An Simplicianus zwei Bücher über verschiedene Fragen

Augustin beginnt das zweite Buch seiner Retraktationen mit der Besprechung seiner beiden Bücher an Simplicianus. Der formale Grund dafür ist der, dass es sich um sein Erstlingswerk als Bischof handelt, entstanden um 396/97. Doch über diesen rein chronologischen Anlass hinaus bedeutet das erste Buch dieses Werks auch eine sachliche Zäsur, da es den entscheidenden Wendepunkt in seiner Gnadenauffassung bringt. In der Entwicklung von Augustins Gnadenlehre lassen sich drei Schichten feststellen. Mit dem Entschluss für die Taufe hatte er wohl zunächst die traditionelle Gnadenvorstellung im Rahmen der Sakramentenlehre übernommen. Mit wachsendem Eindringen in die Hl. Schrift, besonders durch das Studium der Paulus-Briefe und hier vor allem des Römerbriefes, gewann er sodann erste eigenständige Einsichten über die Gnade, wie aus drei Auslegungen zum Römerbrief und dem Kommentar zum Galaterbrief (ALG Prolegomena Bd. 1 und 2), die er alle noch als Presbyter verfasst hat, zu entnehmen ist. Bei der Exegese von Röm 7 und 9, um die ihn Simplicianus gebeten hatte, konzipierte er schließlich seine Gnadenlehre in wesentlichen Elementen neu und endgültig, und dies lange Jahre vor Ausbruch des antipelagianischen Kampfes, der somit Folge, nicht Ursache seiner Gnadenlehre war. Seine neu gewonnenen Gedanken gingen in seine späteren Gnadenschriften ein und beeinflussen direkt oder indirekt durch letztere die westliche Theologie bis heute. Das zweite Buch des Werkes, in dem verschiedene Fragen zu den Königsbüchern beantwortet werden, enthält zwar manche beachtliche Ausführung, bleibt aber mehr im Rahmen der exegetischen bzw. katechetischen Tradition und hatte bei weitem nicht die Wirkungsgeschichte wie das erste Buch. Die Reihe ALG bringt hier die erste vollständige Übersetzung des Werkes ins Deutsche, verbunden mit einer ausführlichen Einleitung und Bibliographie, mit einem Kommentar, der auch die Schriften vor und nach Simplicianus berücksichtigt, sowie mit einem umfangreichen Register. Der lateinische Text folgt der vorbildlichen Edition von Frau A. Mutzenbecher im Corpus Christianorum Series Latina.

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