bewegte einen "Generalstreik" gegen die Notstands-gesetze gefordert. Doch während die französischen Arbeitsniederlegungen un-geahnte Ausmaße annahmen, blieben die Proteste in der Bundesrepublik auf einige Dutzend Betriebe beschränkt. Als die Streiks in Frankreich mit Lohner-höhungen besänftigt wurden, die bis heute eine Rekordmarke darstellen, unter-schrieb die IG Metall einen auf "Sozialpartnerschaft" und Lohnzurückhaltung abgestimmten Tarifvertrag. Die bundesdeutsche Presse bejubelte den Triumph über "englische Krankheit" und "französische Unvernunft". Die Passivität der bundesdeutschen Metallarbeiter schien einmal mehr das Bild von deren "Ent-politisierung" zu bestätigen. In unserem nördlichen Nachbarland waren die Verhältnisse vielleicht sogar noch weniger "revolutionär". Nicht, dass es dort im Mai 1968 keine soziale Be-wegung gab. Doch während in der französischen Hauptstadt Barrikaden ge-baut wurden, verhandelten die dänischen Studierenden schiedlich-friedlich mit dem Direktor der Kopenhagener Universität über die Demokratisierung der Hochschule. Dabei trafen sie auf einen ehemaligen Widerstandskämpfer, bei dem sie mit ihrem Anliegen offene Türen einrannten. Die Besetzung einiger Institute wurde vergleichsweise rasch beendet. Fast am selben Tag protestier-ten die Gewerkschaften gegen ein Streikverbot, das die Ende 1967 an die Macht gelangte bürgerliche Regierung verhängt hatte. 30.000 Menschen betei-ligten sich, vor allem aus der linken Gewerkschaftsszene. Studierende und Jugendbewegte allerdings waren auf dieser Demonstration kaum zu sehen. Ein Jahr später hatte sich dieses Bild völlig verändert. Dänische wie bundesdeutsche Studierende begannen, sich intensiv mit Arbeitsbedingungen und Arbeitskämpfen zu befassen. Dabei wirkten die Streiks in Frankreich und die Rolle der Studierenden bei den Arbeitskämpfen in Italien inspirierend. Noch wichtiger war jedoch, dass im Laufe des Jahres 1969 auch die Länder diesseits der Alpen von der "europäischen Streikwelle" erfasst wurden. Im Sep-tember streikten bundesdeutsche Beschäftigte massenhaft, ohne vorher die Gewerkschaft zu fragen. Und zum Jahresende breitete sich die "englische Krankheit" auch in Dänemark aus. Aufgrund ihrer "Verspätung" schienen die-se Arbeitskämpfe weniger bedeutend als in anderen europäischen Ländern zu sein. Manchmal erschienen sie sogar als "Nachahmung" der studentischen Proteste. Doch dieser Eindruck täuschte. Die Aktionen von 1969, die in Nord-europa wie das plötzliche Erwachen eines Riesen rezipiert wurden, verwiesen formal und inhaltlich auf eine lange, "diskrete" Vorgeschichte. Um Mystifi-zierungen zu vermeiden, ist es wichtig, diese Kontinuitäten im Detail zu unter-suchen. Tatsächlich handelt es sich hier um eine "eigene Geschichte", in der der Einfluss der neuen Jugendbewegungen relativ gering war.

Inhalt
Einleitung 8 I. Kontexte und Subtexte 1. Thesen und Texte 12 Arbeitskämpfe im Wohlfahrtsstaat 14 Streiks als "Motor des Wandels" 17 Bundesdeutsche und dänische Streikforschung seit 1970 24 Neue Debatten: Lokale Konflikte und transnationale Arbeitskämpfe 28 2. Methoden 35 Deutsch-dänische Ungleichzeitigkeit 35 Statistiken und Archive 39· Aufbau der Studie 42 II. Kalter Krieg am Arbeitsplatz, 1950 bis 1957 1. Wilde Streiks im bundesdeutschen Boom 44 Der Kampf um die Betriebsverfassung 47 Tarifpolitik als Ausweg? 50 Hintergründe des sinkenden Streikvolumens 55 Die "expansive Lohnpolitik" 58 Kommunist…


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