Was ich noch vergessen wollte

Was ich noch vergessen wollte

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783896671523
Untertitel:
Deutsch
Genre:
Humor, Satire & Kabarett
Autor:
Peter Ensikat
Herausgeber:
Blessing
Anzahl Seiten:
284
Erscheinungsdatum:
01.10.2000
ISBN:
978-3-89667-152-3

Autorentext
Peter Ensikat, geboren 1941 in Finsterwalde, arbeitete als Schauspieler am "Theater der Jungen Generation" in Dresden und am "Theater der Freundschaft" in Ost-Berlin. Später anvancierte er zu einem der meistgespielten Kabarettautoren der DDR. 1991 wurde er Gesellschafter, von 1999 bis 2006 künstlerischer Leiter des Kabaretts "Die Distel". Peter Ensikat verstarb 2013.

Klappentext
Diese Distel hat noch viele Stacheln Peter Ensikat über sein Buch: "Als wir Ostdeutschen im November '89 endlich anfingen, in der Welt von uns reden zu machen, hat uns das die Sprache verschlagen. Mehr als die zwei kurzen Sätze 'Wir sind das Volk!' und später 'Wir sind ein Volk!' brachten wir nicht hervor. Danach war alles nur noch 'Wahnsinn!' Als wir Ostdeutschen nach jener kurzen Feierabend-Revolution die Sprache wiedergefunden hatten, war schon keine Rede mehr von uns. Bis zum März 1990 spielten wir am runden Tisch noch ein bisschen Dritter-Weg-Laden, um gleich danach eine Regierung zu wählen, die nur noch eine Aufgabe zu erfüllen hatte - die besenreine Übergabe des Beitrittsgebiets. Nach vierzig Jahren Leben in einer Diktatur und zehn Jahren Demokratie versuche ich für mich herauszufinden, welche Spuren beide Systeme in mir hinterlassen haben und welche Spuren ich hinterlassen haben könnte. Und so befinde ich mich auf der Flucht vor den bösen Erinnerungen und der Suche nach den guten. Zu dem, was ich noch vergessen wollte, gehören auch die hier gesammelten Irrtümer eines fast sechzigjährigen Lebens, aus dem ich bis heute nicht schlau geworden bin. Fest steht für mich aus dem Abstand der Jahre: Auch in der DDR wurde ich nicht gelebt, ich habe gelebt. Darauf lege ich Wert, selbst wenn ich mir damit den Vorwurf einhandlen kann, nicht anders gelebt zu habenl."

Leseprobe
Was ich noch vergessen wollte Nun muss er endlich mal gezogen werden, dieser Schlussstrich unter eine Vergangenheit, die auch dem Unschuldigsten - und unschuldig sind wie ja irgendwie alle - so peinlich ist. Nach mehr als zehn Jahren Demokratie sollte man diese vierzig Jahre Diktatur doch endlich mal vergessen dürfen! Mein Gott, so schön ist die Demokratie ja auch nicht. Und ob die Diktatur wirklich eine war, das ist heute schon gar nicht mehr so sicher. Ja, man fragt sich längst, ob diese Demokratie denn wirklich eine ist. Im Lichte der Schattenseiten von heute erscheint die "Vergangenheit, so finster sie auch gewesen sein mag, schon längst wieder besonnt. Es war nicht alles schlecht - das sagten wir zwar nicht sofort, aber schon ziemlich bald nach jener Wende, in der wir uns am liebsten selbst weggeworfen hätten, nur um nicht dabei gewesen zu sein, als Ulbricht und Honecker uns regierten. Und heute fragt der eine oder andere bereits: Was war denn eigentlich schlecht? Der in der DDR propagierte Weg »Vom Ich zum Wir« scheint zumindest so weit gelungen, als wir auch heute noch lieber »wir« sagen als »ich«. Besonders wennwir von einer eventuellen Mitschuld reden an einer Vergangenheit, die wir nicht mehr ändern, nicht mal so richtig vergessen können. Was wir alle getan haben oder eben nicht getan haben, kann gar nicht so schlimm sein, sonst hätten es ja nicht fast alle mitgemacht. Lieber eine sozialistische Kollektivschuld als die schnöde Verantwortung des Einzelnen. Auch eine Kollektivschuld kann Nestwärme produzieren. Seit ich von Egon Krenz gehört habe, mit ihm sei die ganze DDR-Bevölkerung stellvertretend mitverurteilt worden, weiß ich, wie ein Märtyrer aussieht. Das ist einer, der jetzt für uns alle einsitzen muss, nachdem er vorher für uns alle hatte vorsitzen müssen, eben einer für alle. Keiner führt das Wort vom Rechtsstaat so oft im Munde wie die, die allen anderen einst den Mund verbieten durften, weil sie sich die führende Rolle ihrer Partei selbst in die Verfassung geschrieben hatten. Was damals in der Verfassung stand, kann heute doch kein Unrecht sein. Oder? Schließlich standen in jener Verfassung auch Dinge, die uns - zumindest in der Erinnerung - allen zugute kamen. Da war zum Beispiel das Recht auf Arbeit, ein wunderbares Recht, denn es war nicht verbunden mit der Pflicht, auf dieser Arbeit auch zu arbeiten. Wer im Dienst war, gehörte zur arbeitenden, also herrschenden Klasse. In der Diktatur bestimmte die Sekretärin, wann diktiert wurde. Insofern war die DDR wirklich eine Diktatur der werktätigen, also Dienst habenden Klasse. Und weil jeder mal im Dienst war, konnte sich auch jeder mal rächen für die in der Freizeit erlittenen Demütigungen."


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