Macht und Ohnmacht internationaler Institutionen

Macht und Ohnmacht internationaler Institutionen

Einband:
Paperback
EAN:
9783593383651
Untertitel:
Studien der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung 53 - Festschrift
Genre:
Vergleichende & internationale Politikwissenschaft
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 06.2007
Anzahl Seiten:
393
Erscheinungsdatum:
30.06.2007
ISBN:
978-3-593-38365-1

Hess. Stiftung Friedens- und Konfliktforschung

Internationale Institutionen wie die UNO sind als Instrumente einer friedlichen Weltpolitik gedacht. Doch häufig erweisen sie sich als zu schwach, um Kriege wie in Ruanda, auf dem Balkan oder im Irak zu verhindern. Der Band analysiert, was internationale Institutionen bei der Bearbeitung solcher politischer Konflikte leisten können und wie sie beschaffen sein müssen, um ihre Aufgaben in der sich rasant verändernden Weltgesellschaft erfüllen zu können.

Vorwort
Hess. Stiftung Friedens- und Konfliktforschung

Autorentext
Andreas Hasenclever ist Professor für Friedensforschung und Internationale Politik in Tübingen. Klaus Dieter Wolf ist Professor für Politikwissenschaft an der TU Darmstadt. Michael Zürn ist Akademischer Direktor der Hertie School of Governance Berlin.

Leseprobe
Anfang der neunziger Jahre herrschte in der Lehre von den internationalen Beziehungen Aufbruchstimmung. Das Ende des Kalten Krieges und die Dynamik der Globalisierung versprachen Klärung und Neuorientierung für eine Disziplin, die sich in endlose Debatten über die Bedeutung internationaler Institutionen verstrickt hatte. Jetzt sollte sich zeigen, ob die Wirklichkeit schwarz oder weiß ist. Müssen wir mit internationalen Institutionen in den grenzüberschreitenden Beziehungen zwischen Staaten und Gesellschaften rechnen? Oder sind sie lediglich Spiegel ihrer Zeit, die blind werden, wenn sich die Akteurskonstellationen im weltweiten Poker um Macht und Reichtum ändern? Um diese Fragen zu beantworten, wurden präzise Hypothesen formliert und die Hoffnung artikuliert, dass sich diese Hypothesen an der politischen Wirklichkeit überprüfen lassen würden (Czempiel 1993; Hellmann/Wolf 1993; Hoffmann et al. 1993; Mearsheimer 1990; Rittberger/Zürn 1991). Wenn die Realisten Recht behalten sollten, dann müssten die Institutionen des Kalten Krieges über kurz oder lang verschwinden. Die USA würden auf absehbare Zeit als unipolare Macht die Weltpolitik bestimmen. Die institutionelle Landschaft würde sich dieser neuen Machtkonstellation anpassen: Auf der einen Seite müsste eine amerikanische Ordnung mit globalem Geltungsanspruch entstehen, auf der anderen Seite sollte es Versuche geben, Gegenbündnisse einzurichten und zu stabilisieren. In den Regionen, die von den USA nicht beachtet werden, müssten sich Rüstungswettläufe und lokale Rivalitäten entwickeln. Wenn die Institutionalisten Recht behalten sollten, dann sollte sich die internationale Politik zunehmend versachlichen. Der dramatisch ansteigende Kooperationsbedarf zur Bewältigung globaler wie regionaler Herausforderungen würde durch zügig nachwachsende Organisationen und Regime befriedigt werden. Diese Organisationen und Regime würden sich organisch aus bestehenden institutionellen Arrangements entwickeln und robuste Netzwerke des Weltregierens bilden. Die Staatengemeinschaft sollte befreit von Großmachtkonkurrenz und Sicherheitssorgen endlich die vielen unbewältigten Menschheitsaufgaben anpacken und gemeinsam Weltprobleme lösen. Die Gruppe der "vernünftigen" Staaten - seien es Demokratien oder aufgeklärte Autokratien - würde wachsen, und diese Gruppe würde die Politik nachhaltig zum Besseren verändern. Schließlich erwarteten Transnationalisten das Ende der Westfälischen Ordnung und damit auch das Ende des Staatszentrismus. Neue Akteure wie finanzkräftige Wirtschaftsunternehmen und öffentlichkeitswirksame Nichtregierungsorganisationen würden die Weltpolitik nachhaltig beeinflussen. Ihre globalen und regionalen Netzwerke müssten sich zu neuen Machtzentren entwickeln, welche die Staaten entweder integrieren oder marginalisieren würden. Sehr zum Ärger der Wissenschaft blieb die Wirklichkeit grau. Auf der einen Seite konnten sich internationale Institutionen offenkundig behaupten. Aber ihre Leistungsfähigkeit blieb beschränkt, nicht zuletzt weil mächtige Staaten wichtige Reformen verhinderten. Während beispielsweise die Vereinten Nationen im Bereich der Kriegsbeendigung und Friedenskonsoldierung ihr Engagement deutlich verstärkten und durchaus auch Erfolge vorweisen konnten, ist es bislang nur ansatzweise gelungen, längst überfällige Strukturanpassungen vorzunehmen (Mack 2005; Rittberger 2006; Wolter 2007). Während eine Gruppe gleich gesinnter Staaten im Sommer 1998 den Internationalen Strafgerichtshof ins Leben rief, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden, bleibt die Wirksamkeit des Gerichtshofs prekär, da ihm die USA die Unterstützung verweigern (Deitelhoff 2006; Ralph 2004). Während die Osterweiterungen von EU und NATO auf der einen Seite die ungebrochene Attraktivität und Vitalität dieser beiden Organisationen dokumentierten (Schimmelfennig 2003a), gerät der europäische Konstitutionalisierungsprozess ins Stocken und werden wichtige Entscheidungen wegen massiver Kompetenz- und Finanzstreitigkeiten immer wieder vertagt. Während es der Staatengemeinschaft gelungen ist, das GATT-Regime zur Welthandelsorganisation WTO weiterzuentwickeln und die neue Organisation mit einem höchst effektiven Streitschlichtungsmechanismus auszustatten (Zangl 2006), steht die wichtige Doha-Entwicklungsrunde seit Jahren still und nach Meinung einiger Beobachter sogar vor dem Aus (Bhagwati 2004; Senti 2006). In Lateinamerika und Südostasien erwiesen sich die regionalen Institutionen als wenig krisenresistent und müssen permanent veränderten Umständen angepasst werden (Rüland 2002). Und von Russland und China wurde zwar ein wachsendes Interesse an institutionalisierter Kooperation beispielsweise im Rahmen der Shanghai Organisation vermeldet, aber Beobachter bleiben skeptisch, ob die beiden Staaten wirklich bereit sind, die vereinbarten Regeln gegen sich gelten zu lassen, wenn sie ihren Interessen widersprechen (Möller 2003). Auf der anderen Seite zeigte sich, dass nicht-staatliche Akteure wie NGOs oder transnationale Unternehmen in der Welt- und Regionalpolitik zwar deutlich an Einfluss gewonnen haben (Brühl/Rittberger 2001; Risse 2002). Sie übernahmen zunehmend Anwaltfunktionen und sorgten in den verschiedensten Politikfeldern für ein geschärftes internationales Problembewusstsein. Immer wieder gelang es ihnen, auf massive Menschenrechtsverletzungen oder drängende Umweltprobleme aufmerksam zu machen, sie auf die internationale Agenda zu setzen und Staaten zu ernsthaften Problemlösungsversuchen zu bewegen, auch wo letzteres nicht in deren primärem Interesse lag (Hasenclever 2001; Keck/Sikkink1998; Risse et al. 2002). Außerdem übernahmen nicht-staatliche Akteure wichtige Servicefunktionen und griffen mit eigenen Problemlösungsressourcen aktiv in politische Krisensituationen ein oder engagierten sich für Umweltschutz, Armutsbekämpfung und Entwicklungspolitik. Schließlich haben nicht-staatliche Akteure in den letzten Jahren innerhalb internationaler Organisationen wichtige Reformprozesse angestoßen. Besonders deutlich wurde dies in den Vereinten Nationen. Ohne die Allianz aus nicht-staatlichen Akteuren und internationalen Bürokraten wären weder der neue Menschenrechtsrat noch die Kommission für Friedenskonsolidierung (Peacebuilding Commission) eingerichtet worden (Gareis 2006; Thakur 2006; Theissen 2006). Gleichzeitig muss aber auch gesehen werden, dass die Erfolge in allen genannten Feldern begrenzt blieben. Es ist nicht-staatlichen Akteuren beispielsweise weder gelungen, ihre Einbindung in die permanente Arbeit der Organe, Kommissionen und Organisationen der Vereinten Nationen deutlich zu verbessern. Die entsprechenden Empfehlungen des Cardoso-Reports werden von der Staatengemeinschaft bislang schlicht ignoriert (Rittberger 2006; Wolter 2007). Noch wird die Arbeit der Peacebuilding-Commission in Zukunft maßgeblich von problemgerechten Prinzipien und sachorientierten Verfahren geleitet werden. Denn die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats haben dafür gesorgt, dass die neue Kommission gegen ihre Interessen keine Empfehlungen aussprechen wi…


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