Vor der Vernichtung

Vor der Vernichtung

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593383712
Untertitel:
Die staatliche Enteignung der Juden im Nationalsozialismus
Genre:
20. Jahrhundert (bis 1945)
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 06.2007
Anzahl Seiten:
336
Erscheinungsdatum:
30.06.2007
ISBN:
978-3-593-38371-2

Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts

Die gewaltsame Enteignung der jüdischen Bevölkerung im Nationalsozialismus war weniger das Werk der »klassischen« Tätergruppen, als vielmehr ein Prozess, an dem zahllose Personen und Institutionen als Ausführende und Profiteure beteiligt waren. Eine zentrale Rolle bei allen staatlich angeordneten Enteignungsmaßnahmen spielte die Reichsfinanzverwaltung. Im Fokus der Beiträge stehen die Funktionsweise dieser »ganz normalen« staatlichen Behörde als Verfolgungsinstanz, das Engagement der beteiligten Beamten sowie die zahlreichen mit der staatlichen Verwaltung kooperierenden und konkurrierenden Nutznießer der Enteignung. Neben der Beraubung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland wird die Ausplünderung der Juden in den »angegliederten« und von der Wehrmacht besetzten Ländern Europas thematisiert.

Vorwort
Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts

Autorentext
Katharina Stengel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fritz Bauer Institut, Frankfurt.

Klappentext
Die gewaltsame Enteignung der jüdischen Bevölkerung im Nationalsozialismus war weniger das Werk der »klassischen« Tätergruppen, als vielmehr ein Prozess, an dem zahllose Personen und Institutionen als Ausführende und Profiteure beteiligt waren. Eine zentrale Rolle bei allen staatlich angeordneten Enteignungsmaßnahmen spielte die Reichsfinanzverwaltung. Im Fokus der Beiträge stehen die Funktionsweise dieser »ganz normalen« staatlichen Behörde als Verfolgungsinstanz, das Engagement der beteiligten Beamten sowie die zahlreichen mit der staatlichen Verwaltung kooperierenden und konkurrierenden Nutznießer der Enteignung. Neben der Beraubung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland wird die Ausplünderung der Juden in den »angegliederten« und von der Wehrmacht besetzten Ländern Europas thematisiert.

Leseprobe
Die jüdische Bevölkerung in Deutschland - genauer: die Menschen, die von den Nationalsozialisten zu Juden erklärt wurden - war von 1933 an zahlreichen Angriffen auf ihr Eigentum ausgesetzt, die schließlich in der vollständigen Enteignung des inländischen Besitzes von Juden gipfelten. Die Schritte, die zur Enteignung führten, waren vielfältig und komplex, unzählige Personen, Interessengruppen, Behörden und Unternehmen waren daran beteiligt, große Teile der nicht-jüdischen Bevölkerung in Deutschland haben davon profitiert. Die Stigmatisierung und gesellschaftliche Isolation der jüdischen Bevölkerung wurde von Beginn des "Dritten Reiches" an auch auf dem Weg der Beschneidung ihrer Eigentumsrechte forciert. Die den Berufsverboten, erzwungenen Geschäftsaufgaben und Vermögenskonfiskationen folgende Verarmung der deutschen Juden hat ihre Wehrlosigkeit gegenüber den Verfolgungsmaßnahmen verstärkt und vielfach eine lebensrettende Flucht verhindert. Die Negierung des Eigentumsrechts, die ab 1938 immer radikalere Züge annahm und die immerhin eines der zentralen Rechtsgüter der bürgerlichen Gesellschaft betraf, machte - in den Augen von Verfolgten wie Verfolgern - auch die Gültigkeit anderer Rechtsnormen für die jüdische Bevölkerung fraglich. Der "bürgerliche" oder "juristische Tod" der Juden ging ihrer Vernichtung voraus. Lange Jahre fand die Enteignung der jüdischen Bevölkerung in der Geschichtsforschung wenig Beachtung. Die wirtschaftliche Existenzvernichtung hat sich im Verhältnis zum millionenfachen Mord an den europäischen Juden eher als Marginalie ausgenommen, obwohl bereits sehr früh einzelne Historiker wie Raul Hilberg oder H. G. Adler auf den Zusammenhang zwischen Enteignung und Vernichtung hingewiesen haben. Die Konzentration auf nationalsozialistische Organisationen und ihre Rolle bei der Verfolgung und Vernichtung der Juden oder - wo die "Arisierung" zum Thema wurde - die Fokussierung auf die Rolle des "Großkapitals" haben lange Zeit den Blick auf die Vielzahl der Akteure verstellt, die gerade an der wirtschaftlichen Verfolgung der Juden beteiligt waren. Zur fehlenden Wahrnehmung der staatlichen Verwaltungsbehörden als Enteignungs- und Verfolgungsinstanzen hat darüber hinaus eine Sichtweise beigetragen, die in der Staatsverwaltung eine Bastion des "Normenstaates" sah, die sich - wenn überhaupt - nur zögerlich und unter Zwang zu Hilfsdiensten bei der Verfolgung einspannen ließ. Während die erste wichtige Arbeit zur "Arisierung" aus den 1960er-Jahren in der Forschung zunächst wenig Nachhall fand, ist in den letzten circa fünfzehn Jahren eine ganze Reihe von Arbeiten dazu entstanden, häufig mit regionalem Zuschnitt. Wegweisend für die Forschung war insbesondere Frank Bajohrs Regionalstudie zur "Arisierung" in Hamburg , mit der es ihm gelang, das Geflecht der Beteiligten und die Dynamik des politischen und gesellschaftlichen Prozesses der "Arisierung" darzustellen. Zur verstärkten Auseinandersetzung mit "Arisierung", die sich zunächst vor allem auf die staatlich wenig geregelte Aneignung des gewerblichen Besitzes von Juden in den Jahren bis 1938 konzentrierte , trat ab etwa 1999 eine intensivere Forschungstätigkeit zur fiskalischen Ausplünderung der Juden. Im Komplex der wirtschaftlichen Verfolgung wurde nun differenziert zwischen "Arisierung" und staatlicher Vermögenskonfiskation. Wolfgang Dreßen hat 1998 mit seiner Ausstellung "Aktion 3. Deutsche verwerten jüdische Nachbarn" und der dadurch ausgelösten Debatte über den Umgang mit den Akten der Finanzbehörden aus der NS-Zeit als Erster dem Thema "Fiskus und Judenverfolgung" größere öffentliche Aufmerksamkeit verschafft. In den vergangenen Jahren haben einige, meist regional zugeschnittene Forschungs- und Erschließungsprojekte auf der Basis der Akten der Finanz- und Wiedergutmachungsbehörden die fiskalische Ausplünderung der Juden dokumentiert und erforscht. Das, was teilweise H. G. Adler bereits in den 1970er-Jahren in seinem Werk Der verwaltete Mensch vorgezeichnet hatte, konnte in den Forschungsprojekten vertieft und konkretisiert werden. Deutlich geworden ist inzwischen, in welch herausragender Weise die Reichsfinanzverwaltung an der Enteignung der Juden mitgewirkt hat; sie war das wichtigste Instrument der staatlichen Konfiskation des Vermögens der jüdischen Bevölkerung, und sie sollte der Garant dafür sein, dass die Erlöse auch tatsächlich in der Reichskasse ankamen. Den Zugriff des Fiskus auf den Besitz der Juden kann man grob in drei Bereiche unterteilen: die Ausplünderung der Flüchtlinge, die Erfassung und Sicherstellung des Besitzes von Juden einschließlich der Einziehung der "Judenvermögensabgabe" und schließlich die "Verwaltung und Verwertung" des Besitzes der Deportierten und Geflohenen ab November 1941. Juden, die aus Deutschland flüchteten, hatten nicht nur die "Reichsfluchtsteuer" zu entrichten, sondern waren mit zahlreichen anderen Abgaben, Gebühren und Ausfuhrverboten konfrontiert. Das führte dazu, dass die Emigranten häufig kaum mit dem Lebensnotwendigen in den Aufnahmeländern ankamen. Der in Deutschland zwangsweise zurückgelassene Besitz wurde zugunsten der Reichskasse eingezogen; zunächst betraf das vor allem wohlhabende Juden, ab Ende 1941 alle jüdischen Emigranten. Auch den noch im Deutschen Reich lebenden Juden entzog die Finanzverwaltung nach und nach die Verfügungsgewalt über ihren Besitz. Der "Vermögensanmeldung" folgte rasch die "Judenvermögensabgabe" nach dem Pogrom vom November 1938. Die "Sicherstellung" des gesamten Besitzes durch die Devisenstellen war zunächst eine Maßnahme gegen jene Juden, die in Verdacht standen, auswandern zu wollen. Ab 1939 wurde sie auf alle Juden im Reichsgebiet ausgeweitet, die folglich für jede Ausgabe, die über einem geringen monatlichen Freibetrag lag, um eine Genehmigung bitten mussten. Im Nove…


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