Wasser, Fasten, Luft und Licht

Wasser, Fasten, Luft und Licht

Einband:
Paperback
EAN:
9783593379555
Untertitel:
Die Geschichte der Naturheilkunde in Deutschland
Genre:
Geschichts-Lexika
Autor:
Uwe Heyll
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Auflage:
1. Aufl. 03.2006
Anzahl Seiten:
310
Erscheinungsdatum:
31.03.2006
ISBN:
978-3-593-37955-5

Die Natur als Meisterin des Lebens

Uwe Heyll erzählt von diesen Anfängen der Naturheilkunde, von ihrem Ideal einer vollkommenen Welt, das den Menschen dauerhafte Gesundheit und Wohlergehen versprach, und von ihren heute zum Teil merkwürdig anmutenden Methoden. Während die Ärzte das Treiben der Laien zunächst mit Zurückhaltung verfolgten, zeigten sie später Interesse an den Verfahren, ohne jedoch deren umfassende Ziele zu teilen. Während des Nationalsozialismus wurde die von Ärzten betriebene »Biologische Medizin« als Volksheilkunde gefördert, wobei gleichzeitig die naturheilkundliche Laienbewegung in der Bedeutungslosigkeit versank. Die heutige Alternativmedizin hat nur noch wenig mit den Ursprüngen gemein. Die Geschichte der Naturheilkunde erweist sich hier als Teil der Kultur- und Sozialgeschichte der letzten 200 Jahre, in deren Verlauf sich das Naturverständnis umfassend wandelte und Technisierung und Modernisierung auch die Medizin von Grund auf veränderten.

Autorentext
Uwe Heyll, Dr. med., ist Arzt für Innere Medizin und Rheumatologie und absolvierte ein Zweitstudium der Philosophie, Sozialwissenschaften und Geschichte der Medizin. Seit 1994 ist er am Institut für Geschichte der Medizin der Heinrich-Heine- Universität in Düsseldorf tätig.

Klappentext
Die Heilkräfte der Natur nutzen, ohne Medikamente oder chirurgische Eingriffe, war das Ziel der um 1800 entstehenden Naturheilkunde. Eine Vielfalt an Verfahren wurde entwickelt, vom Duschen im Freien mit eiskaltem Wasser über streng vegetarische Kost bis zum Baden im Licht. Zugrunde lag all dem die Vorstellung eines naturgemäßen Lebens und Heilens.

Leseprobe
Einleitung Eine auf den ersten Blick eher unspektakuläre Episode, die sich im Jahr 1811 zugetragen haben soll, gilt vielen naturheilkundlich Interessierten, Historikern und Buchautoren als Ausgangspunkt der deutschen Naturheilkunde. So erzählte sie 100 Jahre später der schlesische Heimatdichter Philo vom Walde: Der damals 12-jährige Bauernjunge Vincenz Prießnitz aus der schlesischen Ortschaft Gräfenberg hütete eine Herde Kühe in der Nähe einer Quelle. Während er, in Träumen versunken, unter einem schattigen Busch lag, fiel ihm ein angeschossenes Reh auf, das sich zum Wasser schleppte. Dort angekommen, badete es sein verwundetes Bein, um anschließend wieder im Wald zu verschwinden. An den folgenden Tagen erschien das Reh regelmäßig und jedes Mal tauchte es sein verletztes Bein in das frische Quellwasser. Erst als das Tier vollständig genesen war, blieb es der Quelle fern. Der junge Prießnitz schloss aus dieser Episode, dass dem Wasser eine besondere Heilkraft zukommen müsse. Als er sich kurze Zeit später selbst verletzte, entsann er sich seines Erlebnisses und konnte zum Erstaunen der Ärzte durch die alleinige Anwendung von Wasser eine Heilung herbeiführen. In der Folgezeit sammelte Prießnitz weitere Erfahrungen in der Wassertherapie, zunächst bei Erkrankungen seiner Familienmitglieder und Verwandten, ehe er sich an die Behandlung von Freunden, Nachbarn und später auch Fremden wagte. Aus dem ungebildeten Bauernjungen wurde ein geachteter und verehrter Heilkundiger mit internationaler Kundschaft. Seine Wasserkur führte zur Entstehung einer neuen Heilform, die in ihrer Glanzzeit mehr als 100.000 organisierte Anhänger zählte und über eigene Ambulatorien, Praxen, Krankenhäuser und Lehrstühle verfügte. Allgemein gilt Vincenz Prießnitz heute als Begründer der Naturheilkunde, weshalb der Deutsche Naturheilbund den Namenszusatz "Prießnitz-Bund" trägt. Rückblickend stellt sich die Frage, wie die Erzählung von Prießnitz und dem Reh zu bewerten ist. Handelt es sich bei der Beobachtung des jungen Prießnitz um eine jener bedeutsamen Entdeckungen, die den Blick für ganz neue Tatsachen eröffnete und deshalb in eine Reihe mit dem fallenden Apfel Isaac Newtons oder der verschimmelten Bakterienkultur Alexander Flemings gehört? Oder aber ist die Episode, deren Überlieferung wesentlich Philo vom Walde zu verdanken ist, nicht mehr als eine Anekdote oder gar eine Legende, die aus dem Geist der Verehrung geboren wurde? Philo vom Walde war keineswegs der erste, der die Geschichte von Prießnitz und dem Reh erzählt hat. Sie wurde auch schon früher in verschiedenen Variationen berichtet, beispielsweise in der Zeitschrift Der Wasserfreund aus dem Jahr 1861. Dort allerdings war es kein Reh, sondern ein Schaf aus der Herde des jungen Prießnitz, das seine Wunden in der Quelle badete. Philo vom Walde aber, der mit bürgerlichem Namen Johannes Reinelt hieß und in Breslau als Lehrer arbeitete, erhob die Episode in den Rang einer historischen Tatsache, an deren Wahrheit kein Zweifel mehr zugelassen werden durfte. In seiner großen Prießnitz-Biographie, die zum hundertsten Geburtstages des verehrten Schöpfers der Naturheilkunde erschien, widmete er den Vorgängen an der "Prießnitz"-Quelle nicht nur ungewöhnlich viel Raum, er ließ sie zudem mit einer Zeichnung illustrieren, die den Ort der Ereignisse zeigte und so für die Authentizität des Berichteten bürgte. Offensichtlich hatte die Episode - fast 90 Jahre nach ihrem Geschehen - einen besonderen Stellenwert für die Naturheilbewegung erlangt. Dies zeigte sich erneut, als Alfred Baumgarten, ein Arzt und Schüler Sebastian Kneipps, auf Philo vom Waldes Biographie mit einer eigenen Darstellung der Ereignisse reagierte, in der er die Wahrheit der Erzählung anzweifelte und damit heftige Reaktionen im Lager der Prießnitz-Anhänger provozierte.

Inhalt
Einleitung 1. Anfänge der Naturheilkunde Die Gräfenberger Wasserkur Ein neues Bild der Natur Die heilsamen Krisen "Verrat" und früher Tod Johannes Schroth: der Konkurrent aus Lindewiese 2. Das Konzept der Naturheilkunde Vorkämpfer der Naturheilkunde Die Gründung der Naturheilkunde als Laienpraxis Das Paradies der Gesundheit Von der Religion zur Utopie Das System der Natur 3. Die Heilkunst der Naturheilkunde Grundzüge der naturheilkundlichen Krankheitslehre Der Arzt als Diener der Natur Wasser, Dampf und heiße Luft Fasten und Schonkost Die "Schwedische Gymnastik" Techniken der äußeren und inneren Massage Der "Lichtluftkultus" 4. Die Lebenskunst der Naturheilkunde Vorbeugung statt Therapie Vegetarismus, Grahambrot und Rohkost Luft, Licht und Kleidung Der "vollendete Mensch" Aufklärung und Weltflucht 5. Kämpfe und Konflikte Die Physikalische Therapie Der Kampf um den Fortschritt Der "therapeutische Aktionismus" Grausamkeit im Dienste der Wissenschaft 6. Krise und Niedergang Die Suche nach dem Naturzustand Die "Affäre Rikli" Der Tod Theodor Hahns Die Vertreibung aus dem Paradies Generationenwechsel Das Ende der Laientherapie Der Kampf gegen Scharlatanerie Friedrich Eduard Bilz: Naturheilkundler und Geschäftsmann Der "Betrug" des Louis Kuhne Der "Lehmdoktor" Adolf Just Freie Heilkünstler: Sebastian Kneipp und Emanuel Felke 7. Ärztliche Naturheilkunde "Stiefschwester Naturheilkunde" "Schweningers Sieg" Zwei Lehrstühle und ein Bundeskrankenhaus "Jeder Arzt ist Naturarzt" Emil Klein: Die Intuition des Künstlerarztes Heinrich Lahmann: Der erste "wissenschaftliche Naturarzt" Maximilian Bircher-Benner: Der Lichtwert der Nahrung 8. Biologische Medizin Die Rückkehr des Hippokratismus "Prüfet alles und das Gute behaltet" Das Bündnis zwischen Naturärzten und Biologischer Medizin Die vitalistische Wende Die "Krise der Medizin" Von der heilenden zur ausmerzenden Natur Der Weg zur Neuen Deutschen Heilkunde 9. Neue Deutsche Heilkunde Der Aufruf des Reichsärzteführers "Nationalsozialistisch denken heißt biologisch-ganzheitlich denken" Die Wiesbadener Ärztetagung "Extremisten, Monomane und Dogmatiker" Das "große Experiment" am Rudolf-Heß-Krankenhaus Das Heilkräuterprogramm der SS "Deutsche Volksgesundheit aus Blut und Boden"…


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