Himmlische Quellen und irdisches Recht

Himmlische Quellen und irdisches Recht

Einband:
Paperback
EAN:
9783593383385
Untertitel:
Religiöse Voraussetzungen des freiheitlichen Verfassungsstaates
Genre:
Politische Ideengeschichte & Theorien
Autor:
Tine Stein
Herausgeber:
Campus
Auflage:
1. Aufl. 06.2007
Anzahl Seiten:
372
Erscheinungsdatum:
30.06.2007
ISBN:
978-3-593-38338-5

Die christlichen Wurzeln der modernen Demokratie

Der freiheitliche Verfassungsstaat ist ein säkularer Staat. Dieses Charakteristikum verdankt sich einer grundlegenden Unterscheidung von Politik und Religion, von irdischer und transzendenter Sphäre, die in den biblischen Erzählungen ihre Grundlage findet. Tine Stein will die politiktheoretische Bedeutung der biblischen Erzählungen und der christlichen Tradition bergen und zeigen, wie sehr das für den demokratischen Verfassungsstaat konstitutive Leitbild des Menschen als frei, gleich und mit unverfügbarer Würde ausgestattet hiervon geprägt ist. Neben dem genealogischen Befund wird diskutiert, ob eine metaphysische Geltungsgrundlage des Rechts im Verfassungsstaat behauptet werden kann und ob die Sphäre des Unverfügbaren für die Aufrechterhaltung einer freiheitlichen Rechtsordnung konstitutiv ist.

Vorwort
Die christlichen Wurzeln der modernen Demokratie

Autorentext
Tine Stein ist Privatdozentin an der FU Berlin (Otto-Suhr- Institut für Politikwissenschaft) und arbeitet am Wissenschaftszentrum Berlin.

Klappentext
Der freiheitliche Verfassungsstaat ist ein säkularer Staat. Dieses Charakteristikum verdankt sich einer grundlegenden Unterscheidung von Politik und Religion, von irdischer und transzendenter Sphäre, die in den biblischen Erzählungen ihre Grundlage findet. Tine Stein will die politiktheoretische Bedeutung der biblischen Erzählungen und der christlichen Tradition bergen und zeigen, wie sehr das für den demokratischen Verfassungsstaat konstitutive Leitbild des Menschen als frei, gleich und mit unverfügbarer Würde ausgestattet hiervon geprägt ist. Neben dem genealogischen Befund wird diskutiert, ob eine metaphysische Geltungsgrundlage des Rechts im Verfassungsstaat behauptet werden kann und ob die Sphäre des Unverfügbaren für die Aufrechterhaltung einer freiheitlichen Rechtsordnung konstitutiv ist.

Leseprobe
Es ist eine ständige Aufgabe der politischen Theorie, sich der Fundamente und Entwicklungsperspektiven jener politischen Ordnung zu vergewissern, die als die am wenigsten schlechte für moderne Gesellschaften gilt: der demokratische Verfassungsstaat. Als eines seiner zentralen Charakteristika wird die Neutralität in weltanschaulichen und religiösen Angelegenheiten angesehen. Für die Bürger bedeutet dies, dass ihnen mit guten Gründen zugemutet werden kann, ihr Verhalten an den allgemeinen Gesetzen auszurichten, auch wenn sie von diesen nicht überzeugt sein sollten. Denn im modernen Verfassungsstaat wird zwischen Legalität und Moralität unterschieden: es wird nicht eine innere Übereinstimmung mit den Gesetzen verlangt, sondern die Rechtstreue im äußeren Verhalten. Mit den Gesetzen verbindet sich keine Wahrheitsbehauptung, sondern sie sind auf den demokratisch legitimierten und rechtsstaatlich verfassten Willen der Mehrheit gegründet. Dies kann jedenfalls als fundamentales Element der Theorie dieser politischen Ordnung rekonstruiert werden, welche realhistorisch eine Antwort auf die existentielle Frage darstellte, die die konfessionellen Bürgerkriege in Europa vor vierhundert Jahren aufgeworfen haben. Unter der Bedingung religiöser Pluralität und konkurrierender Wege zum Heil war die Auflösung der Verknüpfung von Herrschaft und Heil die Alternative zur Austragung der religiösen Wahrheitsfrage mit den Mitteln des weltlichen Schwertes geworden. Dabei ist bemerkenswert, dass die weltanschauliche und religiöse Neutralität des Verfassungsstaates nicht anti-religiös motiviert ist, sondern ihr Zweck vielmehr die religiöse und weltanschauliche Freiheit der Bürger in Anerkennung ihrer individuellen Gewissensfreiheit ist. Auf keine Religion und Weltanschauung darf der Staat, der unter modernen Prämissen legitimer Staat sein soll, seine Herrschaft stützen. 12 HIMMLISCHE QUELLEN UND IRDISCHES RECHT Vor diesem Hintergrund ist zu Beginn des Grundgesetzes ein Satz zu lesen, der ein gewisses Irritationspotential für die zeitgenössische politische Theorie bereithält: "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen (...) hat sich das Deutsche Volk (...) dieses Grundgesetz gegeben". Der wechselseitig abgeschlossene Vertrag der Bürger soll nicht nur vor der denkbar allgemeinsten weltlichen Instanz, der Menschheit also, gerechtfertigt werden, sondern auch in dem forum Dei, vor Gott, dem in der menschlichen Vorstellung absolut Anderen als dem Schöpfer allen Seins. Wie kann in der rechtlichen Grundordnung einer säkularen politischen Gemeinschaft eine Aussage enthalten sein, deren metaphysischer Gehalt von einem guten Teil der Mitglieder dieser Gemeinschaft nicht für wahr gehalten wird? Selbst wenn dieser Inhalt bei allen Mitgliedern der Gemeinschaft eine innere Musikalität zum Klingen brächte, handelte es sich bei einem solchen Brückenschlag zur Transzendenz in einer modernen politischen Gemeinschaft nicht um ein völlig systemfremdes Element? Tatsächlich wird mit der in der Präambel ausgesprochenen Anerkennung der Verantwortung vor Gott die Verfassungsordnung explizit in eine bestimmte Tradition eingeordnet. Dies steht in einem gewissen Spannungsverhältnis nicht nur zum Prinzip der religiös-weltanschaulichen Neutralität, sondern auch zum universellen Gehalt der nachfolgenden Grundrechte, denn schließlich eignet jeder Tradition ein partikularer Charakter. Diese das Grundgesetz inspirierende Tradition ist die des Westens, der in seinen zentralen Zügen vom jüdischen und christlichen Menschenbild und Weltverhältnis geprägt ist. Mit den biblischen Erzählungen über die Erschaffung des Menschen, über dessen Sündenfall, seine Versklavung und Befreiung, über das dann einzigartige Erlösungsversprechen durch die Menschwerdung Gottes wird das Grundgerüst dafür geschaffen, wie wir uns als Menschen sehen. Dieses Grundgerüst ist in die politischen Ordnungsstrukturen des demokratischen Verfassungsstaates eingegangen. Es ist das Bild vom Menschen, der gleich und frei ist und mit einem unbedingten Anspruch auf Anerkennung seiner Würde auftreten kann, wodurch jeder zum anderen in einem Verhältnis wechselseitigen Respekts steht. Für sein freiheitliches Handeln ist der Mensch verantwortlich - nicht nur vor seinen Mitmenschen, sondern auch vor seinem Gewissen, das für die Gläubigen einen letzten Richter kennt. In dieser Tradition hat die Vorstellung des Menschen als Individuum ihre Quelle. Und nichts begrenzt den Verfügungsanspruch der Politik auf den Menschen so radikal wie die abendländische Grundordnung einer Dualität von Diesseits und Jenseits, von Temporalia und Spiritualia, von irdischer politischer Ordnung und verheißenem Gottesreich. Ohne die Zutaten des jüdischen und christlichen Denkens und seiner sozialen und institutionellen Vergemeinschaftungsstrukturen hätte sich die spezifische Form einer politischen Ordnung mit beschränkter Zuständigkeit, deren Zweck der Schutz der menschlichen Würde ist, nicht herausbilden können. Das ist die erste grundlegende These, die hier geprüft werden soll. Ein solches Unterfangen ist bereits für sich genommen von Belang, da in der zeitgenössischen Politikwissenschaft dieser Zusammenhang eher unterbelichtet ist.1 Schließlich führen die meisten Wege der ideengeschichtlichen Verortung der konstitutionellen Demokratie hinsichtlich der demokratischen Legitimationsverfahren, ja überhaupt der Erfindung des Politischen, nach Athen und hinsichtlich der Rechtsbindung der Politik nach Rom. Die allgemeinen Menschenrechte werden historisch dann in den Menschenrechtserklärungen der Amerikanischen und Französischen Revolution gesucht und gefunden und die politiktheoretische Ausarbeitung des Legitimitätsanspruchs in den sich überlagernden Schichten der frühneuzeitlichen Vertragstheorie, in der erstens das Insignium moderner Staatlichkeit, nämlich die im Gewaltmonopol verbürgte Souveränität, ausgearbeitet wird, in der zweitens die politische H…


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