Berthold Simonsohn

Berthold Simonsohn

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593383408
Untertitel:
Biographie des jüdischen Sozialpädagogen und Juristen (1912-1978)
Genre:
Kulturgeschichte
Autor:
Wilma Aden-Grossmann
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 03.2007
Anzahl Seiten:
436
Erscheinungsdatum:
12.03.2007
ISBN:
978-3-593-38340-8

Campus Judaica
Herausgegeben von Renate Heuer

Durch sein lebenslanges soziales Engagement war Berthold Simonsohn eine Ausnahmeerscheinung seiner Zeit. Als verfolgter Jude wurde er während des Nationalsozialismus nach Theresienstadt deportiert und überlebte fünf Konzentrationslager. Er kehrte nach Deutschland zurück und baute die Zentralwohlfahrtsstelle für Juden wieder auf, die er bis 1961 leitete. Als Professor für Sozialpädagogik und Jugendrecht an der Universität Frankfurt setzte er sich für die Reform des Jugendrechts und des Jugendstrafvollzugs ein. Er gehört damit zu jenen Überlebenden und Rückkehrern, die nach 1945 die Gesellschaft der Bundesrepublik maßgeblich mitgestalteten.

Vorwort
Campus Judaica Herausgegeben von Renate Heuer

Autorentext
Wilma Aden-Grossmann ist Professorin für Sozialpädagogik an der Universität Kassel.

Leseprobe
Den jüdischen Juristen und Sozialpädagogen Berthold Simonsohn haben noch heute - knapp dreißig Jahre nach seinem Tod - viele Menschen als eine Persönlichkeit in Erinnerung, die sie nachhaltig beeindruckt hat. Auch mir ist die Begegnung mit ihm unvergessen. Ich habe ihn 1967 kennen gelernt und war von 1968 bis 1974 seine Assistentin an der Universität, also zur Zeit der Studentenbewegung und dem Ausbau der Universitäten. Ich habe ihn in dieser Zeit als einen hochschulpolitisch engagierten und hervorragenden akademischen Lehrer erlebt, der meine wissenschaftliche und persönliche Entwicklung förderte und prägte. In seinen Reden und Schriften, wie auch durch sein Verhalten, brachte er zum Ausdruck, dass er als Jude der Schicksalsgemeinschaft der deutschen Juden angehörte, und dass er als Sozialist für Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit und Demokratie eintrat. Er hat mit der Wiedergründung der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und durch sein gesellschaftspolitisches Engagement aus heutiger Sicht einen außerordentlich wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass nach dem Ende des Nationalsozialismus in Deutschland wieder jüdisches Gemeinde- und Kulturleben entstanden sind. Er hat Brücken zwischen Israel und Deutschland gebaut, und dies zu einer Zeit, als es noch keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten gab. Angesichts der gegenwärtigen Forderungen nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts, die nach Aufsehen erregenden brutalen Straftaten durch Jugendliche insbesondere von konservativen Politikern erhoben werden, ist ein Rückblick auf Simonsohns Analysen der Jugendkriminalität von aktueller Bedeutung, da wir hier Parallelen zur heutigen Zeit entdecken können. Simonsohn zeigte den Zusammenhang zwischen der gesellschaftlichen Entwicklung sowie den historischen Ereignissen und dem Anstieg der Jugendkriminalität auf. Er wies die Nutzlosigkeit und Schädlichkeit der Einweisung von delinquenten Jugendlichen in Jugendstrafanstalten nach und trat den auch damals erhobenen Forderungen nach einer Verschärfung der Jugendstrafe entschieden entgegen. Er forderte als Prävention den Ausbau der Erziehungs- und Beratungsmaßnahmen und Resozialisierungsmaßnahmen für delinquente Jugendliche mit dem Fernziel der weitgehenden Abschaffung der Jugendgefängnisse. Mit dieser Biographie soll ein Mann gewürdigt werden, der aus heutiger Sicht außerordentlich wichtige Beiträge zu den hier genannten Fragen geleistet hat. Berthold Simonsohn wurde noch zur Kaiserzeit geboren und erlebte als Heranwachsender die turbulente Zeit der ersten deutschen Demokratie, die Weimarer Republik. Als Hitler die Macht übernommen hatte, war Simonsohn knapp 21 Jahre alt, ein sehr begabter junger Mann und ein herausragender Student mit vielseitigen Interessen. Er wurde als Sozialist und Jude in eine gesellschaftliche Randposition gedrängt, schon bald verfolgt und Ende 1933 zum ersten Mal inhaftiert. Dennoch hatte er in dieser, wie auch in allen späteren Situationen, die Kraft zum Handeln, war nicht nur Opfer, sondern setzte sich zur Wehr und engagierte sich im Widerstand der Sozialistischen Arbeiterpartei. Unter existenzieller Bedrohung schrieb er als 22-Jähriger seine Dissertation und übernahm schon bald danach als Bezirksfürsorger für Nordwestdeutschland Verantwortung für Verfolgte: Er blieb in Deutschland, um zu helfen, bis er schließlich selbst 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde. Aber auch im Ghetto Theresienstadt war er politisch im jüdischen Jugendverband, dem "Hechaluz", tätig, arbeitete in dem illegalen Bildungswesen und schließlich als stellvertretender Leiter der Jugendfürsorge. Am 19. Oktober 1944 wurde er in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und nach wenigen Tagen nach Dachau und Kaufering. Er gehörte zu der kleinen Zahl deutscher Juden, die diese Deportationen überlebten. Die ersten Nachkriegsjahre verbrachte er in der Schweiz. Als Harry Goldstein, der nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes wieder zum Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Hamburg gewählt worden war, ihn bat, die Stelle des Rechtsdezernenten zu übernehmen, um die meist in Armut und Not lebenden Juden zu beraten, kehrte er 1950 nach Deutschland zurück. Eine weitaus größere Aufgabe wurde ihm ein Jahr später übertragen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte beschlossen, die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland wieder zu gründen und Berthold Simonsohn als geschäftsführenden Direktor mit dieser Aufgabe zu betrauen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren Simonsohns Organisationserfahrungen in Verbindung mit seinen soliden juristischen Kenntnissen. Die wichtigste Aufgabe der ersten Jahre war die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus. Simonsohn setzte sich gemeinsam mit dem Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Hendrik van Dam, für die Verabschiedung des Bundesentschädigungsgesetzes ein, wobei er darauf drängte, dass bei der "Wiedergutmachung" nicht nur die Vermögensschäden ersetzt, sondern auch die gesundheitlichen Schäden, wozu er auch die psychosomatischen Erkrankungen zählte, als verfolgungsbedingt anerkannt werden müssten. Die über viele Jahre hinweg von ihm redaktionell betreute "Wiedergutmachungsbeilage" der Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland war für Juden bei der Beantragung von Wiedergutmachungsleistungen eine unentbehrliche Hilfe, weil Simonsohn in dieser Beilage Gerichtsurteile und medizinische Gutachten veröffentlichte. Auch in Hunderten von Einzelfällen stand er den Ratsuchenden zur Seite. Unter seiner Leitung entwickelte sich die neue Zentralwohlfahrtsstelle im ersten Jahrzehnt seit ihrer Wiedergründung von dem "Ein-Mann-Betrieb" zu einem ausgebauten Wohlfahrtsverband, der Anerkennung fand durch die Aufnahme in die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege. Damit gehörte die "Zentralwohlfahrtsstelle" wieder zu den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege. Simonsohns von Jugend an gehegter Wunsch, als Wissenschaftler und Hochschullehrer zu arbeiten, erfüllte sich, als er 1962 auf eine Professur für Sozialpädagogik und Jugendrecht an die Hochschule für Erziehung, die der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main angegliedert war, berufen wurde. Durch seinen psychoanalytischen und gesellschaftskritischen Ansatz, mit dem er Sozialisationsverläufe von Kindern und Jugendlichen mit deviantem Verhalten analysierte, gab er dem Fach Sozialpädagogik an der Frankfurter Universität ein besonderes Profil. Er befasste sich insbesondere mit den Problemen der Jugenddelinquenz und verfolgte dabei das weitreichende Ziel, die Jugendgefängnisse abzuschaffen. An deren Stelle sollten Resozialisierungsmaßnahmen und andere Hilfsangebote treten. "Erziehen statt strafen", das war sein Motto. Deshalb sollte das Jugendrecht in das Jugendhilferecht integriert werden. Mit diesen Vorschlägen, die er in der Kommission der Arbeiterwohlfahrt zur Jugendstrafrechtsreform entwickelte, war er - wie er selbst wusste…


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