Neuer Antisemitismus?

Neuer Antisemitismus?

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783865960498
Untertitel:
Eine Herausforderung für den interreligiösen Dialog
Genre:
Geisteswissenschaften allgemein
Herausgeber:
Frank und Timme GmbH
Anzahl Seiten:
100
Erscheinungsdatum:
10.03.2006
ISBN:
978-3-86596-049-8

Antijüdische Haltungen werden in Deutschland und weltweit wieder salonfähig. Oft sind antisemitische Motive in Kritik am Staat Israel versteckt. So stoßen sie auch bei selbst oft diskriminierten muslimischen Einwanderern auf Beifall. Der "neue Antisemitismus" ist jedoch nicht neu, sondern knüpft an alte Traditionen an. Juden, Christen und Muslime sind auf je eigene Weise durch diese Situation im Spannungsfeld von Politik und Religion herausgefordert: Welche Ausdrucksformen hat der gegenwärtige Antisemitismus? Wie kann es überhaupt zu einem christlich oder islamisch begründeten Antisemitismus kommen? Welchen Beitrag zur Überwindung von Antisemitismus können die Religionen leisten? Erstmals dokumentiert dieser Band sozialwissenschaftliche, jüdische, christliche und muslimische Reflexionen zu diesen Fragen. Er bietet wichtige Grundlagen für interreligiöse Gespräche, politische Debatten sowie für die von den Autoren nachdrücklich geforderte "Erziehung über Antisemitismus".

Die Autoren

Dr. theol. Hansjörg Schmid ist Referent an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit Arbeitsschwerpunkt christlich-islamischer Dialog.

Dr. theol. Britta Frede-Wenger ist Studienreferendarin und arbeitet wissenschaftlich schwerpunktmäßig im Bereich des christlich-jüdischen Dialogs.

Autorentext
Hansjörg Schmid, Dr. theol., ist Referent an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit Arbeitsschwerpunkt christlich-islamischer Dialog und Herausgeber der Bände Herausforderung Islam (Stuttgart 22005) und ,Im Namen Gottes ... Theolo-gie und Praxis des Gebets in Christentum und Islam (Regensburg 2006). Britta Frede-Wenger, Dr. theol., ist Studienreferendarin und arbeitet wissenschaftlich schwerpunktmäßig im Bereich des christlich-jüdischen Dialogs. Sie ist Autorin des Buchs Glauben und Denken im Angesicht von Auschwitz. Eine Auseinandersetzung mit dem Werk von Emil L. Fackenheim (Mainz 2005).

Leseprobe
Murad Hofmann
Das muslimisch-jüdische Verhältnis (S. 67-68)

Islamische Quellen, gemeinsame Geschichte, gegenwärtige Tendenzen Wie Judentum und Christentum ist auch der Islam bekanntlich eine abrahamitische Religion. Daraus kann allerdings nicht geschlossen werden, dass die drei genannten Religionen zueinander im gleichen Abstand stünden, als ein absolutes Dreieck. Im Gegenteil: Dogmatisch, rituell und organisatorisch stehen Judentum und Islam einander weitaus näher als beide dem Christentum. Dies hat seine Ursache in den religiösen Quellen des Islam, QurÞÁn und Sunna, und fand seinen Niederschlag in einer seit 1400 Jahren ununterbrochenen, ereignisreichen gemeinsamen Geschichte. Man kann am Ende dieses Beitrags sehen, inwieweit das gegenwärtige jüdisch-muslimische Verhältnis den religiösen Grundlagen des Islam und dem bisherigen Verlauf der Geschichte entspricht.

1. Islamische Quellen

1. Die mosaische Religion spielt im Quoran eine außerordentlich große Rolle. Moses ist die im Quoran noch vor Abraham am häufigsten erwähnte Persönlichkeit, weit vor Maria und Jesus. Er wird ohne Abstriche positiv dargestellt, wie übrigens alle anderen der 25 im Quoran erwähnten hebräischen und arabischen Propheten, einschließlich Lot, Jakob, Isaak, Joseph, Aaron, Salomon und David. Das von der Bibel bisweilen recht drastisch geschilderte Fehlverhalten einzelner Propheten übernahm der Quoran allerdings nicht.

2. Jedenfalls werden alle Muslime über den Quoran mit dem jüdischen Prophetentum und der israelischen Heilsgeschichte vertraut. Sie begegnen insbesondere neben Adam, Abraham, Hiob und Noah auch Johannes dem Täufer und Jesus als Propheten. So sagt die 42. Sure im Vers 13: "Er hat euch als Religion anbefohlen, was Er Noah vorschrieb und was Wir dir [Muhammad] offenbarten und Abraham und Moses und Jesus auftrugen ..." Der Islam zeigt sich hier als weltökumenischer Monotheismus, der keinen höheren menschlichen Status als den des Propheten kennt und die Lehren aller Propheten als eine und dieselbe versteht. Dies fand seinen klassischen Ausdruck im 67. Vers der 3. Sure, wo es heißt: "Abraham war weder Jude noch Christ; vielmehr war er rechtgläubig." Er war der "Gott Hingegebene" schlechthin und damit Muslim im weitesten, im ursprünglichen Sinne. Dies ist nicht als unzulässiger, ja aggressiver Inklusi vismus zu verstehen, sondern als unvermeidliche Konsequenz der Annahme, dass die drei monotheistischen Weltreligionen in ihrem Kern das Gleiche aussagen.

3. Dem entspricht, dass der Quoran sich geradezu als Manifest eines positiv bewerteten religiösen Pluralismus verstehen lässt, etwa wenn der 48. Vers der 5. Sure neben einer ganzen Reihe ähnlicher Verse Folgendes verkündet: "Und Wir sandten zu Dir in Wahrheit das Buch hinab, bestätigend, was ihm an Schriften vorausging und Gewissheit gebend. [...] Jedem von euch gaben Wir ein Gesetz und einen Weg. Wenn Allah gewollt hätte, hätte Er euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht. Doch Er will euch in dem prüfen, was Er euch gegeben hat. Wetteifert darum im Guten. Zu Allah ist euere Heimkehr allzumal. Und Er wird euch dann darüber aufklären, worüber ihr uneins seid." Ähnlich stellt die 49. Sure in Vers 13 fest: "O ihr Menschen! Wir erschufen euch ... zu Völkern und Stämmen, damit ihr einander kennen lernt. Doch der vor Allah am meisten Geehrte von euch ist der Gottesfürchtigste unter euch." Kurzum: Aus islamischer Sicht ist das Nebeneinander von Religionen gottgewollte Normalität.

4. Wenn der Islam auf so grandios tolerante Weise Judentum und Christentum anerkennt, weshalb fusioniert er dann nicht mit ihnen? Oder umgekehrt, warum fusionieren sie nicht mit ihm, wo doch die Hingabe an Gott, also "Islam", laut Quoran Gottes eigene Religion ist (3,19)? Dies ist die Frage nach dem Islam- Spezifischen, welche bei aller grundsätzlichen Toleranz nun doch zur Grenzziehung führt.

Konkret wirft der Quoran s

Inhalt
1;Inhalt;6
2;Vorwort;8
3;Neuer Antisemitismus oder Aktualisierung eines alten Phänomens?;10
3.1;1. Antisemitismus im Kontext von Rassismus und Israelkritik;10
3.2;2. Erscheinungsformen von Antisemitismus heute: eine Bestandsaufnahme;14
3.3;3. Kein "neuer" Antisemitismus, aber die Notwendigkeit;28
3.4;zu neuer Sensibilität;28
4;Antisemitismus, Israelkritik und das Leben in der Diaspora;32
4.1;1. Judenfeindschaft im Kontext der Kritik an Israel;32
4.2;2. Leben in der Diaspora;34
4.3;3. Perspektiven für das Zusammenleben von Juden und Nicht-Juden;38
5;Christliche Schuldgeschichte und Judenfeindschaft;42
5.1;1. Alt oder neu: theoretische Zugänge;43
5.2;2. Israelfeindschaft oder Kritik an israelischer Politik: Scheidelinien;48
5.3;3. Mehrheiten oder Minderheiten: Ergebnisse der Demoskopie;51
5.4;4. Vorurteil oder Ressentiment: Helfen Argumente?;53
5.5;5. Entlastungsbedürfnisse;55
5.6;6. Elemente der Schuldreflexivität;57
5.7;7. Schuld und Familiengeschichte;60
5.8;8. Schuldreflexe im frühen Christentum;62
6;Das muslimisch-jüdische Verhältnis;68
6.1;1. Islamische Quellen;68
6.2;2. Muslimisch-jüdische Geschichte;70
6.3;3. Gegenwärtige Tendenzen;75
7;Alter Wein und brennende Schläuche?;78
7.1;1. Zur politischen Dimension von Theologie;78
7.2;2. Antisemitismus als Herausforderung für Christentum und Islam - eine Bestandsaufnahme;79
7.3;3. "Neuer Antisemitismus" im interreligiösen Gespräch - Positionen und Anfragen;87
7.4;4. Wie kann die Debatte weitergehen? - Ergebnisse und offene Fragen;94
8;Verzeichnis der Autorinnen und Autoren;100


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