Religion und soziale Ordnung

Religion und soziale Ordnung

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593383675
Untertitel:
Gesellschaftstheoretische Analysen
Genre:
Religions-Lexika
Autor:
Matthias Sellmann
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 04.2007
Anzahl Seiten:
495
Erscheinungsdatum:
2007
ISBN:
978-3-593-38367-5

Die Regelung religiöser Konflikte ist zu einem drängenden Problem westlicher Demokratien geworden. Die fundamentalistische Bedrohung der inneren Sicherheit, die multireligiösen Konflikte um Kopftuch, Moscheebau oder Religionsunterricht zwingen die Politik zum Umdenken. Die Frage lautet: Wo muss der moderne Staat religiöse Aktivitäten zurückdrängen, wo sollte er sie fördern und nutzen? Das Buch bietet eine umfassende Analyse aktueller Erfordernisse postsäkularer Religionspolitik und gibt Empfehlungen, um bestimmte religiöse Konflikte im Vorfeld zu verhindern.

Vorwort
Campus Forschung

Autorentext
Matthias Sellmann, Dr. theol., ist Referent an der Katholischen Sozialethischen Arbeitsstelle (KSA) der Deutschen Bischofskonferenz in Hamm.

Klappentext
Die Regelung religiöser Konflikte ist zu einem drängenden Problem westlicher Demokratien geworden. Die fundamentalistische Bedrohung der inneren Sicherheit, die multireligiösen Konflikte um Kopftuch, Moscheebau oder Religionsunterricht zwingen die Politik zum Umdenken. Die Frage lautet: Wo muss der moderne Staat religiöse Aktivitäten zurückdrängen, wo sollte er sie fördern und nutzen? Das Buch bietet eine umfassende Analyse aktueller Erfordernisse postsäkularer Religionspolitik und gibt Empfehlungen, um bestimmte religiöse Konflikte im Vorfeld zu verhindern.

Leseprobe
Vier Wochen vor der Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen sorgten Äußerungen des CDU-Spitzenkandidaten Jürgen Rüttgers für erhebliche Unruhe. In einem Gespräch mit dem N 24-Moderator Michel Friedmann beharrte Rüttgers trotz mehrfacher Nachfrage darauf, das katholische Menschenbild sei allen anderen Menschenbildern "überlegen". Dieses Gespräch produzierte Schlagzeilen und Abgrenzungen, zum Beispiel aus den Lagern der Kirchen, dem Zentralrat der Juden in Deutschland, dem politischen Gegner SPD, aber auch aus den eigenen Reihen. Von "Skandal" und "taktischer Torheit" war die Rede, von "Christen erster und zweiter Klasse", einem durch Rüttgers ausgerufenen "Heiligen Krieg", "christlicher Intoleranz" und einem intendierten "Gegeneinander der Religionen". Kommentatoren monierten den missionarischen Gestus der Aussagen und verwiesen auf die Toleranzpraxis unzähliger deutscher Katholiken etwa im christlich-islamischen Dialog. An der Aufregung änderte auch nicht, dass sowohl der Sender N 24 wie auch Rüttgers nachher richtigstellten, es sei vom christlichen, nicht vom katholischen Menschenbild die Rede gewesen. Vieles an dieser banalen Episode - mehr war es nicht, hat sie doch vor allem den Wahlsieg der CDU in Nordrhein-Westfalen nicht gefährdet - ist für den religionspolitisch interessierten Analytiker bemerkenswert. Auffällig war erstens, dass ein Journalist, und sei er auch ein so bekanntes wie engagiertes Mitglied der jüdischen Glaubensgemeinschaft wie Friedmann, die knappe Redezeit überhaupt auf eine religiös virulente Frage verwendete; zweitens, dass der deutsche politische Gesprächspartner das religiöse Bekenntnis gezielt zu seiner Profilierung nutzen wollte; drittens, dass die Kritiken an den Äußerungen ein so massives Vokabular wie "Heiliger Krieg" oder "Gegeneinander der Religionen" benutzten; viertens, dass manche Beobachter Rüttgers vorwarfen, im wahrsten Sinne des Wortes päpstlicher als der neue Papst Benedikt XVI. zu sein, der in einer seiner ersten Amtsansprachen den ökumenischen und den interreligiösen Dialog als Kernaufgabe seines Pontifikates bezeichnet hatte. Genau dieser weltkirchliche Bezug aber ist für den medienspezifischen Kontext und damit für die rechte Bewertung der religionspolitisch erhitzten Luft des Friedmann-Gespräches und der ihm folgenden Entrüstung entscheidend: Wie kein anderes Ereignis vorher hatte das Sterben des Vorgänger-papstes Johannes Paul II. und die Einführung des neuen Papstes Benedikt XVI. die mediale und politische Öffentlichkeit in ihrer weltgesellschaftlichen Dimension versammelt. Niemals waren so viele Journalisten und Staatsoberhäupter zur selben Zeit an einem Ort, niemals waren so viele Pilger in Rom wie beim Begräbnis von Johannes Paul II. am 8. April 2005. Welche politische Potenz das Pontifikat des polnischen Papstes hatte, wurde eindrücklich illustriert, als an seinem aufgebahrten Leichnam mit George H.W. Bush senior, Bill Clinton und George W. Bush junior drei US-Präsidenten knieten und beteten. Dieses Bild ging um die Welt - und bildete einen nun noch größeren Kontext religionspolitischer Betrachtung. Denn man wusste, dass während des präsidialen Kniefalls vor dem toten Papst amerikanische Soldaten im Irak stationiert waren, einem Krieg, der wiederum direkt zurück verwiesen war auf den 11. September 2001. Von diesem Tag, dem so genannten Nine eleven, an dem Terroristen zivile Passagiermaschinen in die Türme des World-Trade-Center und das Pentagon gesteuert haben, geht eine neue Linie aus, die zu einer neuen Bewertung solcher Großereignisse wie dem Papstbegräbnis, aber auch solcher Kleinereignisse wie der Rüttgers-Äußerung führen. Sowohl der große Vatikan wie das kleine Fernsehstudio von N 24 lagen im April 2005 im virtuellen Schatten jenes Attentates: So lautet die hier vertretene einleitende These. Am 11.9.2001 wurde ein neuer sowohl diskursiver wie politischer Horizont aufgespannt, der zu einer völlig neuen Wahrnehmung religiöser Phänomene geführt hat. Religion wurde an diesem Tag gewissermaßen von eher sporadischen Erwähnungen im Feuilleton in den Kernbereich politischer Schlagzeilen hinein geschleudert, und seitdem reißen die Ereignisse nicht ab, die zu einer neuen religionspolitisch motivierten Bewertung der Gegenwart herausfordern: Attentate wie die Terroranschläge von Madrid im März 2004 oder London im Juli 2005, nach denen es hieß, der religiöse Terror habe nun auch Europa erreicht; Morde im Auftrage Gottes wie der an dem niederländischen Regisseur Theo van Gogh; religiöse Unruhen wie die diesem Mord nachfolgenden in den Niederlanden; der mit allen Mitteln des Kulturkampfes geführte Karikaturenstreit; die religionspolitischen Konfliktmaterien wie die in Tschetschenien, Palästina oder Nordirland; die fast alltäglich gewordenen erschreckenden Bilder von religiös motivierten Selbstmordattentätern; die hoch emotionalisierten religionskultureller Debatten wie die um die Erlaubtheit des Kopftuches für muslimische Lehrerinnen oder um den Beitritt der Türkei zur EU; die Frage nach dem Einbezug Gottes in die Präambel der neuen europäischen Verfassung; die anhaltenden Diskussionen um die Zukunft staatlich geförderten christlichen Religionsunterrichtes oder um die Einführung auch islamischer öffentlicher Feiertage in Deutschland; das höchstrichterliche juristische Ringen um die Statuszuschreibung einer öffentlichen Körperschaft für neureligiöse Bewegungen wie etwa den Zeugen Jehovas oder eben die seitdem immer wieder gerade von den so genannten C-Parteien geforderte Berücksichtigung der christlichen Wurzeln europäischer Identität - all dies sind Belege dafür, dass der Faktor Religion zu einer erheblich höheren Brisanz gelangt ist als noch vor wenigen Jahren. Das Projekt politischer Steuerung moderner Gesellschaften hat ein neues und hochmobiles Themenfeld bekommen, und Akteure auf allen politischen Ebenen von der Kommune bis zum Europäischen Parlament scheinen gut beraten, die hier virulenten Energien sehr ernst zu nehmen. In einem Bild ausgedrückt: Der terroristische Anschlag vom 11. September 2001 mit der Ermordung von fast 3.000 Menschen hat nicht nur brutale architektonische Schneisen in die Skyline New Yorks geschlagen, er hat auch fundamentale tektonische Verschiebungen im wahrgenommenen Verhältnis von Moderne und Religion bewirkt. So wie New York derzeit im Ground Zero um eine unsichtbar gewordene Mitte pulsiert, so muss auch das Verhältnis von Moderne und Religion …


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