Bellizismus und Nation

Bellizismus und Nation

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783486585162
Untertitel:
Kriegsdeutung und Nationsbestimmung in Europa und den Vereinigten Staaten 1750-1914
Genre:
20. Jahrhundert (bis 1945)
Autor:
Jörn Leonhard
Herausgeber:
De Gruyter Oldenbourg
Anzahl Seiten:
1019
Erscheinungsdatum:
06.10.2008
ISBN:
978-3-486-58516-2

Alle politischen Begriffe und Vorstellungen beziehen sich nach Carl Schmitt auf die politische Unterscheidung von Freund und Feind, deren letzte Konsequenz sich in Krieg oder Revolution äußere. Aber was erlaubte es dem Staat, unter Rückgriff auf die Legitimationsformel der Nation Millionen seiner Bürger in den Krieg zu schicken?

Vor dem Hintergrund dieser Frage untersucht Jörn Leonhard Ursprung, Wandel und Vielfalt der aus der Erfahrung kriegerischer Gewalt hervorgegangenen nationalen Legitimationsmuster. Auf synchroner Ebene stellt er Frankreich, Deutschland, Großbritannien und die Vereinigten Staaten in der longue durée vom Siebenjährigen Krieg bis zum Ersten Weltkrieg systematisch-vergleichend gegenüber. Das Werk wurde 2004 mit dem Werner-Hahlweg-Preis ausgezeichnet.


Autorentext
Jörn Leonhard, geboren 1967, ist Professor für Geschichte des Romanischen Westeuropa am Historischen Seminar der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie Direktor der School of History des Freiburg Institute for Advanced Studies. Für seine Leistungen in der vergleichenden Geschichtswissenschaft wird er 2010 mit dem Landesforschungspreis für Grundlagenforschung des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.

Zusammenfassung
"Diese Studie setzt Maßstäbe für die weitere Beschäftigung mit Krieg und Nation." Siegfried Weichlein, MIlitärgeschichtliche Zeitschrift, Heft 2/2010, Band 69 "Ohne sich vom Gewalttätigen faszinieren zu lasen, enthüllt der Autor so stoisch wie sorgfälig, dass der Krieg für die wesliche Zivilisation - bisher - konstitutiv war." Urs Hafner, Neue Zürcher Zeitung "Die Lektüre lohnt sich sehr." Hans Feske, Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte, 9/ 2009 "Der Verfasser ist kompetent für multinationale Vergleiche wie wohl kein anderer deutscher Historiker seiner Generation." Neue Politische Literatur, Nr. 2/2009

Leseprobe
VI. Ausblick: Nationaler Bellizismus und bellizistischer Nationalismus Von der Erfahrungsdeutung zur Antizipation des totalen Krieges (1871 1914) (S. 739-740)

Mit dem deutsch-französischen Krieg endete zunächst die Phase verdichteter Kriegserfahrungen auf dem europäischen Kontinent, die in den 1850er Jahren begonnen hatte. Auch wenn es bis zum Sommer 1914 keinen großen militärischen Konflikt in der Mitte Europas mehr gab, imprägnierten die Einordnung der zurückliegenden Erfahrungsumbrüche und die Antizipation eines zukünftigen Krieges die Nationsvorstellungen aller hier untersuchten Gesellschaften.

An die Stelle des realen Kriegserlebnisses rückte immer mehr die Verknüpfung von Kriegserinnerung und Kriegserwartung. In einer Phase intensivierter medialer Vermittlung wurde diese Imaginationsebene für die Kriegsdiskurse um so wichtiger. Hinzukamen die zahlreichen militärischen Konflikte an der europäischen Peripherie und in den Kolonialreichen. Damit veränderten sich die Rahmenbedingungen der Kriegsdeutungen in den einzelnen Gesellschaften. Um den Rahmen dieser Studie nicht zu sprengen, soll das folgende Kapitel in einem symptomatischen Ausblick auf die Phase bis zum Ersten Weltkrieg wichtige Entwicklungstendenzen und Leitmotive der zeitgenössischen Kriegsdiskurse skizzieren.

1. Frankreich

Der tiefe Erfahrungseinschnitt von Krieg, Niederlage und Kommuneaufstand bedeutete für die französische Republik nach 1871 eine enorme Herausforderung. Dabei ging es um die Verarbeitung der Niederlage gegen Deutschland und des Verlusts von Elsaß-Lothringen, aber auch um die Überbrückung der innergesellschaftlichen Spannungen, wie sie im Frühjahr 1871 noch einmal deutlich geworden waren. Die nationale Deutung von Krieg und Militär stand bis 1914 unter dem Eindruck des scharfen innerfranzösischen Antagonismus der deux France, zwischen dem republikanisch-laizistischen Lager und dem konservativ- klerikal orientierten Milieu.

Beide repräsentierten wie bereits vor dem Einschnitt von 1870/71 konträre Geschichts-, Nations- und Kriegsdeutungen. In diesem Kontext stand auch der bellizistische Diskurs in der Phase bis 1914.1) Nach der Etablierung der Dritten Republik verfolgten ihre Vertreter das Ziel, die nation armée als verpflichtendes Ideal zu konstituieren und zu einem innenpolitischen Integrationsinstrument zu entwickeln, das der Nation nach 1871 Orientierung und Selbstvergewisserung vermitteln sollte.

Die Formel der nation armée erfüllte dabei mehrere Funktionen: als Chiffre der Aneignung der traumatischen Niederlage, als Mittel zur revanche gegen Deutschland, aber auch als Projektion nationaler Einheit nach innen und schließlich als eine imaginierte Garantie gegen zukünftige Wiederholungen einer guerre civile. Die ideologischen Deutungskämpfe um dieses Konzept, das sich an die historischen Vorbilder der Revolution von 1789 und der ihrer Kriege anlehnte, zeigten aber, daß sich mit dem Begriff auch nach der nationalen Katastrophe von 1870/71 keinesfalls ein kohärenter Nationsentwurf etablieren ließ. Der Pluralismus konkurrierender Interpretationen vergangener und zukünftiger Kriege und die Kontroversen um das Verhältnis zwischen Militär und Gesellschaft setzten sich vielmehr fort und reflektierten innergesellschaftliche Spannungen, welche die bellizistischen Diskurse bis 1914 und damit auch die politische Kultur der Dritten Republik nachhaltig prägten.2)

Inhalt
1;Inhalt;6
2;Vorwort;16
3;I. Einleitung: Thema, Methoden und Horizonte;24
4;II. Krieg und Herrschaft, Krieg und Staat: Determinanten der Kriegsdeutung bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts;66
5;III. Patriotische Deutung und revolutionäre Ideologisierung des Krieges: Die erste bellizistische Umbruchsphase zwischen aufgeklärtem Kriegsdiskurs und revolutionärer Gewalterfahrung ( 1750 1815);132
6;IV. Von der ideologisierten Kriegserfahrung zur ambivalenten Restauration des agonalen Kriegsparadigmas ( 1815 1854);410
7;V. Die Entfaltung von Staaten- und Bürgerkriegen als National- und Volkskriege: Die zweite bellizistische Umbruchsphase ( 1854 1871);538
8;VI. Ausblick: Nationaler Bellizismus und bellizistischer Nationalismus Von der Erfahrungsdeutung zur Antizipation des totalen Krieges ( 1871 1914);762
9;VII. Bilanz: Die Deutung des Krieges und die Bestimmung der Nation Ursprünge und Wandlungen bellizistischer Nationsvorstellungen im europäischen und transatlantischen Vergleich;840
10;VIII. Quellen- und Literaturverzeichnis;858
11;Annotiertes Inhaltsverzeichnis;1022
12;Personenregister;1033


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