Manierismus und Herrschaftspraxis

Manierismus und Herrschaftspraxis

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783050045658
Untertitel:
Die Kunst der Politik und die Kunstpolitik am Hof von François I
Genre:
Bildende Kunst
Autor:
Christine Tauber
Herausgeber:
De Gruyter Akademie Forschung
Anzahl Seiten:
452
Erscheinungsdatum:
14.01.2009
ISBN:
978-3-05-004565-8

Als dezidierter Beitrag zur Kunst- und Kulturgeschichte des Politischen fragt das Buch nach der Inanspruchnahme von Kunst zur Herrschaftsrepräsentation, nach Ritualen und Zeichensystemen der Macht am französischen Königshof in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Kunstförderung und Herrschaftshandeln werden hierbei als strukturhomologe Strategien eines (früh)modernen Politikmodells analysiert. Die Entscheidung für einen spezifisch modernen Kunststil den italienischen Manierismus wurde für den französischen König François Ier zum Politikum: Er schuf sich in Fontainebleau ein Reich mit künstlerischen Mitteln, über das er jederzeit im Sinne der Deutungshoheit als Herrschaftsakt verfügen konnte.

Kunstwerke von Rosso Fiorentino, Benvenuto Cellini und Primaticcio, die in ihrer Skurrilität und Vielschichtigkeit die sinnliche Ausgangsevidenz für eine lohnende Betrachtung bieten, historische Szenen auf höchster machtpolitischer Ebene, die sich in ihrer kommunikativen und zeremoniellen Funktion erst dem ethnographisch-verfremdenden Blick erschließen, schließlich ein höfisches Milieu, in dem Intellekt, Macht, Witz, Hermetik und Erotik eine unauflösliche Verbindung eingehen: Was könnten reizvollere Quellen für die Erschließung der Spezifika von Manierismus und Herrschaftspraxis am französischen Hof im Kontext des europäischen Mächtesystems nach 1500 sein?

Autorentext
Christine Tauber, geb. 1967, studierte Germanistik, Romanistik, Geschichte, Philosophie und Kunstgeschichte in Bonn und Paris (École Normale Supérieure). Sie war von 1993-2001 wissenschaftliche Assistentin am Historischen Seminar der Universität Bonn und Mitglied des Bonner Graduiertenkollegs zur "Renaissance in Italien und ihrer europäischen Rezeption." 1997 wurde sie mit einer Arbeit über "Jacob Burckhardts ,Cicerone'. Eine Aufgabe zum Genießen" in Bonn promoviert (veröffentl. 2000). Sie war Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes und habilitierte sich mit einem Stipendium der Dr. Meyer-Struckmann-Stiftung 2005 an der Universität Konstanz in Kunstgeschichte und Kulturgeschichte. Sie ist Mitherausgeberin mehrerer Bände der Jacob-Burckhardt-Gesamtausgabe und freie Mitarbeiterin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Publikationen zur Kunst- und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts und der italienischen und französischen Renaissance.

Zusammenfassung
"[...] eine rundum glanzvolle Arbeit, die durch intellektuelle Dichte und Brillanz besticht und, neben vielen anderen klugen Gedanken, eine höchst anregende These formuliert, an der die politikgeschichtliche wie auch die kunsthistorische Forschung zur französischen Renaissance sich noch einige Zeit werden abarbeiten müssen." Sigrid Ruby in: sehepunkte, Ausgabe 11 (2011), Nr. 2 "Hier kann man lernen, Politik mit anderen Mitteln fortzuführen: Christine Tauber beschreibt, wie Ästhetik und Macht im Zeitalter des Manierismus zusammenarbeiten." Caspar Hirschi in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. August 2009 "Das vorliegende Werk ist eine große Leistung, die die deutsche kunsthistorische Frankreichforschung in hervorragender Weise bereichert." Christian Hecht in: H-ArtHist, 7. Juni 2009

Leseprobe
" 3. Kunstspiel als Überlegenheitsdemonstration: Zur Strukturlogik manieristischer Kunst (S. 51-53)

Im Jahr 1528 veröffentlichte Baldassare Castiglione seinen Cortegiano, der bereits 1531 ins Französische übersetzt wurde, und institutionalisierte mit diesem Text die Wortneuschöpfung der sprezzatura eines Begriffes, den Peter Burke einmal zutreffend mit coolness"" übersetzt hat und der eine Haltung im moralischen wie im ästhetischen Sinne bezeichnet:

Ma avendo io già piú volte pensato meco onde nasca questa grazia, lasciando quelli che dalle stelle l hanno, trovo una regula universalissima, la qual mi par valer circa questo in tutte le cose umane che si facciano o dicano piú che alcuna altra, e ciò è fuggir quanto piú si po, e come un asperissimo e pericoloso scoglio, la affettazione, e, per dir forse una nova parola, usar in ogni cosa una certa sprezzatura, che nasconda l arte e dimostri ciò che si fa e dice venir fatto senza fatica e quasi senza pensarvi. [ ] si po dir quella esser vera arte che non pare esser arte [ ].

Die Kunst des höfischen Verhaltens, oder kurz: der höfische Stil ist gekennzeichnet durch das Vermeiden von Künstlichkeit, ganz im Sinne von Lodovico Dolces Ars est celare artem"". Paradoxerweise ist aber dieses Vermeiden für diejenigen, die nicht unter einem glücklichen Stern geboren wurden, immer ein angestrengtes Verbergen. Gerade durch dieses bemühte Verbergen der Anstrengung aber werden die Verhaltenskunst und damit der höfische Stil entgegen ihrer Absicht selbstreflexiv und damit höchst artifiziell. Dies haben sie strukturell mit derjenigen Kunst gemeinsam, die an den Höfen der Hoch- und Spätrenaissance ihren idealen Rezipientenkreis fand. Castiglione formulierte seine Überlegungen zum vorbildlichen höfischen Stil etwa gleichzeitig mit dem Aufkommen desjenigen Kunststils, der gemeinhin als Manierismus"" umschrieben wird und den die Forschung um 1520, spätestens jedoch nach dem desaströsen Ereignis des Sacco di Roma von 1527 beginnen läßt. Im französischen Kontext taucht der Begriff manière"" bezeichnenderweise im Zusammenhang mit Manierenbüchern auf, die Verhalten stilbildend reglementieren sollten. Erst im 17. Jahrhundert bekam der Begriff der Manier den negativen Beigeschmack von phantastisch"", bizarr"", manieriert"". Im 16. Jahrhundert und bezogen auf die Malerei meinte maniera (so bei Vasari) relativ wertneutral eigentlich nur eine wiedererkennbare Art und Weise der Gestaltung, eine individuelle und wiedererkennbare Hand(schrift). Die Bedeutungsverengung des Begriffs zum gleichermaßen ästhetischen wie ethischen Verdikt, die sich bis in die kunsthistorische Forschung des letzten Jahrhunderts fortgeerbt hat, trägt dem erwähnten Changieren dieses Stils zwischen Verhaltensnorm und formalem Kriterium Rechnung.

Einen detaillierten Forschungsüberblick über Entdeckung und Ausprägung des Manierismusbegriffs in seinen unterschiedlichen und zeitgebundenen Deutungen zu geben, würde den Rahmen der Argumentation sprengen. Ich beschränke mich daher auf einige wenige Bemerkungen. In der gerade in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erneut aufblühenden Manierismusforschung lassen sich grob zwei Hauptrichtungen unterscheiden. Für die erste, deren herausragende Vertreter Arnold Hauser und Frederick Hartt waren, ist manieristische Kunst Ausdruck einer Krisen- und Entfremdungserfahrung mitten in Zeiten der Hochrenaissance, die sich in einer Art Kollektivneurose Bahn bricht und sich dialektisch entfaltet:&nbsp, Die Verwüstung Roms durch Landsknechte aus dem Norden macht zwar der moralischen Verderbtheit der katholischen Kirche ein Ende, führt dann aber als Strafe Gottes gedeutet sogleich zu kollektiven Schuldgefühlen, die künstlerisch in einem Akt der Selbstbestrafung bewältigt werden, nämlich in Michelangelos Jüngstem Gericht""."

Inhalt
1;Inhalt;6
2;1. Einleitung;8
2.1;Dank;15
3;2. Italianità oder Gallità? Die Herrschaftsinszenierung des französischen Königs in seinen ersten Regierungsjahren;16
3.1;2.1. Der Blick der Italiener auf den Tanz der französischen Signifikanten;19
3.2;2.2. Die Renaissance der Angoulême: Ein inszenierter Neubeginn;27
3.3;2.3. Gallità und Caesarismus;31
3.4;2.4. Porträtpolitik nach 1526;37
4;3. Kunstspiel als Überlegenheitsdemonstration: Zur Strukturlogik manieristischer Kunst;58
4.1;3.1. Bronzinos Allegorie als Modell der Überbietung größter Kunstvorbilder;63
4.2;3.2. Die Allegorie als gemalter Beitrag zur paragone-Debatte?;73
5;4. Politischer paragone: Z…


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